Seit Corona wächst die Anhängerschaft der so genannten Finfluencer stetig. Was ein Geldanlageexperte von ihnen hält, erläutert er im Interview.
springerprofessional.de: Deutsche befassen sich traditionell eher ungerne mit Geldthemen. Können Finfluencer Finanzen also grundsätzlich sexy erscheinen lassen?
Hans-Joachim Lefeld: Absolut, die wachsende Beliebtheit von Finfluencern zeigt, dass es möglich ist, Finanzthemen ansprechend und sexy zu gestalten. Diese Influencer nutzen soziale Medien, um komplexe Informationen in einer leicht verständlichen und unterhaltsamen Weise zu präsentieren. Durch Plattformen wie Instagram, Youtube und Tiktok erreichen sie vor allem ein junges Publikum mit visuell ansprechenden und interaktiven Inhalten. Die Corona-Pandemie hat das Interesse an persönlichen Finanzen gesteigert, da viele Menschen nach Orientierung und Stabilität suchten.
Was macht die Inhalte so spannend?
Finfluencer machen Finanzwissen zugänglicher und entfernen sich von der traditionell elitären Darstellung dieses Themas. Sie betonen, dass man kein Experte sein muss, um seine Finanzen zu managen, und fördern damit die Demokratisierung des Finanzwissens. Investitionen in Kryptowährungen, Budgetmanagement-Apps und Tipps für passives Einkommen sind besonders beliebte Themen. Diese Themen sprechen insbesondere jüngere Generationen an, die in der finanziellen Bildung eine Möglichkeit zur Selbstverwirklichung sehen. Finfluencer verändern die Art und Weise, wie Menschen über Geld sprechen, lernen, und denken. Ihr Einfluss zeigt, dass finanzielle Bildung nicht nur wichtig und nützlich, sondern auch faszinierend und relevant sein kann.
Die Follower der einschlägigen Channel werden vor allem unter jüngeren Verbrauchern vermutet, die digital versiert und finanziell interessiert sind. Stimmt diese Beschreibung oder ist die Zielgruppe in der Realität doch weniger homogen?
Der Beschreibung würde ich zustimmen, was jedoch nicht bedeutet, dass sie vollständig homogen ist. Aus meiner Sicht variieren die Altersspanne und die finanziellen Interessen durchaus. Während die Mehrheit der Follower in den Zwanzigern und Dreißigern ist, gibt es auch ältere Nutzer, die sich zunehmend für die Inhalte von Finfluencern interessieren.
Hinzu kommt, dass das Geschlechterverhältnis oft ausgeglichener ist, als man vielleicht erwarten würde, mit einem signifikanten Anteil weiblicher Follower, die aktiv nach finanzieller Bildung suchen. Darüber hinaus zeigt sich, dass manche Follower primär aus Unterhaltungsgründen den Finfluencern folgen und nicht ausschließlich aus dem Wunsch heraus, finanziell gebildet zu werden.
Wie bereiten die neuen Finanz-Botschafter Informationen zu Themen wie Vermögensaufbau, Altersvorsorge oder Aktienanalgen auf? Gibt es da unterschiedliche Ansätze?
Finfluencer nutzen eine Vielzahl von Plattformen und Methoden, um Informationen zu Themen wie Vermögensaufbau, Altersvorsorge und Aktienanlagen aufzubereiten. Sie erstellen detaillierte Video-Tutorials auf Youtube, die komplexe Finanzthemen visuell und interaktiv erklären. Auf Instagram nutzen sie kurze Posts und Stories, um schnell konsumierbare Finanztipps zu teilen. Podcasts dienen dazu, tiefgreifende Diskussionen zu führen und Experten zu Wort kommen zu lassen. Infografiken und Animationen helfen, komplizierte Daten und Konzepte einfach darzustellen. Viele führen Blogs, auf denen sie umfassende Artikel, Analysen und Leitfäden veröffentlichen.
Welche Rolle spielen hierbei interaktive Elemente?
Interaktive Tools und Rechner auf ihren Plattformen ermöglichen es Followern, Investitionspläne zu simulieren. Auf Community-basierten Plattformen wie Reddit teilen und diskutieren sie aktuelle Markttrends. Tiktok wird verwendet, um jüngere Zuschauer mit schnellen, unterhaltsamen Finanztipps zu erreichen. Live Q&A-Sessions fördern direkte Interaktion und bieten sofortige Antworten auf spezifische Fragen.
