Liegt ein Verstoß gegen Verkehrsregeln schon sehr lange zurück, können die Gerichte von einem eigentlich fälligen Fahrverbot absehen. Die Zeit, die bis zur endgültigen Entscheidung vergeht, weil der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt hat, zählt allerdings nicht. Dies hat das Oberlandesgericht Bremen entschieden. Michaela Rassat, Juristin der Ergo Rechtsschutz Leistungs-GmbH, erläutert den Fall.
Eine Autofahrerin hatte am 21. September 2016 die zulässige Geschwindigkeit übertreten. Am 1. Dezember 2017 verurteilte sie das Amtsgericht Bremen zu einer Geldbuße von 160 Euro sowie einem einmonatigen Fahrverbot. Die Betroffene legte wenige Tage später Rechtsbeschwerde gegen das Urteil ein. Sie war der Ansicht, dass das Amtsgericht nach Ablauf einer so langen Zeit kein Fahrverbot mehr hätte verhängen dürfen. Die endgültige Entscheidung durch das Oberlandesgericht (OLG) fiel dann im Juli 2019.
Fahrverbote sollen zur Verhaltensänderung anregen
Das OLG wies die Rechtsbeschwerde der Frau ab. „Die Gerichte sehen üblicherweise von einem Fahrverbot ab, wenn der Verstoß schon lange zurückliegt, die Verzögerung nicht Schuld des Betroffenen ist und dieser in der Zwischenzeit keine weiteren Verkehrsverstöße mehr begangen hat“, erklärt Rassat. „Denn Fahrverbote sollen ein Denkzettel sein, damit Betroffene ihr Verhalten ändern. Jahre später ist dies aber nicht mehr sinnvoll.“
Gericht hat seine Rechtsprechung geändert
Das OLG wies darauf hin, dass die Gerichte normalerweise bei einem Zeitablauf ab etwa zwei Jahren zwischen Tat und Urteil von einem Fahrverbot absehen. Umstritten sei aber, ob hier nur die Zeit bis zum ersten Gerichtsurteil zähle oder auch die Zeit bis zum Urteil in der zweiten Instanz. „Früher hatte das Oberlandesgericht Bremen durchaus so entschieden, dass auch die Zeit für die zweite Instanz mitzählt. Nun änderte das Gericht jedoch seine Rechtsprechung“, erläutert die Rechtsexpertin.
Das OLG entschied, dass nur die Zeit bis zum ersten, amtsgerichtlichen Urteil maßgeblich ist. Dies waren hier gut 14 Monate. Diese Zeit sei zu kurz, um das Fahrverbot nicht auszusprechen. „Als Grund führte das Oberlandesgericht unter anderem an, dass eine Einrechnung der Verfahrensdauer der zweiten Instanz Betroffenen einen falschen Anreiz geben könnte, Rechtsmittel einzulegen“, ergänzt Rassat.
Arbeitsüberlastung des Gerichts ist kein Argument für ein zu spät verhängtes Fahrverbot
Ein Fahrverbot kann gravierende Auswirkungen haben, wenn Betroffene ihr Fahrzeug zum Beispiel für den Beruf benötigen. Braucht ein Gericht etwa wegen Arbeitsüberlastung länger als zwei Jahre für seine Entscheidung, können Verkehrsteilnehmer sich durchaus darauf berufen, dass zu viel Zeit vergangen ist, um ein Fahrverbot zu verhängen. Allerdings zählt die zweite Gerichtsinstanz dann zeitmäßig nicht mehr mit. „Übrigens räumte das Oberlandesgericht ein, dass es auch davon wieder Ausnahmen geben kann“, ergänzt die Rechtsexpertin. „Dies gilt zum Beispiel bei einer besonders langen Verfahrensdauer in der zweiten Instanz. Zwanzig Monate sah das Gericht hier aber noch nicht als außergewöhnlich an.“
(Oberlandesgericht Bremen, Beschluss vom 19. Juli 2019, Az. 1 SsBs 4/19)
Quelle: Ergo
Autor(en): Versicherungsmagazin