Antragsfragen und dokumentationspflichtige Informationen sind nicht dasselbe, so das Oberlandesgericht Hamm in einem Beschluss. Welche Konsequenzen das für Vermittler hat.
Das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm / Beschluss vom 2.1.2019, Az. 20 U 145/18, VersR 2019, 1295-1297) musste überprüfen, ob das Landgericht Paderborn die Pflichten eines Versicherungsvermittlers und dessen Haftung zutreffend eingeschätzt hatte.
Schwerbehinderung nicht angegeben
In dem zugrunde liegenden Verfahren hatte der Kunde einer Berufsunfähigkeitsversicherung seinen Versicherungsvertreter, offenbar einen Mehrfachvertreter, verklagt. Der hatte ihm 2007 eine Berufsunfähigkeitsversicherung vermittelt. Der Kunde litt allerdings unter den Folgen eines 1992 eingetretenen Unfalls, der ihn das Augenlicht auf einem Auge ganz gekostet und auch das andere Auge geschädigt hatte. Hinzu kam, dass der Kunde schon vor dem Versicherungsabschluss die Milz verloren hatte. Er war als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 70 Prozent anerkannt.
Im Antrag auf die Berufsunfähigkeitsversicherung war aber nur die Sehbehinderung auf dem einen Auge angegeben. Der Versicherer hatte Unterlagen beim Augenarzt eingeholt, aus denen neben der Erblindung auch ein Schaden am anderen Auge zumindest in typischer, medizinisch-kryptischer Abkürzung angegeben war.
Vertreter für den Verlust der Leistung verantwortlich gemacht
Der Kunde wurde 2016 berufsunfähig und beanspruchte die versicherte Leistung. Der Versicherer jedoch erklärte die Anfechtung, weil ihm der Verlust der Milz, die Schwerbehinderung und auch das volle Ausmaß der Augenschädigungen nicht angezeigt worden seien. Im Verfahren behauptete der Kunde, dem Vertreter von den verschiedenen Erkrankungen erzählt zu haben, konnte sich aber offenbar nicht mehr detailgenau an den Hergang der Gespräche mit dem Vertreter erinnern, ebenso wenig daran, wer genau den Antrag wie ausgefüllt hatte.
Der Kunde verlor damit seine Ansprüche aus der Versicherung, machte aber den Vertreter dafür verantwortlich und verlangte Schadenersatz aufgrund einer Falschberatung. Das LG Paderborn wies die Klage ab und begründete dies damit, dass die Erhebung und Weitergabe von Informationen zum Antrag nicht zu dem Pflichtenkanon der §§ 61, 62 VVG gehört, das heißt also nicht zu den Pflichten der Befragung, Beratung, Begründung und Dokumentation. Nur bei einer Verletzung der genannten Pflichten sieht § 63 VVG eine persönliche Schadenersatzpflicht des Versicherungsvermittlers vor.
Das Gericht wollte nicht einmal eine Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Beratungsvertrag zwischen Vertreter und Kunde nach § 280 Abs. 1 BGB annehmen, weil die entsprechenden Beweise oder jedenfalls schlüssigen Aussagen des Kunden dazu fehlten. Denn beweispflichtig ist immer zunächst einmal derjenige, der einen Anspruch behauptet und durchsetzen will.
Das OLG Hamm schloss sich dieser Meinung an und kam zum Ergebnis, dass die Revision keine Aussicht auf Erfolg haben wird und der Sache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Der Kläger zog daraufhin seine Klage gegen den Vertreter zurück.
Dokumentationspflicht verletzt – ohne Folgen
In diesem Zusammenhang wurde allerdings auch deutlich, dass der Vertreter in diesem Fall seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen war. Da aber von vornherein kein Verstoß gegen die Beratungs- und Dokumentationspflichten in Frage kam, konnte auch keine Beweiserleichterung oder sogar Umkehr der Beweislast eintreten, wie dies die Rechtsprechung ansonsten bei fehlender Dokumentation zugunsten der Kunden annimmt.
Der Kunde in diesem Fall hätte wenn, dann gegen den Versicherer vorgehen müssen. Der hatte zum einen die Informationen des Augenarztes nicht vollständig wahrgenommen, wonach beide Augen geschädigt waren. Zudem hätte der Versicherer sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob er sich ein Wissen seines Vertreters über die weiteren Vorerkrankungen zurechnen lassen muss. Dafür allerdings hätte der Kunde wohl substanzielleres vortragen müssen als nur vage Erinnerungen, wie die Gespräche mit dem Vertreter ungefähr abgelaufen sein könnten.
Das OLG Hamm fasst die Erkenntnisse so zusammen: "Die Bearbeitung von ausdrücklich im Antrag festgehaltenen Antragsfragen ist keine `Information´ im Sinne von § 62 Abs. 1 Alt. 2 VVG. Sie bedarf keiner (gesonderten) Dokumentation. Die Beweislast für Fehler des Vermittlers liegt beim Versicherungsnehmer. Der Umstand, dass im Übrigen eine Beratungsdokumentation fehlt, hilft dem Versicherungsnehmer daher nicht."
Autor(en): Matthias Beenken