Das Interesse an Aktien hat zwar insgesamt zugenommen, aber die Kluft zwischen den Geschlechtern ist größer geworden. Nur ein Fünftel der Frauen hält sich in Finanzdingen für kompetent, wie eine aktuelle europaweite Umfrage zeigt.
Die europäischen Verbraucherinnen verfügen über ein gespartes Vermögen von rund 200 Milliarden Euro, das nicht auf dem Kapitalmarkt angelegt ist. Ein knappes Viertel dieses Geldes gehört Frauen in Deutschland und Österreich. Das fand J.P. Morgan Asset Management in einer europaweiten Erhebung heraus, für die im Juli 2019 insgesamt rund 3.000 Frauen sowie eine Vergleichsgruppe von 600 Männern acht europäischer Staaten vom Meinungsforschungsinstitut Kantar befragt wurden. Die Teilnehmer verfügen bereits über Spar- oder Anlageprodukte oder haben ein bestimmtes Mindesteinkommen.
Männer trauen sich mehr zu
Die Studie zeigt, dass sich Frauen im Gegensatz zu den Männern noch immer weniger in Finanzangelegenheiten zutrauen. Nur 34 Prozent der weiblichen Teilnehmer gaben an, über ein hohes Selbstvertrauen im Umgang mit Geld zu verfügen. Bei den Männern liegt der Anteil bei 46 Prozent. Auch glaubt nur ein Fünftel der Frauen, genug Finanzwissen für Geldanlagen zu haben. Bei den Männern bezeichneten sich 36 Prozent als sachkundig. Und fast 60 Prozent der Frauen gaben an, nicht genügend Zeit während des Tages aufzubringen, um alle finanziellen To-Dos zu erledigen.
Auch Springer-Autorin Constanze Hintze kennt die Situation. "Die Deutschen sparen, aber sie sparen falsch und Frauen bilden da keine Ausnahme. Im Gegenteil: viele Frauen, das erlebe ich in meinen Beratungsgesprächen, haben über die letzten Jahre große Vermögen auf Cashkonten angesammelt und sind häufig unzufrieden, weil es sich dort nicht vermehrt", schreibt sie in "Aktien: Der Weg zum Wohlstand führt über die Börse".
Insgesamt sei Deutschland, anders als die USA, kein Land von Aktionären. "1997 betrug der Anteil der Aktienbesitzer elf Prozent der deutschen Bevölkerung. Aktionärinnen kamen hingegen nur auf weniger als sieben Prozent", führt Hintze aus. Doch während 20 Jahre später der Anteil der Männer bei 20 Prozent liege, haben heute neun von 100 Frauen Aktien oder Aktienfonds im Depot. "Das Anlegerinteresse an Aktien hat zwar zugenommen, aber die Kluft zwischen den Geschlechtern ist gewachsen", so die Autorin.
Frauen gezielt über Geldanlage informieren
Dabei könne die Finanzbranche Frauen viel stärker einbinden, damit diese ihre Anlageziele besser erreichen, glaubt Pia Bradtmöller, Leiterin Marketing und PR bei J.P. Morgan Asset Management. "Wir können Informationen anbieten, die einfach zugänglich und ansprechend sind. Dann können Frauen aktiver werden, wenn es darum geht, ihr Erspartes zu vermehren und die Kontrolle über ihre finanzielle Zukunft zu übernehmen", erklärt Bradtmöller.
Auf Basis der Umfrage wurden insgesamt acht verschiedene Anlegertypen unter den Frauen definiert, die eine unterschiedlich starke Affinität zum Investieren oder zum Sparen aufweisen.
Anlage- oder Spar-Typen
- Selbstsicher und kontrolliert: Sie ist eine ernsthafte und engagierte Anlegerin, für die finanzielle Sicherheit und ein sorgenfreier Ruhestand Priorität haben, 16 Prozent
- Im Hier und Jetzt: Dieser Typ ist stark auf die Gegenwart fixiert, Investitionen werden als Chance für die Zukunft betrachten, 13 Prozent
- Aktiv und zielgerichtet: Wohlhabende und optimistische Frauen auf der Suche nach Vermögenswachstum, die für eine sichere und komfortable Zukunft vorgesorgt haben, 12 Prozent
- Wachsendes Selbstbewusstsein: Wägt kurz- und langfristige Interessen ab, aber mit Erwartungen hinsichtlich eines Vermögenswachstums und einer positiven Sicht auf die Zukunft, 7 Prozent
- Junge Überfliegerin: Ehrgeizige, selbstbewusste Frauen mit wenig Zeit, die sich für Investitionen begeistern und sich sowohl online als auch offline beraten lassen, 5 Prozent
- Vorsichtige Zweiflerin: Ängstliche Frauen mit Sicherheitsbedürfnis, die sich finanziell eingeschränkt fühlen, aber mehr Auswahlmöglichkeiten wünschen, 16 Prozent
- Passive Behüterin: Finanziell nicht engagierte Frauen mit Sicherheitsbedürfnis, deren Verlustangst größer ist als die Aussicht auf künftige Gewinne, 19 Prozent
- Erklärte Traditionalistin: Die Bewahrung ihrer Lebensweise und Finanzen hat Priorität. Sie sind nicht bereit, ihre Komfortzone zu verlassen und möchten keine Risiken eingehen, 12 Prozent
Umdenken, um Vermögen zu vermehren
Unter den Frauen in Deutschland und Österreich ist die Gruppe "Selbstsicher und kontrolliert" mit 30 Prozent im europäischen Vergleich die größte. Mehr als die Hälfte dieser Befragten war über 50 Jahre alt und kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand. Diese Frauen möchten ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen und vermeiden üblicherweise übermäßige finanzielle Risiken. Diese Gruppe ist selbstbewusst und sachkundig in puncto Investments.
Dennoch müssen auch hierzulande Frauen umdenken, um ihr Vermögen zu mehren. "Wir wissen alle nur zu gut, dass die Zinserträge aus Sparprodukten im Grunde nicht mehr vorhanden sind und dass die Renditen von Staatsanleihen an vielen Märkten im negativen Bereich liegen", erklärt Christoph Bergweiler, Leiter Deutschland, Österreich, Zentral- und Osteuropa sowie Griechenland bei J.P. Morgan Asset Management.
Von starken Unternehmen und Branchen profitieren
Was kann Frauen motivieren, in Aktien anzulegen? Springer-Autorin Hintze gibt eine Antwort: "Es ist die Aussicht auf Teilhabe am Erfolg von starken Unternehmen, innovativen Branchen und stabilen Volkswirtschaften. Neu ist diese Erkenntnis natürlich nicht, aber seit Zinsen als ernstzunehmende Ertragsquelle nicht mehr existent sind, wird den Aktien eine Schlüsselrolle bei der Vermögensbildung zuteil", so die Expertin. Ihr Argument: "Die durchschnittliche jährliche Performance des Weltaktienindex MSCI World (Euro) liegt seit 1.1.2009 bei elf Prozent."
Autor(en): Angelika Breinich-Schilly