Willkommen im Gabler Versicherungslexikon



Versicherungslexikon

Qualitätsgeprüftes Wissen + vollständig Online + kostenfrei: Das ist das Gabler Versicherungslexikon auf versicherungsmagazin.de

Jetzt neu: Die 2. Auflage wurde komplett überarbeitet und um über 400 neue Begriffe ergänzt.

Corporate Governance

1. Begriff

Der Begriff der Corporate Governance (corporate = körperschaftlich, unternehmerisch; governance = Regierung, Steuerung) besitzt keine einheitliche Definition. Grundsätzlich und i.w.S. wird darunter ein System zur Lenkung und Kontrolle einer Unternehmung bezeichnet.

2. Merkmale

Das Konzept der Corporate Governance beschreibt die Festlegung und Anwendung von Grundsätzen für eine gute Unternehmensführung. Diese Grundsätze können einerseits verpflichtend z.B. in Form von Gesetzen, Regeln, Standards oder Normen geregelt sein. Sie können andererseits aber auch unverbindliche Vorgaben, Absichtserklärungen und Weisungen beinhalten, die freiwillig befolgt werden können. Unternehmen sind dazu angehalten, den Empfehlungen entweder Folge zu leisten oder darzulegen, in welchen Punkten sie aus welchem Grund davon abweichen („comply and explain“).

Corporate Governance umfasst sowohl die Entwicklung und Definition von Regelwerken als auch die Umsetzung und Kontrolle der Einhaltung von Unternehmensleitlinien. Diese dienen der Entscheidungsfindung und Zielbildung sowie der Messung der Zielerreichung und Performance. Zugehörige Prozesse und Anreizmechanismen sollen dabei eine verantwor­tungsvolle Unternehmensführung gewährleisten.

In diesem Zusammenhang gilt es, zentrale Interessen verschiedenster Anspruchsgruppen des Unternehmens simultan zu berücksichtigen. In dieser Hinsicht werden zwei grundlegende Definitionen der Corporate Governance unterschieden: Beim sog. Shareholder-Ansatz steht das Verhältnis zwischen der Unternehmung und dem Markt, d.h. die Beziehung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionären im Vordergrund. Dieses Konzept findet vorrangig im angloamerikanischen Raum Verwendung und war ursprünglich auf börsennotierte Unternehmen bezogen. Der sog. Stakeholder-Ansatz dagegen ist im kontinentaleuropäischen Raum weit verbreitet und bezieht sich auf jedwede Art von Unternehmung (unabhängig von ihrer Rechtsform), so z.B. auch auf Unternehmen der öffentlichen Hand. Der Stakeholder-Ansatz konzentriert sich auf die Beziehung zwischen dem Unternehmen und der Gesellschaft und berücksichtigt neben Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionären auch Ansprüche weiterer am Unternehmen beteiligter Anspruchsgruppen, wie bspw. Mitarbeiter, Kunden, Geschäftspartner auf den Absatz- und Beschaffungsmärkten. Dabei ist die soziale, gesellschaftliche und kulturelle Verantwortung von Unternehmen von Bedeutung, d.h. das Verhältnis zur Öffentlichkeit, zum Gesetzgeber und zur Umwelt.

3. Prinzipien

Corporate-Governance-Prinzipien werden üblicherweise länderspezifisch festgelegt. Ihre Ausgestaltung hängt dabei stark von der Geschichte und von kulturellen Besonderheiten eines Landes ab. Allerdings existieren auch Prinzipien, die von den meisten Ländern akzeptiert werden. Darüber hinaus gibt es branchenspezifische Corporate-Governance-Prinzipien.

In vielen Unternehmen sind eigene Corporate-Governance-Abteilungen für die angemessene Ausgestaltung der Unternehmensleitbilder und die Kontrolle der damit verbundenen Maßnahmen zuständig. Aufbau und Pflege eines funktionierenden Corporate-Governance-Systems sind mit erheblichem Aufwand verbunden, insbesondere im Hinblick auf die Implementierung und Unterhaltung von Überwachungsstrukturen und die zeitnahe Bereitstellung von Informationen.

