Das Landgericht Chemnitz (Beschluss vom 03.07.2018, Az. 2 Qs 241/18) entschied, dass auch die Kosten eines anthropologischen Sachverständigengutachtens zu den marktüblichen Sätzen von der Staatskasse zu erstatten sind. Der Privatgutachter hatte nachgewiesen, dass der Kfz-Halter laut Photo nicht sicher jener Fahrer ist, der mit überhöhter Geschwindigkeit geblitzt worden war. Das Strafverfahren wurde daher eingestellt.
Der Richter hat bei Verurteilung in den Urteilsgründen darzulegen, „auf welche übereinstimmenden metrischen Körpermerkmale der Sachverständige sich bei seiner Bewertung gestützt und auf welche Art und Weise er diese Übereinstimmungen ermittelt hat“ (OLG Hamm, Beschluss vom 20.06.2008, Az. 3 Ss OWi 434/08). In diesem Falle kam ein human-biologisches Gutachten zum Ergebnis, dass es wohl unsicher sei, dass die Person auf dem Radarmessphoto mit der Angeklagten übereinstimmt.
Nicht im Urteil abgebildet
Das Urteil der Vorinstanz wurde aufgehoben, weil in den Urteilsgründen die „zugrundliegenden Anknüpfungstatsachen und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen“ - aus dem Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen - nicht im Urteil abgebildet waren. Dies kann der Angeklagte, der kein Privatgutachten vorlegt, indes nicht verlangen, wenn ihn der Richter im Gerichtssaal anhand des Fotos zu identifizieren meint.
Privatgutachten sind zunächst einmal keine Beweismittel. Man kann damit aber zum Beispiel die primäre Darlegungslast erfüllen, und damit erst eine sekundäre Darlegungslast der Gegenseite erreichen. Und: Es ermöglicht überhaupt erst einen schlüssigen Klagevortrag.
Wie es zu einer Beweiserhebung kommt
Sachverständige können eine Partei erstmalig in die Lage versetzen, auf eine primäre oder sekundäre Darlegung so zu erwidern, dass es zu einer Beweiserhebung kommt, gegebenenfalls über ein gerichtliches Sachverständigengutachten. Sie dienen auch dazu, solche Beweise wie gerichtlich eingeholte Gutachten angzureifen, so dass sie zum Beispiel ergänzt werden müssen, ein anderer Gutachter bestimmt wird, oder vom Gericht schlicht nicht als erbracht angesehen werden, weil das eingeholte Gutachten nun nicht mehr überzeugt.
Wenn Fachjuristen im Dienste von Haftpflichtversicherern meinen, der jeweils beauftragte Anwalt möge doch die Beweisfragen für den Privatgutachter formulieren, ist dies wohl eine fragwürdige Haltung. Ein Sachverständiger könnte unter Umständen einen nicht zielführenden Auftrag dann einfach genau so erledigen.
Ein Privatgutachter kann auch seine Prozesspartei dabei unterstützen, dass ein Gericht über Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer eindeutigen Fragestellung im Beweisbeschluß informiert werden kann. Schließlich wird der gerichtliche Sachverständige sich dazu nicht äußern, um einem denkbaren Befangenheitsantrag zu entgehen. Zudem kann problematisch sein, dass ein Richter nicht daran gehindert ist, einen überforderten Gutachter zu beauftragen.
Rechtsschutzversicherungen bieten keine All-Risk-Deckung
Abgesehen von Spezialdeckungen für Manager bzw. im Strafrecht für Selbstständige gibt es in den Allgemeinen-Rechtsschutz-Bedingungen (ARB) keine Kostenerstattung für die Prozessbegleitung durch Privatgutachter beziehungsweise privat beauftragte Sachverständige. Jedoch wird im Zweifel nur ein nichtjuristischer Fachmann eventuelle methodische „Todsünden des Sachverständigen“ erkennen können. Gutachterliche Feststellungen des Privatgutachters darf das Gericht als so genannten qualifizierten Parteivortrag nicht einfach unberücksichtigt lassen. Von der Gegenseite ist daher zu verlangen, dass diese darauf entsprechend qualifiziert erwidern.
Bei Versicherungsschäden ist manchem Betroffen nicht klar, dass sich der Schadenszustand verändern kann oder in Zukunft nicht mehr feststellbar ist. Dies beginnt beim Schaden durch Feuer und (Lösch-)Wasser, betrifft aber auch Personenversicherungen wie Kranken(haus)tagegeld, PKV-Leistungen, Berufsunfähigkeit und Erwerbsminderung. In derartigen Fällen kann es nahe liegen, ein gerichtliches selbständiges Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff der Zivilprozessordung (ZPO) einzuleiten.
Ein vollwertiges Beweismittel
Während ein Gutachten eines Privatgutachters zwar kein Beweismittel, aber immerhin ein qualifizierter Parteivortrag ist, den der Richter nicht einfach beiseite lassen kann, handelt es sich hier um ein vollwertiges Beweismittel. Beweismittel wäre aber auch die Zeugenaussage des Privatgutachters als sachverständiger Zeuge dessen, was er bei der Begutachtung sachlich festgestellt hat.
Anstatt zu schweigen, wenn (noch) nichts beweisbar ist, empfiehlt sich eine vorprozessuale Begutachtung. Dies kann beispielsweise bereits bei mangelhaften Lieferungen der Fall sein, etwa wenn Baumaterial nicht hält oder eine EDV-Anlage falsche Ergebnisse liefert.
Entscheidend ist, welche gerichtlichen Beweiserhebungen das Gericht zur Aufklärung des Sachverhaltes für erforderlich hält – dafür braucht es jedoch fachlich fundierten Vortrag im Schriftsatz.
Autor(en): Dr. Johannes Fiala, PhD, MBA Finanzdienstleistungen, Geprüfter Finanz- und Anlageberater, und Diplom-Mathematiker Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik, Aktuar DAV