Chance in alternativen Vertriebsansätzen

Die Automobilhersteller könnten mit ihren Financial Services den Autoversicherern das Wasser abgraben. Ob da eine ernst zu nehmende Konkurrenz erwächst, wurde beim 1. Nordbayerischen Versicherungstag in Nürnberg von Wissenschaftlern und Versicherern thematisiert.

"Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit und damit auch die Attraktivität unserer Gesellschaften im Raum Nordbayern/Thüringen erhöhen", sagte Hans-Peter Schmidt, Aufsichtsratsvorsitzender der Nürnberger Versicherungsgruppe zum Auftakt. Die vier großen Versicherungsgesellschaften Huk-Coburg, KarstadtQuelle Versicherungen, Nürnberger und Universa, mit ihren Hauptverwaltungsstandorten in Nordbayern, stellten beim ersten gemeinsamen Versicherungstag in Nürnberg ihr Netzwerk mit dem Berufsbildungswerk (BWV), der Hochschule Coburg sowie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vor.

In mehreren Foren ging es fachlich zur Sache. Die Entwicklungen in der Automobilindustrie und die Konsequenz für die Versicherungswirtschaft arbeitete Professor Dr. Willi Diez von der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen heraus. Als Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft zeigte er, dass beim Umsatz der Automobilhersteller der Autoverkauf mit rund 81 Prozent immer noch dominiert, gefolgt von Finanzdienstleistungen mit elf Prozent und Teile/Zubehör-Lieferung mit acht Prozent. Doch mit Blick auf die Gewinnseite zeigt sich nach einer Studie des Mercer Managements, dass hier die Finanzdienstleistungen (Financial Services) bereits 36 Prozent ausmachen. Noch rangiert auf der Profitseite der Bereich Teile/Zubehör mit 58 Prozent an erster Stelle. Die Gewinne aus Autoverkäufen liegen bei nur sechs Prozent. Es zeichne sich ganz deutlich eine Veränderungen im Kundenverhalten ab. Der Autofahrer lege inzwischen mehr Wert auf den Nutzen des Pkw und weniger darauf, ihn zu besitzen.

Inzwischen haben die Automobilhersteller die Finanzdienstleistungen als das ideale Absatzförderungs-Instrument ausgemacht. Mit ausgewählten Finanzdienstleistungsprodukten und der Sicherung des Unfallreparaturgeschäftes durch ganzheitliche Konzepte wollen sie das Geschäft ankurbeln.

Dr. Armin Zitzmann, Vorstand der Nürnberger Versicherungsgruppe, machte den Besuchern des 1. Nordbayerischen Versicherungstages anhand von Zahlen klar, dass die Autoversicherung eine "enorm wichtige Sparte für die Versicherungswirtschaft" sei. Für das Jahr 2005 bezifferte er die Kfz-Beitragseinnahme der gesamten Branche mit 21,9 Milliarden Euro; das sind 40 Prozent Anteil an den gesamten Schaden-/Unfall-Beitragseinnahmen. In Deutschland gibt es im Jahr 2006 rund 54,9 Millionen zugelassene Kraftfahrzeuge.

Auch Dr. Zitzmann bestätigte, dass das Preisbewusstsein der Pkw-Besitzer gestiegen sei. Sie setzen auf überschaubare Mobilitätskosten: Kosten für Kauf und Unterhalt von Kraftfahrzeugen nahmen im Zeitraum 2000 bis 2006 um 17,1 Prozent zu. Gleichzeitig habe sich die Wechselbereitschaft zu anderen Versicherern erhöht.

Anhand der Combined Ratio (Schaden-Kosten-Quote) können man ablesen, dass die Autoversicherer in den letzten Jahren wieder Geld verdient haben. Dr. Zitzmann: "Die Tendenz ist aber rückläufig." So geht er davon aus, dass sich die Combined Ratio für den Durchschnitt der rund 100 Autoversicherer in Deutschland im Jahr 2007 zwischen 106 und 108 Prozent einpendeln werde. Das Geschäft werde zunehmend schärfer und unprofitabler. Es sei fraglich, ob die Autoversicherung als Einstiegsprodukt angesehen werde könne. Die "Vertriebs-Idee", die Kfz-Versicherung so günstig wie möglich anzubieten, um beim Kunden in der Folge auch alle anderen Versicherungsprodukte platzieren zu können, habe heute kaum noch Chancen.

Neue Vertriebsformen verschärfen den Preiskampf. Der neue Absatzweg Einzelhandel - wie jetzt in Supermarktketten und Bekleidungshäusern - spreche, so Dr. Zitzmann, vor allem preissensible Kunden an. Auch die über das Internet installierten Zweitmarken etablierter Anbieter verkaufen sich vor allem über den Preis.

Autoversicherer, die ihre Produkte über einen versierten Außendienst an den Kunden vermitteln, müssten zusätzlich alternative Vertriebsansätze bieten, um zu den Gewinnern zu zählen. Für traditionelle Vermittler und auch den Autohandel sieht er im Kfz-Policen-Geschäft wenig Chancen.

Autor(en): Ellen Bocquel

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