Die Tarifwechselberatung zur privaten Krankenversicherung ist ein fortgesetzter Zankapfel, der durch das traditionelle Vergütungssystem Abschlussprovision ausgelöst wird. Dem hat nun der Bundesgerichtshof eine weitere Facette hinzugefügt.
In der privaten Krankenversicherung steigen im Lauf der Jahrzehnte die Beiträge durch Beitragsanpassungen manchmal in einem Maß an, dass der Kunde sich diese nicht mehr leisten kann. Verfügt der Versicherer über verschiedene Tarife, kann der Kunde nach § 204 VVG ein Tarifwechselrecht wahrnehmen unter Wahrung seiner Ansprüche auf Alterungsrückstellungen.
Keine Anreize zur Tarifwechselberatung
Die Beratung hierzu liegt jedoch traditionell weder im Interesse der Versicherer, die dadurch Prämienverluste erleiden, noch in demjenigen der Vermittler. Denn die marktüblichen Vergütungssysteme reizen nur den (erstmaligen) Abschluss, nicht aber eine adäquate Folgeberatung und Betreuung an. Auch wenn der Gesetzgeber mittlerweile Auskunftsrechte der Kunden geschaffen und viele Krankenversicherer durch einen Leitfaden zum Tarifwechselrecht Abhilfe zugesagt haben, bleibt das Thema Tarifwechsel eine schwierige Angelegenheit. Verschiedene Dienstleister wollen den Kunden helfen und lassen sich dafür direkt vom Kunden vergüten.
Seit der Umsetzung der früheren Vermittlerrichtlinie in deutsches Recht gibt es immer wieder rechtliche Auseinandersetzungen zwischen Marktteilnehmern, die mal als Versicherungsmakler und mal als Versicherungsberater tätig werden. Während bei Versicherungsmaklern inzwischen mehrfach klargestellt wurde, dass die erfolgsabhängige Honorierung für die Tarifwechselberatung durch den Kunden zulässig ist (Erfolgshonorar bleibt zulässig), ging es in einem vom Bundesgerichtshof (BGH) (Urteil vom 6. Juni 2019, Az. I ZR 67/18, r+s 11/2019, 667 ff.) entschiedenen wettbewerbsrechtlichen Fall umgekehrt um das Erfolgshonorar eines ursprünglich als Versicherungsberater tätigen Tarifwechselberaters.
Anwälte dürfen auch kein Erfolgshonorar nehmen
Der BGH entschied, dass ein Versicherungsberater kein Erfolgshonorar berechnen darf. Dabei beruft er sich auf das grundsätzliche Verbot von Erfolgsvergütungen für Rechtsanwälte, dem seiner Ansicht nach auch Versicherungsberater unterworfen sind.
Der BGH zeichnet dabei recht ausführlich die historische Entwicklung des Versicherungsberaters nach, der im früheren Rechtsberatungsgesetz als einer von mehreren Ausnahmefällen zum allgemeinen Rechtsberatungsmonopol der Rechtsanwälte geregelt war. Im Zuge der Umsetzung der EU-Vermittlerrichtlinie im Jahr 2007 und dem fast zeitgleichen Ersatz des Rechtsberatungs- durch ein Rechtsdienstleistungsgesetz wurde der Versicherungsberater aus dem Rechtsberatungsrecht ausgegliedert und zunächst in den § 34e Gewerbeordnung übernommen.
Dicht an die Vermittler herangerückt
Mit der Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie IDD zum 23. Februar 2018 wanderte er dann sogar in den § 34d GewO, in einen Absatz unter denjenigen für die Versicherungsvermittler. Zusätzlich nahm der Gesetzgeber den ausdrücklichen Hinweis auf, dass der Versicherungsberater neben Rechtsberatung und außergerichtlicher Vertretung nun auch "für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt".
Wer dachte, dass damit der Versicherungsberater endgültig ein Versicherungsmakler ist, dem abweichend vom Versicherungsmakler die Annahme von Vergütungen vom Versicherer verboten ist, der aber sonst faktisch nahezu dieselben Tätigkeiten ausüben darf, wird von dem BGH-Urteil durchaus überrascht sein.
Der BGH führt aus, dass das grundsätzliche Verbot von Erfolgsvergütungen für Rechtsberater nach § 4 Absatz 2 Satz 2, 1. Halbsatz Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz (RDGEG) auch für Versicherungsberater gilt. Allerdings bezieht sich diese Norm gemäß dem ersten Absatz namentlich nur auf "die Vergütung der Rentenberaterinnen und Rentenberater (registrierte Personen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Rechtsdienstleistungsgesetzes) (…)". Versicherungsberater werden nicht genannt.
Machen Versicherungs- und Rentenberater dasselbe?
Die Argumentation des BGH lautet wie folgt: "Der Tätigkeit von Versicherungsberatern steht diejenige von Rentenberatern besonders nahe. Wie beim Versicherungsberater der konkrete Versicherungsvertrag Ausgangs- und Endpunkt seiner Beratung ist, so ist es beim Rentenberater die zu erwartende Rente." Das ist allerdings ein sehr eigenwilliger Vergleich, denn der Rentenberater kann und muss naturgemäß keinem Kunden dazu verhelfen, überhaupt einen Versicherungsschutz der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) zu erhalten. Bekanntlich wird man kraft Gesetzes Mitglied der GRV. Auch die Leistungen sind samt und sonders gesetzlich geregelt.
