Ende September wird ein neuer Bundestag gewählt. Ginge es nach den Versicherungsmaklern bekäme Deutschland eine Regierung mit einer klaren marktwirtschaftlichen Orientierung. Laut einer aktuellen Umfrage des AfW Bundesverbands Finanzdienstleistung würde die FDP mit 46 Prozent der Maklerstimmen fast die absolute Mehrheit gewinnen. Aber wie sehen die Pläne der Freien Demokraten für die Vermittlerschaft aus?
Heute im Interview Katja Hessel, Vorsitzende des FDP-Finanzausschusses:
Die Gesetzliche Rentenversicherung hat ein Finanzierungsproblem, das sich auch noch massiv ausweiten wird. Dies ist bereits seit längerem bekannt. Wie sehen Ihre Pläne für die gesetzliche Rente aus?
In der Tat stellt der demographische Wandel uns alle vor besondere Herausforderungen und macht eine Modernisierung des Altersvorsorgesystems dringend erforderlich. Insbesondere die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung muss langfristig tragfähig ausgestaltet werden. Dabei darf der Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel nicht aufgeweicht werden, denn nur so ist eine zukunftsfeste Ausgestaltung der gesetzlichen Rente möglich. Uns Freien Demokraten ist außerdem wichtig, dass versicherungsfremde Leistungen - wie die Leistungen für Kindererziehungszeiten - nicht aus Beitragsmitteln, sondern nur aus Steuermitteln finanziert werden.
Die Riester-Rente muss reformiert werden. Was planen Sie für diese Vorsorgeform?
Ich stimme Ihnen zu, die Riester-Rente muss dringend reformiert werden. Dem hohen bürokratischen Aufwand und der Komplexität der Zulagen und Steuervorteile steht inzwischen eine nur geringe Rendite gegenüber. Unser Konzept sieht zum einen die Aufhebung der verpflichtenden Beitragsgarantie sowie der Verrentungspflicht vor, zum anderen fordern wir die Vereinfachung und Dynamisierung des Zulagenverfahrens. Dies würde zu einer erheblichen Vereinfachung der Zulagen führen und ein höheres Maß an Transparenz sorgen. Wir Freien Demokraten stellen uns eine Altersvorsorge nach dem Baukastenprinzip vor, das Bausteine aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge je nach Lebenslage flexibel kombiniert. So wird die Altersvorsorge an moderne Lebensläufe angepasst.
Besonders wichtig ist es, dass alle Ansprüche aus diesem "Rentenbaukasten" beim Wechsel zwischen Arbeitgebern oder zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit flexibel mitgenommen werden können. Denn die Zeiten, in denen Arbeitnehmer von Ausbildung bis Rente beim selben Arbeitgeber beschäftigt waren, sind vorbei. Das moderne Wirtschaftsleben stellt höhere Anforderungen an Mobilität und Flexibilität und auch die Arbeitnehmer sollten für ihre Bereitschaft zu wechseln und sich zu verändern, nicht bei ihrer Altersvorsorge bestraft werden. Darüber hinaus fordern wir eine Aktienrente nach schwedischem Vorbild.
Auch bei der betrieblichen Altersversorgung (bAV) muss nachgebessert werden, weil das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) die gewünschten Effekte nicht vollständig erbracht hat. Außerdem wird der Höchstrechnungszins zum Jahreswechsel auf 0,25 Prozent gesenkt, was dann Produkte mit einer 100-prozentigen Beitragsgarantie unmöglich macht. Wie sehen Ihre Vorstellungen für die Betriebsrente aus? Für die betriebliche Altersversorgung ist uns wichtig, dass diese gestärkt wird und die gesetzlichen Regelungen attraktiver gemacht werden. Wir wollen allen Unternehmen die Möglichkeit einer "reinen Beitragszusage" (höherer Aktienanteil) und des automatischen Einbezugs ganzer Belegschaften (mit "Opt-Out"- Möglichkeit für die einzelnen Beschäftigten) geben. Zudem muss die Doppelverbeitragung in der gesetzlichen Kranken- sowie Pflegeversicherung für alle Wege betrieblicher und privater Vorsorge beendet werden, denn sie untergräbt das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Politik.
Befürworten Sie eine Bürgerversicherung und warum (nicht)?
Eine Bürgerversicherung lehnen wir Freien Demokraten ab. Wir halten am dualen Gesundheitssystem fest, wollen aber den Wechsel zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung vereinfachen. Zur Vielfalt des Angebots gehört neben einer starken privaten auch eine freiheitliche gesetzliche Krankenversicherung. Diese muss aber Versicherten- und Patienteninteressen in den Mittelpunkt rücken und Möglichkeiten bieten, aus verschiedenen Modellen zu wählen.
Sind Sie für die Einführung eines Provisionsdeckels beziehungsweise Provisionsverbots im Versicherungsvertrieb und warum (nicht)?
Die Provisionsdeckel sehen wir sehr kritisch. Schon vor einem Jahr haben wir angesichts der besonderen Herausforderungen der Corona-Krise ein Moratorium für derartige Regulierungsvorhaben gefordert. Denn den Druck auf die Makler und Vermittler in diesen schwierigen Zeiten zu erhöhen, halte ich für fatal und das falsche Signal an die Branche.
Wie schätzen Sie die Stimmen von Kritikern an der Bürgerversicherung und am Provisionsdeckel beziehungsweise Provisionsverbot ein, dass dadurch Arbeitsplätze in der Versicherungsbranche verloren gehen und weniger Kunden eine Beratung zum Thema Versicherung in Anspruch nehmen, wie das Beispiel Großbritannien gezeigt hat?
Eine Überregulierung, wie durch den Provisionsdeckel, kann dazu führen, dass Akteure vom Markt gedrängt werden. Dies führt zu einer Konzentration an Vermittlern und verringert die Qualität durch einen reduzierten Wettbewerb. Gerade angesichts der Komplexität und der Tragweite der Versicherungsentscheidung ist eine Beratung oder Vermittlung durch Experten für die Bürger so wichtig. Die Anzahl und Qualität der Vermittlung sollte daher nicht durch übermäßige Regulierungen verringert werden.
Das Interview führte Jan F. Wagner, freier Finanzjournalist aus Frankfurt
Hinweis: Zum Zeitpunkt der Drucklegung der September-Ausgabe des Versicherungsmagazins, für die dieses Interview geführt wurde, lagen CDU/CSU noch in den Umfragen vorn. Das hat sich mittlerweile geändert, nun führt die SPD vor der Union.
Autor(en): Jan F. Wagner