Ein Kunde war der Ansicht, dass er falsch beraten worden sei und verlangte, dass ein Gebäudeschaden ersetzt werde. Dies wurde abgelehnt. Die Begründung dafür ist aufschlussreich.
In einem Beschluss vom 15. Oktober 2020 (Az. 4 W 697/20, r+s 4/2021, 244) wies das Oberlandesgericht (OLG) Dresden den Anspruch eines Kunden auf eine Schadenersatzleistung wegen Falschberatung zurück. In dem Fall war es um eine Gebäudeversicherung und einen Gebäudeschaden gegangen. Der Kunde behauptete, er sei zur fehlenden Mitversicherung von Vandalismusschäden falsch beraten worden und wollte einen Schadenersatz nach § 63 VVG erhalten. Zwar wird nicht explizit gesagt, um welche Art Vermittler es sich handelte, aus dem Zusammenhang lässt sich aber wohl auf einen Versicherungsvertreter schließen.
Vergleich in Frage gestellt
Vorausgegangen war eine Auseinandersetzung mit dem Gebäudeversicherer. Der hatte sich mit dem Kunden auf einen Abfindungsvergleich von insgesamt 8.000 Euro für einen Sturm- und Vandalismusschaden geeinigt. Hinterher behauptete der Kunde allerdings zum einen, er sei bei Abschluss dieser Vereinbarung nicht geschäftsfähig gewesen. Zum anderen wollte er einen weitergehenden Schaden wegen Falschberatung erstattet erhalten.
Der Kunde war zwar mit seinen Versuchen nicht erfolgreich. Das OLG Dresden lehnte es wegen nicht hinreichender Erfolgsabsicht ab, den Fall neu aufzurollen, zumal schon vorher zwei Anträge auf Prozesskostenhilfe beim Landgericht Leipzig und eine Beschwerde gegen dessen Entscheidung beim OLG Dresden erfolglos waren.
Bemerkenswert an der Begründung des Beschlusses sind die Ausführungen zu der Wirkung des Vergleichs. Denn nach Meinung des Gerichts hat die am 22. August 2018 geschlossene Vergleichs- und Abfindungserklärung Bestand - bezieht sich aber lediglich auf die Ansprüche des Kunden gegenüber dem Versicherungsunternehmen. Der Versicherer hatte zwar behauptet, es sei eine Gesamtwirkung beabsichtigt gewesen, die also auch Ansprüche wegen Falschberatung gegen den Vermittler mit einschließt. Auch habe das Landgericht Leipzig zu Recht angenommen, dass der Vermittler ein Interesse gehabt haben muss, mit dem Vergleich keinen Ansprüchen mehr aus seiner persönlichen Haftung wegen Verletzung von Beratungspflichten ausgesetzt zu sein. Das, zumal der Versicherer auch als Haftpflichtversicherer des Vermittlers agiert habe.
"Alle Ansprüche" heißt nicht "gegen jeden"
Nur ergab die Analyse der geschlossenen Vereinbarung, dass diese Wirkung nicht ausdrücklich festgehalten worden ist. "Ein entsprechender Wille muss auch beim Antragsteller festgestellt werden". Das heißt, es müsse eindeutig feststellbar sein, ob der Kunde bei Unterzeichnung des Vergleichs ebenfalls die Absicht hatte, damit "alle Ansprüche" nicht nur gegen den Versicherer, sondern eben auch gegen den Vermittler als abgegolten anzusehen.
Allein zu unterschreiben, "alle Ansprüche" seien abgegolten, reicht nicht, wenn in der Vereinbarung der Passus enthalten ist: "Die Abfindungserklärung bezieht sich auf Ansprüche gegen: ..." und dort nur der Name des Versicherungsunternehmens aufgeführt wird. Damit könnte nicht ohne Weiteres auf einen Gesamtwirkungswillen aller Parteien des Vergleichs geschlossen werden.
Kein Anlass zur Aufklärung erkennbar
Dass der Kunde trotzdem mit seinem Versuch, eine höhere Leistung zugesprochen zu erhalten, nicht durchkam, lag an der gerichtlichen Einschätzung der Erfolgsaussicht, einen tatsächlichen Beratungsfehler feststellen zu können. Denn es gab wohl keine Belege dafür, dass der Kunde bei Abschluss der Gebäudeversicherung eine Beratung erwartet hatte, die auch die in diesem Fall nicht versicherten Vandalismusschäden umfasst.
Ein entsprechender Anlass sei nicht erkennbar gewesen. Es sei "grundsätzlich Aufgabe des Versicherungsnehmers, sich in eigener Verantwortung über die zu versichernden Risiken klar zu werden und über den hierfür in Betracht kommenden Versicherungsschutz zu informieren". Der Vermittler hätte also nur auf den Ausschluss eingehen müssen, wenn der Kunde entweder danach gefragt oder sonst hätte erkennen lassen, dass er von falschen Vorstellungen beim Abschluss der Versicherung ausgeht.
Tatsächlich aber habe der Kunde erst nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erkennen gegeben, er gehe davon aus, Vandalismusschäden seien mitversichert. Allerdings war der Versicherungsschein eindeutig und zählte solche Schäden nicht mit auf. Und selbst wenn dem Vermittler ein Vorwurf falscher Beratung gemacht werden könnte, würde es immer noch an der erforderlichen Kausalität für den Schaden fehlen.
Konsequenzen für Vermittler
Man darf vermuten, dass die Sache anders ausgegangen wäre, wenn es sich um einen Versicherungsmakler gehandelt hätte. Von dem dürfte eine eigeninitiative Analyse des Risikos und des Absicherungswillens des Kunden verlangt werden.
Für Versicherungsvertreter ist es im Ergebnis wichtig im Fall von Abfindungsvergleichen zwischen ihrem Versicherer und den Kunden darauf zu achten, dass durch eine entsprechende Formulierung sichergestellt ist, dass der Vertreter nicht trotz Vergleichs mit dem Versicherer weiter im Regen steht. Denn alle Versicherungsvertreter, ganz gleich, ob sie eine Gewerbeerlaubnis haben oder erlaubnisfrei vom Versicherer eingetragen sind, haften zunächst einmal nach § 63 VVG für Beratungsfehler.
Dass die Haftung entweder beim erlaubnisfreien Vertreter "uneingeschränkt" oder beim Vertreter mit Gewerbeerlaubnis im Wege der Erfüllungsgehilfenhaftung an den Versicherer oder alternativ an dessen Berufshaftpflichtversicherer weitergereicht werden kann, heilt das Ganze nicht wirklich. Denn immer noch bleibt der Vertreter damit belastet, einen unter Umständen teuren Schadenersatz verschuldet zu haben. Der Vertragspartner Versicherer wird ebenso wenig wie ein Berufshaftpflichtversicherer begeistert davon sein, für diesen Schaden einstehen zu müssen. Das kann in schwerwiegenden oder in Wiederholungsfällen sogar Folgen für den Vertretervertrag und damit die berufliche Existenz haben.
Autor(en): Matthias Beenken