Beherrschen Versicherer die eigenen Risiken?

Zweifel an der Wirksamkeit des Risikomanagements – häufige Ursache für Pleiten – haben Fachleute bei deutschen Versicherern angemeldet. Leider nennt die neueste "Best Practice"-Studie der Beratungsfirma Tillinghast-Towers Perrin keine Namen. Die Studie untersucht das Risikomanagement von 100 Versicherern weltweit. Vorbildlich agieren demnach lediglich kanadische Versicherer. Zu deren wichtigsten Erfahrungen gehöre, dass die Vorstände wirksame Systeme installiert hätten. International sei dies erst in jedem zweiten Unternehmen der Fall. Weitere knapp 40 Prozent wollen bis 2005 soweit sein.

Ein übergreifendes Risikomanagementkomitee zur Einbindung von Entscheidungsträgern nutzen laut Befragung erst 38 Prozent der Unternehmen. Es sei aber unerlässlich, um auch bei uns qualitative Elemente der Aufsicht durchzusetzen – Stichwort "Solvency II".

In Deutschland koordiniere meist ein Controller entsprechende Aufgaben. Parallel agierten Aktuare, Kapitalanleger, das Asset-Liability-Komitee (falls vorhanden) und Risikomanager der verschiedenen Sparten weitgehend unabhängig voneinander. Hier müsse sich bald etwas ändern, um zu wirksamem Risikomanagement zu kommen, meint Tillinghast.

Mit Asset-Liability ist damit vor allem die Kunst gemeint, Risiken mit den entsprechenden Kapitalanlagen zu unterlegen. Diese Kunst habe offensichtlich bei der Mannheimer Lebensversicherung AG versagt. "Die Ausrichtung auf Marketing und Vertrieb war dominant – Risiken und Profitabilität wurden hinten angestellt", resümiert Edmund Komar, Tillinghast-Berater für Versicherer in Sachen Risikomanagement, Organisation und Strategie.

Wirksames Risikomanagement baue vor allem auf ein funktionierendes Sicherheitssystem. Dazu müssten vor allem Risikomanager mit entsprechenden Befugnissen eingestellt (Chief Risk Officer) und Risikomanagement zur Chefsache gemacht werden. Inzwischen verfügten weltweit 38 Prozent der Versicherer über einen Chief Risk Officer (CRO). Das sei fast eine Verdopplung im Vergleich zur letzten Befragung im Jahr 2000. In Deutschland finde sich nur in einer Hand voll Versicherungsunternehmen eine Funktion, die übergreifend alle Risikomanagement-Aktivitäten bündelt. Allerdings nannte Tillinghast traditionell keine Namen. Immerhin werde aber vor allem bei großen Versicherern an dem Problem gearbeitet. Seit kurzem beschäftigten sich auch viele Schaden- und Unfallversicherer mit diesem Thema.

Fazit: Das Risikomanagement von deutschen Versicherern steckt noch in den Kinderschuhen. Damit haben im Ernstfall auch Vertriebe ein existenzielles Problem. Allerdings wird die Weiterbildung zu diesem brisanten Thema erschwert: Die Studie ist nur den teilnehmenden Versicherern zugänglich; man kann sie also nicht bestellen. Details können immerhin per E-Mail in Erfahrung gebracht werden edmund.komar@towersperrin.com.

Autor(en): Detlef Pohl

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