Die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) ist eines der wichtigsten Produkte in der Branche. Eine ihrer essenziellen Bestandteile ist das Bedingungswerk. Hier ändert sich kontinuierlich Wesentliches. Das heißt für Vermittler, sie müssen auf dem Laufenden bleiben.
Das beste Beispiel dafür, dass die Versicherer kontinuierlich das Bedingungswerk verändern, ist die AU-Klausel: Sie lässt sich mittlerweile bei den meisten Gesellschaften versichern oder ist bereits fester Bestandteil der Berufsunfähigkeits-Versicherung. Sie zielt vor allem darauf ab, dass Leistungsversprechen der Versicherer greifbarer zu machen und den Zugang zur versicherten Leistung einfach zu gestalten.
AU-Klausel als Leistungsbeschleuniger
Deshalb ist sie zum Beispiel bei der Alten Leipziger ein wichtiger Baustein im BU-Schutz. Jürgen Bierbaum, stellvertretender Vorstandsvorsitzender Alte Leipziger Lebensversicherung: "Eine AU-Klausel kann sinnvoll sein, da die Leistungen auch dann fällig werden, wenn keine Berufsunfähigkeit vorliegt. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der BU-Mindestgrad von 50 Prozent nicht erreicht wird." Insgesamt, so Bierbaum, sei die Feststellung der BU ein Prozess, der Zeit brauche, und hier helfe die AU-Klausel als Leistungsbeschleuniger. Bierbaum wörtlich: "Die umfangreiche Prüfung mit Feststellung eines BU-Grades ist bei Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit nicht erforderlich."
Auch Philip Wenzel sieht in der AU-Klausel ein wichtiges Argument für die BU, wie der Vermittler und Blogger unter Worksurance.de erklärt: "Der Nachweis über Tätigkeitsbeschreibung, medizinisches Gutachten und Einschränkung von 50 Prozent in Zeit oder Ergebnis ist kompliziert. Ein gelber Schein geht da schneller. Der große Vorteil für den Kunden ist die schnelle Leistung", erklärt der BU-Experte, der auch beim Versicherer durchaus ein Plus durch eine Gelbe-Schein-Regelung sieht: "Der große Vorteil für den Versicherer ist übrigens, dass er nur begrenzt leisten muss. Er muss keine hohen Rückstellungen bilden und hat so mehr freie Mittel zur Verfügung."
Ungerechtigkeit abgeschafft
Punkten will die Condor mit ihrer Teilzeitklausel. Damit soll die Benachteiligung im Leistungsfall bei Teilzeitkräften beseitigt werden. Christian Dulitz, Produktmanager BU bei der Condor Lebensversicherung, liefert ein Beispiel: "Wer bisher acht Stunden pro Tag gearbeitet hat, jetzt aber nur noch drei Stunden täglich arbeiten kann, erhält eine vereinbarte BU-Rente. Denn in diesem Fall hat er die BU-Schwelle von mindestens 50 Prozent erreicht. Wenn dagegen eine Teilzeitkraft mit vier Stunden pro Tag nur noch drei Stunden arbeiten kann, gibt es keine Leistung. Die Ungerechtigkeit‚ gleiche Prämie, gleiche Erkrankung, aber anderes Ergebnis hat die Condor mit der Teilzeitklausel abgeschafft."
Die Richtung der Condor stimmt tatsächlich, denn bei Teilzeitkräften ist die Bemessung der 50 Prozent noch einmal eine Aufgabe für sich. Experten wie Philip Wenzel sehen aber den Teufel im Detail und formulieren salopp ihre Einschätzung: "Die Idee ist gut und lieb gemeint, aber im Detail muss noch sehr, sehr viel geklärt werden." Hier wird man die ersten Leistungsfälle abwarten müssen, um entscheiden zu können, wie sinnvoll die Klausel in der Praxis tatsächlich ist.
Akuthilfe ist fester Bestandteil der Bedingungen
Das Thema Akuthilfen schlägt sich derzeit in vielen Tarifen nieder. Die Versicherer wollen damit auch dem Vorurteil entgegenwirken, dass BU-Leistungen zu lange brauchen, bis sie den Kunden erreichen. Die Swiss Life leistet deshalb in der BU bei schweren Krankheiten vereinfacht. Stefan Holzer, Leiter Versicherungsproduktion und Mitglied der Geschäftsleitung von Swiss Life Deutschland: "Ab sofort gibt es eine neue so genannte Akuthilfe. Diese leistet unmittelbar bei der bedingungsgemäßen Diagnose von sechs definierten Krankheitsbildern: Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall, Blindheit, Taubheit, Verlust der Sprache. Der Kunde erhält eine versicherte Akuthilfe-Rente für eine Dauer von zwölf Monaten. Treten mehrere dieser Krankheiten zeitlich versetzt auf, kann sich dieser Zeitraum auch noch verlängern."
Und die Swiss macht klar: Hier geht es nicht darum, zusätzliches Beitragspotenzial zu aktivieren: "Das Besondere: Die Akuthilfe ist fester Bestandteil unserer Bedingungen. Das bedeutet, sie muss bei Antragstellung nicht gesondert angekreuzt werden, sondern ist ohne Mehrbeitrag mitversichert."
Wenn der Versicherte einen Rollstuhl braucht
Auch die Nürnberger hat ähnliche Lösungen im Angebot. So gibt es ab Mitte 2020 eine Krebs-Klausel für eine Akuthilfe bei Krebserkrankungen und bereits heute die Rollstuhl-Klausel: Ist der Versicherte weder berufsunfähig noch berufsunfähig infolge Pflegebedürftigkeit, besteht dennoch Leistungspflicht in Höhe der vereinbarten BU-Rente für maximal 24 Monate, wenn der Versicherte ständig auf einen Rollstuhl angewiesen, einen vollständigen Hörverlust auf beiden Ohren erlitten hat oder auf beiden Augen vollständig erblindet ist. "Dazu kommen Optionen wie ein AU-Baustein, Krankentagegeld oder ein zusätzliches Dread-Disease-Paket“, erklärt Matthias Schenk, Pressereferent der Nürnberger, und definiert auch gleich die Absicht der Nürnberger hinter den Zusatzleistungen: „Kunden einfach den passenden Schutz bieten."
Die Akuthilfen haben einen wichtigen Platz eingenommen im Leistungsspektrum der BU-Versicherung - und das zu Recht. Denn wer im Bereich der Leistungsfallbearbeitung zu Hause ist, der weiß, wie schlecht es Menschen in der Regel geht, die an der Schwelle zur Berufsunfähigkeit stehen. Jede Hilfe kann hier Aufbauarbeit leisten, vor allem finanzielle, die in solchen schweren Zeiten oft dringend gebraucht wird. In der Beratung werden sie immer noch unter ferner liefen gelistet. Wer aber als Vermittler beim Kunden punkten will, der zeigt, wie wichtig Akuthilfen werden können.
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Autor(en): Oliver Mest