Wenn die Führungskraft genötigt wird ...

Die im Beitrag vorgestellte Entscheidung des Oberlandesgerichtes (OLG) Stuttgart betonte die Erfordernis einer Abmahnung vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung wegen Beleidigungen und Drohungen. Wie weit der Beurteilungsspielraum der Gerichte in dieser Hinsicht ist, zeigt jedoch eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamburg: Auch dort lag der ausgesprochenen fristlosen Kündigung eine Drohung zugrunde. Das LAG hielt in diesem Fall eine vorherige Abmahnung für entbehrlich.


Extra Geld, sonst…
Das verklagte Unternehmen organisierte seinen Vertrieb über Direktionsstellen, denen jeweils einzelne Agenturen zugeordnet waren. Im Zuge einer Umstrukturierungsmaßnahme sollten bei den Direktionsstellen so genannte „Central Service Center“ eingeführt werden.

Der angestellte Leiter einer Direktionsstelle (der Bruttoverdienst 2005 lag bei 122.006,50 Euro) vereinbarte mit seinem neuen Vorgesetzten Anfang 2006 einen Termin, in dem auch über die Vergütung des Direktionsstellenleiters gesprochen werden sollte. Dabei verdeutlichte der Mann, dass er durch einen vorherigen Ortswechsel Einnahmeverluste habe hinnehmen müssen. Der Bitte des neuen Vorgesetzten, ihm sein Anliegen zur Gesprächsvorbereitung kurz vorab per E-Mail zu schildern, kam der Direktionsstellenleiter nicht nach.

Im Termin soll sich der Direktionsstellenleiter dann auf nochmalige Bitte nach schriftlicher Fixierung des Anliegens gegenüber dem Vorgesetzten wie folgt geäußert haben: "Ich werde das nicht tun. Und eines sage ich Ihnen: Wenn ich die (fünfstelliger Euro-Betrag) nicht bekomme, dann werde ich die Unternehmeragenturen in meinem Bereich vor die Wand laufen lassen. Und dann sind in kurzer Zeit nicht nur Sie Ihren Job los, sondern auch Herr M. (der Vertriebsdirektor)."

Das Unternehmen erklärte daraufhin die fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses. Hiergegen wandte sich der Direktionsstellenleiter mit einer Kündigungsschutzklage, über die Arbeitsgericht und LAG Hamburg zu entscheiden hatten.

Die Entscheidung des LAG
Das Arbeitsgericht kam nach Einvernahme des Vorgesetzten als Zeuge und Anhörung des klagenden Direktionsstellenleiters zu der Überzeugung, dass sich der Kläger so geäußert hatte, wie vorstehend beschrieben. Es hielt deshalb die fristlose Kündigung für wirksam und wurde in dieser Ansicht vom LAG Hamburg in vollem Umfang bestätigt.

Das LAG hielt die Forderung nach einem fünfstelligen Geldbetrag, auf den an sich kein Anspruch bestand, für eine durch nichts gerechtfertigte Nötigung. Insoweit komme es nicht darauf an, ob auch der entsprechende Straftatbestand erfüllt sei. Versuche der Arbeitnehmer, einen ihm nicht zustehenden Vorteil mit einer Drohung zu erreichen, verletze er zumindest seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Arbeitgeber.

Es sei keineswegs von vornherein klar gewesen, dass die Drohung des Klägers ins Leere ging. Der Kläger habe in seiner Position durchaus die Einflussmöglichkeiten gehabt, das Projekt - die Einführung von Central Service Centern - zu sabotieren. Das beklagte Unternehmen sei zur Umsetzung der neuen Struktur auf den Einsatz und die Überzeugungsarbeit des Direktionsstellenleiters angewiesen gewesen. Nachvollziehbar sei insoweit auch, dass die Position des unter großem Erfolgsdruck stehenden Vorgesetzten mit dem Scheitern des Projekts erheblich gefährdet gewesen wäre.

Das beklagte Unternehmen sei auch nicht gehalten gewesen, sich auf den Ausspruch einer Abmahnung zu beschränken. Diese sei dann nötig, wenn es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers gehe und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden könne. Von letzterem sei jedoch angesichts der schwerwiegenden Pflichtverletzung des Klägers und seiner gehobenen Position nicht auszugehen.

Unerheblich sei schließlich auch, dass der Vorgesetzte, demgegenüber die Drohung ausgesprochen wurde, seinerseits nicht mehr beim beklagten Unternehmen beschäftigt sei. Durch die Verhaltensweise des Direktionsstellenleiters sei nicht nur das Verhältnis zu dieser Person, sondern auch zu den weiter übergeordneten Entscheidungsträgern des Unternehmens beeinträchtigt.

Fazit
Auch diese Entscheidung zeigt - vor allem im Vergleich zur Entscheidung des OLG Stuttgart - einmal mehr, mit welch weitem Beurteilungsspielraum die Gerichte eine Abmahnung für erforderlich und eine fristlose Kündigung für wirksam oder unwirksam halten können. Allgemeingültige Leitlinien lassen sich fast nicht erkennen. Erforderlich ist immer eine genaue Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls.

Das Urteil des LAG Hamburg vom 7. September 2007 (Az: 6 Sa 37/07) finden Sie im Volltext unter .

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Autor(en): Dr. Michael Wurdack

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