Wichtige Corporate-Governance-Prinzipien sind Transparenz, Verantwortlichkeit, Nachhaltigkeit, Effizienz, Vermeidung von Interessenkonflikten und Kontrolle. Transparenz ist ein unerlässlicher Faktor für eine funktionierende Unternehmenskommunikation. Eine gute Corporate Governance erfordert die Offenlegung von Entscheidungen und Strukturen der Unternehmensführung sowie der Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage des Unternehmens. Für den Fall, dass gewisse Angaben nicht publiziert werden, wird eine substanzielle Begründung gefordert. Eine verantwortliche Unternehmensführung setzt einen angemessenen Umgang mit Risiken voraus und dient damit bspw. der Vermeidung von Unternehmenszusammenbrüchen. Die Unternehmensziele sollen auf langfristige Wertschöpfung ausgerichtet sein, um einen nachhaltigen Erfolg zu generieren. Durch die Verbesserung von Prozessen und Arbeitsstrukturen werden eine Effizienzsteigerung im Unternehmen und eine Qualitätsverbesserung im Zusammenwirken zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionären angestrebt. Corporate-Governance-Prinzipien beinhalten die Wahrung von Interessen verschiedener Gruppen, wie den Schutz der Rechte und die Gleichbehandlung von Aktionären sowie den Einbezug von weiteren Anspruchsgruppen in die aktive Zusammenarbeit. Schließlich soll durch unabhängige Kontrollorgane (Aufsichtsrat, Abschlussprüfer) und eine klare Trennung von Verantwortlichkeiten eine gute Unternehmensführung sichergestellt werden. Dabei ist ein Gleichgewicht zwischen Regulierung und Flexibilität angestrebt. Keinesfalls soll Corporate Governance zu einer Überregulierung führen. Die Corporate-Governance-Prinzipien werden laufend überprüft und weiterentwickelt.

4. Ziele

Wichtige Ziele der Corporate-Governance-Prinzipien liegen darin, durch Transparenz und Verantwortlichkeit das Vertrauen in die Unternehmensführung zu stärken und damit zum Funktionieren des Markts beizutragen. Dies soll die Effizienz und Stabilität der Finanzmärkte fördern, den Zugang zu Kapital erleichtern und die Kapitalkosten reduzieren. Durch einen effizienten Einsatz von Ressourcen und eine zielgerichtete Zusammenarbeit von Unternehmensleitung und -überwachung werden eine bessere Performance erzielt und zusätzliches Wachstum generiert. Finanziell gesunde Unternehmen stellen Arbeitsplätze zur Verfügung und tragen damit zum Wohlstand der Volkswirtschaft bei. Darüber hinaus sind sie wiederum attraktiv für Investoren, deren Interessen durch Corporate-Governance-Prinzipien geschützt sind.

5. Institutionen

Nationale und internationale Corporate-Governance-Institutionen sind (Auswahl):

  • Organisation for Economic Co-Operation and Development (OECD) (www.oecd.org). Die OECD Principles of Corporate Governance wurden erstmals 1999 veröffentlicht. Im Jahr 2004 wurde eine Überarbeitung fertiggestellt; 2005 erschienen Corporate-Governance-Prinzipien für öffentliche Institutionen. Die Corporate-Governance-Prinzipen der OECD gelten als internationaler Maßstab und wurden von den Regierungen aller 30 Mitgliedsstaaten der OECD akzeptiert.
  • European Corporate Governance Forum der Europäischen Kommission (www.ec.europa.eu).
  • European Corporate Governance Institute (ECGI) (www.ecgi.org).
  • International Finance Corporation World Bank (www.ifc.org).
  • International Corporate Governance Network (ICGN) (www.icgn.org).
  • Deutscher Corporate Governance Kodex (www.corporate-governance-code.de).
  • Public Corporate Governance Kodex (PCGK) (www.publicgovernance.de).
  • Seit 2002 ist der Sarbanes-Oxley Act (SOX) (www.sarbanes-oxley.com) verpflichtend für an US-Börsen gelistete Unternehmen.

Literatur: Cadbury, A., Report of the Committee on the Financial Aspects of Corporate Governance, The Committee on the Financial Aspects of Corporate Governance and Gee and Co. Ltd., Burgess Science Press, Großbritannien, 1992; Gillian, S. L./Starks, L. T., Corporate Governance, Corporate Ownership, and the Role of Institutional Investors: A Global Perspective, in: Journal of Applied Finance, 13. Jg., H. 2, 2003, S. 4–22; Idowu, S. O./Caliyurt, K. T. (Hrsg.), Corporate Governance: An International Perspective, Heidelberg 2014; Paetzmann, K., Corporate Governance – Strategische Marktrisiken, Controlling, Überwachung, Heidelberg 2012; Shleifer, A./Vishny, R., A Survey of Corporate Governance, in: The Journal of Finance, 52. Jg., H. 2, 1997, S. 737–783.

Autor(en): Prof. Dr. Hato Schmeiser

 

260px 77px