Bafin schöpft ihre Möglichkeiten aus

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Die Bilanzkontrolle der Bafin ist ein zentrales Element der Finanzmarktaufsicht in Deutschland. Sie bürgt für die Richtigkeit und Transparenz von Unternehmensabschlüssen. Für Firmen wie Aufseher ist sie eine Herausforderung.

Mit dem Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG), das seit 2022 in Kraft ist, wurde das Bilanzkontrollsystem in Deutschland grundlegend reformiert. "Ziel ist es, Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Rechnungslegung und damit auch Bilanzmanipulationen möglichst früh zu identifizieren und strafrechtlich relevante Sachverhalte gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft aufzuklären", erklärt das Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zum Thema. 

Das bis dahin zweistufige Verfahren, bei dem die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) eine Vorprüfung durchführte, wurde im Zuge des Finanzskandals um den Münchener Payment-Anbieter Wirecard abgeschafft. Die Bafin agiert nun allein und unmittelbar, sowohl bei stichprobenartigen als auch anlassbezogenen Prüfungen.

Bilanzkontrolle vom DAX-Konzern bis zum Börsenneuling

"Die Bilanzkontrolle der Bafin deckt alle kapitalmarktorientierten Unternehmen ab. Das sind, vereinfacht gesagt, die Unternehmen, deren Aktien und Anleihen am geregelten Markt gehandelt werden", erläutert Ralf Becker, Leiter der Bilanzkontrolle der Aufsichtsbehörde, in einem Interview mit dem "Bafin Journal" von Mitte November 2024. Das betrifft rund 500 Firmen, die vom DAX-Schwergewicht bis hin zu Börsenneulingen reichen. Eine Ausnahme bilden Unternehmen, die lediglich am Freiverkehr notiert sind.

Für alle Betroffenen gilt: Wer die Vorteile des Kapitalmarkts nutzen möchte, muss potenzielle und tatsächliche Investoren und andere Stakeholder zutreffend und hinreichend über Organisation und Geschäft informieren. Auch wenn die Bafin nur kapitalmarktorientierte Unternehmen prüft, sollten sich mittelständische Unternehmen, die eine Börsennotierung oder eine Anleiheemission planen, dennoch frühzeitig mit den Anforderungen auseinandersetzen. Transparente, gesetzeskonforme Abschlüsse schaffen Vertrauen bei Investoren und können den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern.

Bafin prüft mit risikoorientiertem Ansatz

Bei der Bilanzkontrolle - egal ob stichprobenartig oder anlassbezogen - verfolgt die Aufsicht einen risikoorientierten Ansatz. Das bedeutet, dass sie gezielt kritische Themen prüft. Dabei kann es sich auch um ganz individuelle Aspekte handeln, wie Regina Schierhorn, Referatsleiterin in der Bafin-Bilanzkontrolle, im Gespräch verrät. "Daneben orientieren wir uns an allgemeinen Prüfungsschwerpunkten, die in der Regel für ein Jahr gelten. Diese Schwerpunkte greifen beispielsweise Trends oder Auffälligkeiten aus vorangegangenen Prüfungen auf."

Diese allgemeinen Prüfungsschwerpunkte orientieren sich auch an den europaweiten Prioritäten der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA). "Für 2025 haben wir uns beispielsweise vorgenommen, einen Fokus auf die Werthaltigkeit von finanziellen und nichtfinanziellen Vermögenswerten zu legen", so Schierhorn. 

Dabei nimmt die Bafin sowohl Jahres- und Konzernabschlüsse, Halbjahresfinanzberichte und, bei konkreten Verdachtsmomenten, auch Zahlungsberichte genau unter die Lupe. Seit dem Inkrafttreten des FISG kann die Behörde die Reporte der letzten zwei Geschäftsjahre überprüfen. 

Befugnisse und Rechte der Aufsichtsbehörde

Für diesen Job stehen der Aufsicht auch umfassende Befugnisse zur Verfügung. "Mit dem FISG hat der Gesetzgeber unseren Werkzeugkasten erweitert, und zwar um einige ziemlich scharfe Instrumente", betont Becker. Im Einzelnen sind das:

  1. Auskunftsrechte (Unternehmen sind verpflichtet, der Bafin umfassende Informationen zu liefern), 
  2. Durchsuchungs- und Beschlagnahmerechte (Bei Verdacht auf wesentliche Verstöße kann die Behörde Räume durchsuchen und relevante Unterlagen sicherstellen) sowie
  3. Veröffentlichungen (Die Aufsicht macht sowohl Prüfungsanordnungen als auch wesentliche Fehler in Abschlüssen aus Transparenzgründen und zum Schutz der Kapitalmärkte öffentlich).

    Ein weiteres zentrales Werkzeug ist der enge Austausch mit der Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS) sowie bei strafrechtlich relevanten Verdachtsmomenten mit der Staatsanwaltschaft.

    Bekanntmachungen sollen Transparenz schaffen

    "Wenn wir eine entsprechende Prüfungsanordnung veröffentlichen, bedeutet das nicht bereits, dass die Rechnungslegung fehlerhaft ist oder dass wir voraussichtlich eine fehlerhafte Rechnungslegung feststellen werden", stellt Becker klar. "Darüber hinaus soll der Markt auch über gewichtige Zwischenschritte informiert werden. Unsere Veröffentlichungen können ein Echo in den Medien erzeugen, Investitionsentscheidungen beeinflussen - und damit natürlich auch Kursbewegungen auslösen. Der Markt kann die Informationen also einpreisen."

    Typische Beispiele für Beanstandungen sind fehlerhafte Bewertungen von finanziellen und nichtfinanziellen Vermögenswerten - wie Grundstücke, Beteiligungen oder der sogenannte Goodwill, also immateriellen Vermögenswerten, die beispielsweise durch den Erwerb anderer Unternehmen entstanden sind. "Wir sehen auch oft Fehler im Zusammenhang mit der Realisation von Umsätzen oder dass Cash Flows in der Kapitalflussrechnung falsch zugeordnet werden. Auch in den Lageberichten werden wir immer wieder fündig, beispielsweise in der Darstellung des Geschäftsverlaufs oder in den Risiko- und Prognoseberichten", nennt Schierhorn Fälle aus der Praxis. 

    Nachhaltigkeit rückt in den Fokus

    Und immer häufiger geht es bei der Prüfung auch um die Einhaltung der Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Denn Unternehmen müssen Angaben zu ökologischen, sozialen und Governance-Themen, den sogenannten ESG-Kriterien, machen. "Diese wirken sich massiv auf die Praxis von Unternehmen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Aufsicht aus", so Becker. Die Angaben müssen von der Bafin nicht nur qualitativ bewertet, sondern auch auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit hin überprüft werden. 

    Viele Unternehmen beschäftigen sich daher seit Monaten mit den sehr komplexen Anforderungen. "Dabei müssen sie mit vielen unbestimmten Rechtsbegriffen umgehen. Genauso wie wir", so der Bilanzkontroll-Experte. Man wolle es daher vermeiden, sofort und flächendeckend mit ganz spitzem Bleistift zu prüfen. "Klar ist aber auch, dass wir unsere Möglichkeiten hinsichtlich des neuen Regelwerks von Tag eins an ausschöpfen werden, wenn wir merken, dass uns jemand ein X präsentiert, wo ein U stehen sollte."

    Der Artikel ist ursprünglich auf Springer Professional erschienen. 

    Autor(en): Angelika Breinich-Schilly

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