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Appraisal Value (AV)

1. Begriff: Theoretisches Konzept der Bewertung eines Personenversicherungsunternehmens aus Sicht der Eigentümer unter Berücksichtigung von dessen Erfolgskraft aus der Abwicklung des vorhandenen Versicherungsbestands (Embedded Value) und der Zeichnung künftigen Neugeschäfts mit der vorhandenen Infrastruktur (Goodwill, Geschäfts- oder Firmenwert).

2. Modell: Der AV will den über den Embedded Value hinausgehenden Wert eines Versicherungsgeschäfts erfassen, der z.B. durch die Nutzung bereits getätigter Investitionen in die Infrastruktur, etwa in eine vorhandene Vertriebsorganisation, ermöglicht wird. Es wäre also naheliegend, die für die Ermittlung des Embedded Value eingesetzten Projektionen um zukünftige Neuzugänge zu erweitern. Abgesehen vom rechentechnischen Aufwand ist jedoch zu berücksichtigen, dass die so ermittelten Werte im Regelfall starke Sensitivitäten gegenüber Annahmen zu Wachstumsraten und der Zusammensetzung des künftigen Neugeschäfts haben und damit hochgradig von subjektiven Einschätzungen geprägt sind. Daher wird sich häufig darauf beschränkt, im Rahmen der Ermittlung des Embedded Value (EV), separat den Neugeschäftswert (New Business Value, NBV) der letzten Neugeschäftsgeneration anzugeben. Hieraus wird der Appraisal Value (AV) nach der Formel AV = EV + m*NBV bestimmt, wobei (m) ein die Wachstumsperspektiven des Unternehmens und die Unsicherheiten künftiger Entwicklungen reflektierender Multiplikator ist. Hält bspw. ein Analyst ein Neugeschäftswachstum von 5 % für die nächsten zehn Jahre und einen die Risiken der Geschäftsentwicklung reflektierenden Risikodiskontsatz von 15 % für angemessen, so wird er zu einem Multiplikator von etwa 6,5 kommen. Dies ist der Barwertfaktor einer zehnjährigen Rente mit dem Diskont von 10 % (also 15 % Risikodiskont – 5 % Neugeschäftswachstum), genau ((1,05/1.15)°10-1)/(1,05/1,15-1) = 6,73 bei vorschüssiger Rente bzw. 5,87 als nachschüssiger Wert, also im Mittel rund 6,5).

3. Ziele: Mit der Ermittlung eines AV wird die analytische Basis für die Beurteilung des Werts eines Lebensversicherungsunternehmens geschaffen. Bei börsennotierten Gesellschaften liefern Abweichungen zu einer aktuellen Marktkapitalisierung Hinweise für mögliche Investitionsempfehlungen. Im Kontext von Unternehmensverkäufen erlaubt das Konzept des AV die Einschätzung von Kaufpreisvorstellungen auf der Grundlage von Wachstums- und Erfolgsperspektiven.

4. Probleme: Der AV ist eine analytische Approximation des Unternehmenswerts aus Eigentümerperspektive. Er könnte daher in der Personenversicherung auch für nicht börsennotierte Gesellschaften die Grundlage eines wertorientierten Steuerungssystems bilden. Allerdings ist der AV sehr sensitiv gegenüber externen, vom Kapitalmarkt induzierten Rahmenbedingungen. Seine Wertänderungen sind damit nicht ohne Weiteres mit operativem Erfolg oder Misserfolg des Managements gleichzusetzen.

Autor(en): Norbert Heinen

 

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