Der Versicherungsberater dagegen berät über freiwillig abzuschließende Versicherungsverträge, deren Leistungen grundsätzlich der Vertragsfreiheit unterliegen und je nach Anbieter und Tarif völlig unterschiedlich ausfallen können. Die Beratung wird also immer auch für die Vermittlung typische Elemente eines Hinwirkens auf eine Entscheidung für einen Abschluss geeigneter Versicherungen enthalten. Gerade deshalb hat der Gesetzgeber den Tätigkeitsbereich des Versicherungsberaters ausdrücklich auf Vermittlung und Abschluss von Versicherungsverträgen ausgedehnt.
Initiative des Verbraucherschutzministeriums
Das wiederum ist eine späte Folge der Initiative des früheren Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, das unter dem Eindruck der Finanzkrise 2009 ein Thesenpapier mit der Forderung nach einem neuen Berufsbild des "Honorarberaters/unabhängigen Finanzberaters" aufstellte.
Daraus wurde eine über zwei Legislaturperioden verfolgte Kette von gewerberechtlichen Neuregelungen der "Honorarberatung", zunächst der Honorar-Finanzanlagenberater (§ 34h GewO), später der Honorar-Immobiliardarlehensberater (§ 34i GewO) und schließlich des "neuen" Versicherungsberaters. In allen genannten Fällen ging es offensichtlich nicht darum, neue Rechtsberatungsberufe zu etablieren, sondern die besonders unabhängige Beratung zu und Vermittlung von Finanzdienstleistungen zu fördern.
Als besonders unabhängig gilt, wie man auch den Gesetzgebungsmaterialien entnehmen kann, dass der Honorarberater von keinem Produktgeber Vergütungen annehmen darf, sondern umgekehrt vom Kunden vergütet wird. Dass die Vergütung durchaus erfolgsabhängig sein darf, wird im § 34h GewO sogar explizit so genannt. Auch in der Gesetzesbegründung zum IDD-Umsetzungsgesetz findet sich ein solcher Hinweis: "Die Ausgestaltung des Honorars (Grundlage, Tätigkeits- oder Erfolgshonorar etc.) obliegt den Vertragsparteien." Dies legt der BGH allerdings anders aus und meint, dass eine Änderung am Berufsbild des Versicherungsberaters nicht beabsichtigt gewesen sei.
Durchleitungspflicht spricht für das Leitbild Provisionsvergütung
Wenn das so wäre, hätte der Gesetzgeber auch keine Durchleitungspflicht von in Bruttotarifen einkalkulierten Vermittlungskosten festschreiben müssen, falls ein Versicherungsberater in Ermangelung geeigneter Nettotarife einen solchen empfiehlt.
Ganz offensichtlich war dabei die Idee leitend, dass der Versicherungsberater – naturgemäß erfolgsabhängige – Vermittlungstätigkeiten ausüben soll, dabei aber die übliche, in Bruttotarifen einkalkulierte Provision nicht annehmen und gegebenenfalls mit dem Kunden per Provisionsabgabe teilen soll. So wird es nämlich ein paar Sätze vor dem obigen Zitat aus der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 18/11627) ausgeführt. Der Gesetzgeber ging also selbst davon aus, dass das wirtschaftliche Interesse des Versicherungsberaters bei Vermittlungs- und Abschusstätigkeit im Erhalt einer Provision besteht, er aber vor Missbrauchsmöglichkeiten bei der für den Kunden intransparenten Entgegennahme der Provisionen bewahrt werden und immer mit dem Kunden transparent seine Vergütung vereinbaren soll – und zwar egal welcher Art und Höhe, wobei "Missbräuche vermieden" werden sollen.
Versicherungsberater sollen Erfolg haben dürfen
Dass der Versicherungsberater auch erfolgsabhängig tätig sein soll, ergibt sich aus der Geschichte der Neuregelung im Zuge der IDD-Umsetzung. Der Gesetzgeber wollte den Berufsstand interessanter machen und eine Steigerung der Zahl der Versicherungsberater herbeiführen.
Das wiederum war nach Meinung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Ministerien nur dadurch zu erreichen, dass der Versicherungsberater eben nicht nur neutral und ohne jegliches Interesse an einem Abschluss über eine Versicherung berät, sondern auch das erkannte Versicherungsproblem des Kunden lösen und passende Versicherungen beschaffen soll. Eine reine Beratung über Versicherungen und damit verbundene Rechtsfragen könnten auch tausende Rechtsanwälte und spezielle Fachanwälte für Versicherungsrecht besorgen. Ein Mangel an Rechtsberatern ist deshalb überhaupt nicht erkennbar.
Ein weiterer Hinweis auf die Idee einer erfolgsabhängigen Tätigkeit ist die Tatsache, dass der Gesetzgeber mit § 156 Abs. 3 GewO eine Übergangsregelung für den Umstieg vom Versicherungsvermittler zum Versicherungsberater geschaffen und erlaubt hat, weiterhin Provisionen zu kassieren, wenn die Vermittlung vor der Beratertätigkeit erfolgt ist. Auch das ist mit der reinen Lehre eines nur nach Rechtsanwaltsgebührenordnung zu bezahlenden Versicherungsberaters nicht vereinbar.
Das BGH-Urteil zeigt, wie schwer es selbst den Richtern fällt, Beratung und Vermittlung, die dabei bestehenden Interessen und Interessenkonflikte sowie die dabei denkbaren Vergütungen auseinanderzuhalten. Der Berufsstand Versicherungsberater irrlichtert weiter durch die dogmatischen Untiefen.
Autor(en): Matthias Beenken