Die Corona-Krise wird reine Privatversicherer weniger treffen. Ganz anders sieht es für Industrie- und Gewerbeversicherer aus.
Grund für diese Situation ist vor allem eine hohe Schadenbelastung in der Veranstaltungs- und Betriebsschließungsversicherung, die durch den Corona-Lockdown entsteht. Für beide Sparten sieht Assekurata eine negative Ertragssituation und Neugeschäftsentwicklung.
Betroffen durch deutlich mehr Schäden aus dem Bereich der Managerhaftpflichtversicherung (Directors-and-Officers-Versicherung - D&O) ist zudem die Sparte industrielle- und gewerbliche Haftpflicht sowie die Rechtsschutzversicherung. "Bei steigenden Konkursen werden mehr Geschäftsleiter in die Haftung genommen", prognostiziert Reiner Will, Geschäftsführer der Assekurata Rating Agentur.
Da aber die betroffenen Sparten meist von großen internationalen Assekuranzen betrieben werden, die umfassenden Rückversicherungsschutz haben, dürften die Auswirkungen von den Unternehmen relativ gut verkraftet werden. Das ist ein wesentliches Fazit der Assekurata-Marktstudie „Schaden-/Unfallversicherung 2020/2021“. „Die Corona-Krise trifft die Versicherer sehr unterschiedlich. Es kommt auf den jeweiligen Kunden- und Geschäftsmix an“, so Will.
Mehr Nachfrage nach Cyber-Schutz
In der Rechtsschutzversicherung erwartet Assekurata eine hohe Schadenbelastung durch Corona erst 2021. Derzeit hätten zwar die Beratungen zum Thema Reise- und Arbeitsrecht zugenommen, doch Prozesse, etwa wegen Massenentlassungen, würden erst im nächsten Jahr die Branche treffen, schätzt Assekurata. Positiv auf das Neugeschäft werde sich die Corona-Krise auf Cyber-Policen auswirken. Wachstumsbereiche sind hier vor allem Mittelstand und Kleingewerbe sowie private Haushalte. Gleichzeitig werde aber die Schadenbelastung wachsen. Wittkamp: „Viele Firmen mussten ihre Belegschaft ganz schnell ins Homeoffice umsatteln.“ Da wären dann nicht immer alle „Türen“ in der EDV so gesichert wie sie es seien sollten. Kriminelle, die etwa mit Erpressungstrojanern arbeiteten, würden hier ihre Chance wittern.
Weniger Straftaten und Unfälle
Demgegenüber wirke sich die Virus-Pandemie durch ihre Beschränkungen positiv auf die Schadenbelastung in den Sparten Unfall, Haftpflicht, Hausrat und Kraftfahrt aus. Es gibt beispielsweise weniger Diebstähle, Einbrüche und Unfälle. Trotzdem erwartet Assekurata keinen neuen Preiskampf in der Kfz-Versicherung. Die Margen in der Autosparte seien für die meisten Versicherer sehr gering. „Auch wenn die Schadenhäufigkeit leicht sinkt, gibt es weiterhin eine ungebremste Kostenentwicklung“, sagte Dennis Wittkamp, Assekurata-Fachkoordinator Schaden- und Unfallversicherung. „Wir gehen davon aus, dass die wirtschaftliche Not der Autohersteller, die durch Corona verschärft wurde, weiter zu hohen Ersatzteilpreisen führen wird, weil die Produzenten hier noch zusätzliche Erträge generieren können“.
Corona entfaltet unterschiedliche Wirkung auf die Zweige der Schaden- und Unfallversicherungen:
(Quelle Assekurata)
Telematik bleibt Nischenmarkt
Nur für preissensible Kfz-Versicherer seien Telematik-Tarife ein „Muss“, meinen die Kölner Analysten. Sie gehen davon aus, dass der verschärfte Bußgeldkatalog und auch Corona einen gewissen Nachfrageschub nach Tarifen auslösen könnte, die besseres Fahren belohnen. Viele Kunden würden jetzt preissensibler. Derzeit gibt es nach Schätzung der Assekurata 400.000 Telematik-Tarife am Markt. Im Jahre 2028 sollen es rund zwei Millionen sein. „Trotzdem bleibt Telematik dann immer noch ein Nischenmarkt“, so Wittkamp. Weil viele Kfz-Versicherer schon jetzt in der Verlustzone lägen, wären Preissenkungen schwierig.
Eine Analyse über den Assekurata-Ertrags- und Wachstumsindikator zeigt, dass nur ein kleiner Teil der Anbieter noch deutlich wächst und gleichzeitig ertragsreich ist. In der Wohngebäudeversicherung sind laut Assekurata nicht nur Leitungswasserschäden die Achillesferse der Versicherer, sondern auch Feuerschäden. Für beide Schadenarten gilt: Die Leistungen steigen trotz konstanter Schadenanzahl kontinuierlich an.
Rezession trifft alle
Die künftige Entwicklung der Schaden- und Unfallversicherung ist nach Einschätzung von Assekurata wesentlich durch die Corona-Pandemie geprägt. Positiv seien eine höhere Bestandsfestigkeit und Provisionsersparnis durch ausbleibendes Neugeschäft. Für die Verwaltung und den Vertrieb käme es zu einem Digitalisierungsschub, der sich günstig auf die Kosten auswirke. Gleiches gelte für die nun beschlossene Senkung der Mehrwertsteuer.
Es gebe aber auch eine gegenläufige Bewegung, die negativ ausfalle. So müsse der Vertrieb finanziert werden, es fehle Neugeschäft und die absehbare Rezession schmälert allgemein die Wachstumsperspektiven. "Die Delle im Export wird auch die Prämien in der Industrieversicherung senken, da sie umsatzabhängig sind", sagte Experte Will.
Eine endgültige Bewertung des Jahres 2020 sei derzeit aber noch nicht möglich, weil noch das zweite Halbjahr hinsichtlich der Elementarschäden abgewartet werden müsse.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek