Mehr Rechtssicherheit ist das zentrale Thema auf dem jährlichen Goslarer Verkehrsgerichtstag. Vielfach sind Kfz-Versicherer von Neuerungen betroffen. Nicht immer dürften die Assekuranzen mit den Ratschlägen in diesem Jahr zufrieden sein. Werden sie geltendes Recht dürften sich dadurch die Aufwendung für Schäden erhöhen.
Nicht angegebene Vorschäden sind ein regelmäßiges Streitthema, wenn es um Unfallschäden geht. „So gehen Geschädigte immer wieder vollkommen leer aus, weil im Nachhinein ein Vorschaden bekannt wird, den der Geschädigte nicht kennen konnte“, warnt Rechtsanwalt Tamás Ignácz von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Anscheinend lassen aber Kfz-Haftpflichtversicherer Betroffene immer wieder, angeblich zur Betrugsabwehr, in eine Art juristische Falle laufen. Sie machen vor einem Prozess nur unkonkrete Angaben zu Vorschäden und präsentieren erst im Gerichtsverfahren ein umfängliches Gutachten, um dann den gesamten Schaden wegen Betrugs abzuwehren. Versicherer sollen sich vor konkret äußern Diese Praxis sollen die Kfz-Versicherer nach Empfehlung des 62. Verkehrsgerichtstages (VGT) abstellen.
Mit dem Gutachter bei Nachbesichtigung Ansprüche klären
„Wir haben die starke Empfehlung und Erwartung ausgedrückt, dass künftig ein Kfz-Haftpflichtversicherer seine Einwände zu Vorschäden, die er ja offensichtlich hat, konkret im außergerichtlichen Verfahren geltend macht“, erläuterte die zuständige Arbeitskreisleiterin, Vera von Pentz, Richterin am Bundesgerichtshof (BGH) auf der Abschlusspressekonferenz. Laut dem DAV stammen die Erkenntnisse der Versicherer oft aus dem Hinweis- und Informationssystem (HIS), das Versicherungsbetrug verhindern soll. „Die Versicherer können klar, beispielsweise sagen, der Vorschaden passierte vor fünf Jahren und betraf den hinteren Kotflügel“, forderte von Pentz. Dann könne eine gemeinsame Nachbesichtigung mit dem Gutachter des Haftpflichtversicherers die Ansprüche klären. So könnten Prozesse vermieden werden.
Zudem sollte der Geschädigte darauf achten, dass das Sachverständigengutachten immer den genauen Reparaturweg und Schadenumfang dokumentiert. Der DAV forderte, dass zwischen den Geschädigten und den Versicherern wieder ein fairer Interessenausgleich hergestellt wird. „Die Waage zwischen der Vortragslast des Geschädigten zur Betrugsabwehr und dem Interesse am Schadenausgleich muss wieder ins Gleichgewicht kommen“, forderte DAV-Anwalt Tamás Ignácz.
Betroffenen rät der ADAC das Einschalten eines Fachanwalts für Verkehrsrecht, denn die Anwaltskosten habe der Unfallverursacher zu zahlen. Nur so könne sichergestellt werden, dass das Unfallopfer nicht übervorteilt wird. Langer Streit um Haushaltsführungsschaden bleibt Wenn Unfallopfer nach einem Verkehrsunfall aufgrund von Verletzungen den Haushalt nicht wie bisher bewältigen können, dann fällt der sogenannte Haushaltsführungsschaden an.
Streiten drei bis vier Jahre um den Haushaltsführungsschaden
Um seine Höhe dürfte es auch künftig lange Prozesse mit den Versicherern geben. Hier konnten sich Anwälte und Verkehrsclubs nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, dass der Schadenumfang künftig einfacher pauschal anhand von Tabellen berechnet wird. Dies wäre in vielen anderen Ländern üblich und es würden dann auch deutlich höhere Summen als in Deutschland gezahlt, wie der ADAC feststellt. Geschädigte müssen nun weiterhin im Einzelnen genau erläutern, welche Tätigkeiten sie im Haushalt in welchem Umfang ausführen. „Wir streiten uns mit den Versicherern manchmal drei bis vier Jahre um den Haushaltsführungsschaden“, sagte DAV-Anwalt Jan Lukas Kemperdiek. Der Schaden hat eine hohe Bedeutung, denn der Anspruch eines Verletzten kann bei lebenslangen Einschränkungen im Haushalt deutlich höher liegen als etwa der Anspruch auf Schmerzensgeld.
„Es ist durchaus möglich, dass der Anspruch im Monat bei über 4.000 Euro liegt“, erläuterte Kemperdiek. Da tabellarische Hilfsmittel nach Empfehlung des VGT nur zur Überprüfung des Schadens vorgeschlagen werden, werde es auch künftig darauf ankommen, dass der Geschädigte seine Ansprüche umfassend darlegt. Hier sei anwaltliche Hilfe somit unerlässlich. Unfallflucht: Immer „tätige Reue“ Auf anwaltliche Hilfe sind auch diejenigen weiterhin angewiesen, die einfach vom Unfallort fliehen. Nach der aktuellen Vorschrift des § 142 StGB, wird unerlaubtes Entfernen vom Unfallort mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Richtig verhält sich, wer die Unfallstelle mit einem Warndreieck sichert und dann eine angemessene Zeit wartet, um „Personen zu finden, die bereit sind, die Daten zusammen mit dem Unfallbeteiligten aufzunehmen“, erläutert die Fachanwältin für Verkehrsrecht, Sandra Nauck. Mit einem Zettel an der Windschutzscheibe des geschädigten Fahrzeuges würde man der Strafbarkeit nicht entgehen.
Das gilt auch für die mögliche Nachmeldung innerhalb von 24 Stunden bei reinen Parkplatzunfällen außerhalb des fließenden Verkehrs, falls bereits Ermittlungen eingeleitet wurden. Nach Empfehlung des VGT soll es bei der Strafbarkeit der Flucht auch dann bleiben, wenn der Täter lediglich einen Sachschaden angerichtet hat. Dafür soll künftig die „tätige Reue“ bei jeder Flucht innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall möglich sein und immer zur Straffreiheit führen. Damit die angemessene Wartezeit nicht mehr zu Unsicherheiten führt, empfiehlt der VGT künftig, dass Unfallbeteiligte ihren Verpflichtungen am Unfallort auch durch Information bei einer einzurichtenden, zentralen und neutralen Meldestelle nachkommen können. Kein Zugriff auf Drogen- und Alkoholfahrer mehr
Fluchten wegen Drogen- und Alkoholkonsum kaum noch sanktionierbar
Die Empfehlungen des VGT werden oft von der Regierung durch gesetzliche Maßnahmen aufgegriffen. Die Ratschläge zur Unfallflucht dürfte von den Kfz-Versicherern aber mit großer Skepsis betrachtet werden. Denn, wenn Unflallflüchter nicht mehr oder nicht mehr direkt bei der Polizei vorstellig werden müssen, können beispielsweise Fluchten wegen Drogen- und Alkoholkonsum kaum noch sanktioniert werden. Heute darf der Kfz-Haftpflichtversicherer, nach Entschädigung des Opfers 5.000 Euro der Schadenkosten zurückfordern, wenn sich herausstellt, dass der Fahrer so schwerwiegend gegen seine Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verstoßen hat. Zudem darf das Vertragsverhältnis gekündigt werden.
Bis auf Weiteres gilt aber bisheriges Recht. Dazu gehört auch, dass rechtsschutzversicherte Täter eine vorläufige Kostendeckung von ihrer Assekuranz erhalten. Voll geleistet wird, wenn sich die Tat später als fahrlässig herausstellt oder das Verfahren eingestellt wird.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek