Der Bundesfinanzhof (BFH, siehe Bild) hat am 31. Mai 2021 die mit Spannung erwarteten Urteile zur doppelten Besteuerung von Renten veröffentlicht. Auch wenn die Klagen im konkreten Fall abgewiesen wurden, muss der Staat nachbessern.
Aktuell ging es in den beiden Klagen um die Frage, ob Rentner doppelt besteuert werden. Diese Doppelbesteuerung ist durch die Verfassung verboten, wie sie ermittelt wird, war aber umstritten. Der 10. Senat des Bundesfinanzhofs hat nun (Az. X R 33/19 und X R 20/19 vom 19. Mai 2021) erstmals eine konkrete Formel für die Berechnung der doppelten Besteuerung aufgestellt. Dabei hat er klargestellt, dass zum steuerfreien Rentenbezug nicht nur die jährlichen Rentenfreibeträge des Rentners, sondern auch die des überlebenden Ehegatten aus dessen Hinterbliebenenrente zu berechnen sind.
Systemwechsel zur nachgelagerten Besteuerung ist verfassungskonform
Das oberste Finanzgericht betont, dass sowohl der Systemwechsel zur nachgelagerten Besteuerung von Rentenbezügen als auch die Übergangsregelungen grundsätzlich verfassungskonform sind. Allerdings dürfe es im konkreten Einzelfall nicht zu einer doppelten Besteuerung von Renten kommen. Eine solche doppelte Besteuerung wird vermieden, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge.
Hintergrund des Konflikts ist die vom Gesetzgeber angestrebte Gleichbehandlung von Renten und Pensionen. Bis 2004 unterlagen Renten nur mit einem geringen Ertragsanteil der Einkommensteuer. Dadurch zahlten Rentner, die neben ihrer Rente keine weiteren steuerpflichtigen Einkünfte hatten, in der Praxis keine Einkommensteuer. Pensionäre mussten ihre Altersbezüge hingegen voll versteuern. Das Bundesverfassungsgericht sah in dieser Praxis eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung und verpflichtete den Gesetzgeber zu einer Neuregelung spätestens mit Wirkung ab 2005.
Seit 2005 stufenweise Umstellung
Diesem Auftrag kam dieser mit dem Alterseinkünftegesetz nach. Seit dem 1. Januar 2005 sind sowohl Pensionen, als auch Renten einkommensteuerpflichtig. Im Gegenzug können die Steuerpflichtigen ihre Altersvorsorgeaufwendungen, insbesondere ihre Rentenversicherungsbeiträge, als Sonderausgaben von der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage abziehen (nachgelagerte Besteuerung).
Da eine sofortige Steuerfreistellung der Rentenbeiträge dem Staat massiver Ausfälle beschert hätte, gelten für den Systemwechsel langfristige Übergangregelungen. Diese sehen vor, dass bei Rentnern, die bis einschließlich 2005 in den Rentenbezug eingetreten sind, auf Dauer ein Betrag von 50 Prozent ihrer damaligen Rente steuerfrei bleibt. Für Rentner, die später Rente beziehen, vermindert sich der für den Freibetrag maßgebende Prozentsatz. So sind bei Rentnern, die im Jahr 2021 erstmals eine Rente beziehen, nur noch 19 Prozent der Rente steuerfrei. Ab 2040 muss die gesamte Rente versteuert werden. Die Übergangsregelungen sehen vor, dass im Jahr 2005 zunächst lediglich 60 Prozent der Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben abgezogen werden konnten, im Jahr 2021 sind es 92 Prozent. Ab 2025 werden sämtliche Altersvorsorgeaufwendungen ungekürzt als Sonderausgaben abziehbar sein.
Mindereinnahmen bis zu 90 Milliarden Euro
Der BFH erläutert, dass der Rentenfreibetrag für neue Rentner mit jedem Jahr kleiner werde. "Er dürfte daher künftig rechnerisch in vielen Fällen nicht mehr ausreichen, um die aus versteuertem Einkommen geleisteten Teile der Rentenversicherungsbeiträge zu kompensieren", so die Urteilsbegründung. Besonders betroffen seien hier Selbstständige, Männer wegen der geringeren Lebenserwartung als Frauen, sowie Ledige.
Die BFH-Entscheidung werde zu Mindereinnahmen des Staates zwischen 2020 bis 2040 in Höhe von 90 Milliarden Euro führen, schätzt der Steuerexperte des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Tobias Hentze laut Deutschlandradio.
Autor(en): versicherungsmagazin.de