Versicherer können künftig Policen verkaufen, die auch das Erpressungsrisiko abdecken. Zudem dürfen sie für solche Produkte werben. Das war bisher verboten.
Die Behörden befürchteten, dass durch die Werbung für eine Lösegeldversicherung Kriminelle besonders zu Taten motiviert werden. "Wer versichert ist, könnte erst recht Opfer werden", sagte Frank Grund, der bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) für Versicherungen zuständig ist. Nun hat sich der oberste Versicherungsaufseher in Deutschland mit den Fachleuten des Bundeskriminalamts (BKA) beraten. Die Verbrechensexperten haben anscheinend keine Bedenken, das durch eine Lösegeldversicherung das Phänomen der Cyber-Erpressung oder sonstiger Erpressungen maßgeblich zunehmen werden, berichtete Grund am Rande einer Fachtagung in Düsseldorf.
Details im Rundschreiben
Laut Bafin-Versicherungschef Grund sollen die Erleichterungen beim Erpressungsschutz dazu führen, dass diese Versicherung zum Massenprodukt wird. Daher darf die Police künftig auch an andere Produkte, wie eine Hausrat- oder Reiseversicherung angebündelt werden. Genaue Details will die Bafin in einem Rundschreiben bekannt geben. Versicherer begrüßen den Schritt. „Wir werden dies zukünftig auch in unserer Produktentwicklung berücksichtigen“, bestätigt die Axa-Versicherung aus Köln.
Wer nicht zahlt, verliert seine Daten
Schon heute gibt es immer wieder Cyber-Attacken, bei denen durch Erpressungstrojaner IT-Systeme durch Verschlüsselung unzugänglich werden. In der Regel wird der Schadtrojaner über eine E-Mail verbreitet. Erst wenn das Opfer ein Lösegeld zahlt, wollen die Kriminellen das System wieder freigeben. Nach Auskunft des Digital Society Instituts aus Berlin können betroffene PC-Systeme nur dann wieder „geöffnet“ werden, wenn die Täter bei der Verschlüsselung einen Fehler gemacht haben. Andernfalls bleibe nur die Möglichkeit schnell das Lösegeld zu zahlen, weil sonst sämtliche Daten auf dem PC verloren sind.
Prävention ist Pflicht
Grundsätzlich ist die Erpressung ein äußerst sensibles Thema, das derzeit vor allem bei Cyber-Policen eine zunehmende Rolle spielt. „Nach unseren Kenntnissen gibt es im Markt hierzu bislang keine Standards“, stellt die Axa fest. Die kürzlich vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) herausgegebenen Musterbedingungen sehen sogar einen entsprechenden Ausschluss vor.
Das vorrangige Interesse beim Computerschutz sollte nach Meinung der Versicherer der Prävention gelten. So kann der Erfolg einer Cyber-Attacke durch regelmäßige Updates oft verhindert und die Folgen durch eine tägliche Datensicherung minimiert werden. Zudem sollten Unternehmen ihre Mitarbeiter regelmäßig hinsichtlich der Cyber-Risiken schulen. In der Regel sind diese Maßnahmen Pflicht, um im Ernstfall Versicherungsschutz zu erhalten.
Neue private Cyber-Policen bieten keinen Vollschutz
Auf dem Markt der Internet-Versicherungen für Privatkunden herrscht derzeit noch ein kunterbuntes Durcheinander. Eine Vollabsicherung gegen Internetgefahren gibt es noch nicht. Das wichtigste Risiko, das durch die Übermittlung verseuchter Daten ein Dritter einen schweren Schaden an seinem Computer erleidet, wird über neuartige Internetversicherungen gar nicht abgedeckt. Keine der neuen Policen bietet die Absicherung gegen Fremdschäden an, die bei der Übermittlung von Daten per Internet durch Viren oder sonstige Schadsoftware entstehen können.
Die neuen Angebote müssen sich mit klassischen Versicherungen messen. Denn längst findet sich Internetschutz in der privaten Haftpflichtversicherung und der herkömmlichen Hausratpolice. So hilft die private Haftpflichtversicherung bereits standardmäßig gegen Schäden, die Dritten durch die Online-Kommunikation entstehen. Gleichzeitig zahlen viele Hausratversicherungen, wenn durch Betrug Cyber-Kriminelle Geld vom Konto per Online-Abbuchung stehlen. Umfangreich ist außerdem die Absicherung, die herkömmliche Rechtsschutzpolicen beim Streit um Identitätsmissbrauch oder Online-Kauf bieten. Erpressungsschutz könnte bei vielen dieser Angebote nun bald ein wichtiges neues Feature werden.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek