26. Münsterischer Versicherungstag: Die neuen Beratungspflichten der Versicherer und Vermittler

Welche Beratungspflichten die Versicherungsunternehmen, aber auch die Vermittler aufgrund der aktuellen Rechtslage haben, war eines der Kernthemen beim 26. Münsterischer Versicherungstag am vergangenen Wochenende.

So gab Christian Armbrüster, Professor an der Freien Universität Berlin, zu bedenken, dass auf Grundlage der neuen Beratungspflichten nach § 6 VVG der Versicherer nicht nur verpflichtet ist, anlassbezogen aufzuklären, sondern auch eine Handlungsempfehlung aussprechen muss. Ein Beratungsanlass ist auch dann gegeben, wenn der Versicherte ausdrücklich bei seinem Versicherungsunternehmen nachfragt – also um eine Beratung bittet.

Auch wenn erkennbar sei, dass Kunden Schwierigkeiten haben, Versicherungsprodukte zu verstehen oder über die Reichweite des Deckungsschutzes falsche Vorstellungen haben, müssen Versicherer oder Vermittler beraten. Nur überdurchschnittlich sachkundige Kunden oder solche, die meinen, dass sie schon ausreichend über eine Versicherung informiert sind, können auf eine Beratung verzichten. "Das Produktinformationsblatt kann eine Beratung nicht ersetzen, es ist nur ein unterstützendes Instrument", unterstrich Armbrüster.

Beratungsdokumentation als Schutz gegen mögliche Haftung
Die Auffassung, dass sich ein Versicherer bereits dann pflichtwidrig verhält, wenn er den Anlass einer Beratung nicht erkennt, konnte der Versicherungsexperte nicht nachvollziehen. Selbst wenn sich während des Vertragsabschlusses der Status des Versicherten – etwa der Familienstand oder Beruf - verändern, ist der Gesellschaft oder Vermittler nicht zuzumuten, dass er diese Veränderungen von sich aus erkennt und beratend tätig wird.

Anders verhält es sich dagegen, wenn Produkte oder die Allgemeinen Vertragsbedingungen verändert werden. Dann besteht möglicherweise eine Beratungspflicht. Die Beratung darf dem Kunden aber keinesfalls aufgezwungen werden. Makler und Vermittler ermutigte Armbrüster, die Beratungsdokumentation nicht nur als Belastung zu sehen, sondern vielmehr als eine Erleichterung und einen Schutz gegen eine mögliche Haftung.

Gesetzliche Lücke bei unbetreuten Versicherungsnehmern
Besonders mit den praktischen Auswirkungen der Beratungspflichten des Vermittlers beschäftigte sich Frank Baumann, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Wolter Hoppenberg aus Hamm. Seiner Einschätzung nach ist die Mehrzahl der Vermittler bereit, die Herausforderungen der Beratungspflichten nach § 61 VVG anzunehmen. Weniger als zehn Prozent nutzten die Verzichtserklärung.

Dabei wird sich seines Erachtens für Mehrfachvertreter künftig die Beratungsgrundlage erweitern, auch, weil diese verstärkt mit Pools zusammenarbeiten. Für Makler, die nur in einem speziellen Segment tätig sind, werde sich die Beratungsgrundlage dagegen verringern. Dabei stellt sich laut Baumann die Frage, ob dieser Makler wirklich noch ein Makler ist oder nur noch ein Vertreter.
Die Beratungspflichten des Vermittlers reduzieren sich je nachdem, welcher Kontaktweg mit den Kunden besteht. Das heißt: Wird das Geschäft via Telefon getätigt, sind die Beratungspflichten nicht so umfassend wie im direkten Kundenkontakt.

Keine klaren Antworten liefert dahingegen die § 61 VVG und § 6 Absatz 4 und 6 des VVG, wenn es darum geht, dass ein Vermittler zwar vermittelt, aber den Kunden im Anschluss nicht mehr betreut. Hier sieht Baumann eine unschöne Gesetzeslücke, die keine befriedigende Lösung für den unbetreuten Versicherungsnehmer liefert.

Mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht
Jan Boetius, ehemaliger Vorsitzender des DKV-Vorstandes, skizzierte die Systemveränderungen der PKV durch die Reform. Er monierte in erster Linie, dass der Basistarif das Äquivalenzprinzip in vielfacher Weise zerstöre und eine negative Gesamtselektion in der gesamten PKV bewirke. Boetius wetterte: "Gut zehn bis 30 Prozent werden die Beiträge für die PKV-Versicherten steigen. Es ist absolut unverständlich, dass das Bundesfinanzministerium und das Bundesjustizministerium diese Gesundheitsreform mitgetragen haben, obwohl diese eindeutig europa- und verfassungswidrig ist. Die Eingriffe des Staates in die PKV-Landschaft sind von einer beispiellosen Radikalität".

Einen wichtigen Terminhinweis lieferte Boetius auch noch: Am 10. Dezember werden die Klagen zahlreicher privater Krankenversicherer gegen die Gesundheitsreform vor dem Bundesverfassungsgericht mündlich verhandelt. Die Tatsache, dass der Termin noch vor Weihnachten angesetzt wurde, interpretiert der Fachmann als positives Signal für seine Branche.

Foto: Universtität Münster, Schloss

Autor(en): Meris Neininger

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