Verstärken diese Angebote mit ihren oft leichtfüßigen Informationen den Trend zu Aktien als Geldanalage, der während der Corona-Pandemie in Deutschland an Fahrt gewonnen hat?
Ja, Finfluencer verstärken tatsächlich den Trend zu Aktien, ETFs und Kryptos als Geldanlage. Ihre Plattformen bieten eine niedrigschwellige Einstiegsmöglichkeit für viele Menschen, die sich zuvor möglicherweise nicht mit Aktien und anderen Finanzprodukten beschäftigt haben. Durch ansprechende Inhalte und eine jugendgerechte Aufbereitung sprechen sie insbesondere eine jüngere, digital affine Zielgruppe an, die über traditionelle Medien und Bildungsangebote weniger erreicht wird. Die Tatsache, dass Finfluencer komplexe Themen wie Aktienmärkte vereinfachen und dem Publikum häufig Erfolgsgeschichten präsentieren, kann dazu beitragen, dass mehr Menschen in Aktien investieren möchten. Das ist per se zu begrüßen!
Gibt es dabei auch eine negative Seite?
Es besteht dabei auch das Risiko, dass wichtige Aspekte wie Risikomanagement und langfristige Finanzplanung nicht ausreichend betont werden. Diese Entwicklung kann positive Aspekte haben, indem sie zu einer erhöhten Finanzbildung beiträgt, jedoch sollten Follower stets kritisch bleiben und sich auch weiterführend informieren, um fundierte Investitionsentscheidungen treffen zu können.
Nun verschwimmt bei Finfluencern allerdings immer wieder die Grenze zwischen Information und Entertainment. Welche rechtlichen Probleme können sich daraus ergeben?
Dies kann zu rechtlichen Problemen führen insbesondere im Hinblick auf die Verlässlichkeit und Transparenz der bereitgestellten Informationen. Finfluencer, die nicht klar zwischen persönlichen Meinungen, Werbung und faktischer Beratung unterscheiden, riskieren, gegen Vorschriften des Verbraucherschutzes und der Market Abuse Regulation (MAR) zu verstoßen. Letztere regelt insbesondere die Integrität von Finanzmärkten und verbietet Praktiken wie Marktmanipulation, was relevant wird, wenn Finfluencer Investitionsempfehlungen abgeben, die irreführend sein könnten. In Deutschland und der EU müssen Werbeinhalte als solche gekennzeichnet werden, um Transparenz zu gewährleisten und Interessenkonflikte offenzulegen, wobei Verstöße Abmahnungen und Bußgelder nach sich ziehen können.
Zudem könnten Finfluencer, die ohne entsprechende Lizenz Investitionsempfehlungen geben, gegen Finanzmarktregulierungen verstoßen. Dies könnte rechtliche Folgen haben, wenn Anleger aufgrund solcher Empfehlungen finanzielle Verluste erleiden. Es ist daher essentiell, dass Finfluencer die rechtlichen Rahmenbedingungen, einschließlich der MAR, einhalten und klar zwischen Unterhaltung und fundierter Finanzinformation unterscheiden, um rechtliche Konsequenzen und das Vertrauen ihrer Follower nicht zu gefährden.
Die Aufsichtsbehörden wie die ESMA haben bereits auf den Finfluencer-Trend reagiert. Was bedeutet dieser Fingerzeig für die Community?
Die Reaktion der Aufsichtsbehörden wie der ESMA signalisiert eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der wachsenden Rolle von sozialen Medien in der Finanzberatung. Dieser Fingerzeig der Behörden bedeutet für die Finfluencer-Community, dass sie sich zunehmend an rechtliche Rahmenbedingungen halten muss, insbesondere im Hinblick auf Transparenz und Ehrlichkeit in der Kommunikation.
Reichen die bestehenden Regularien mittelfristig für diese speziellen Info-Angebote oder gehen sie davon aus, dass es hier zu neuen Vorgaben kommen wird?
Die bestehenden Regularien wie die MAR decken bereits eine breite Palette von Anforderungen ab, um den Missbrauch von Finanzinformationen auf sozialen Medien zu bekämpfen. Die Regularien sind speziell dafür ausgelegt, Transparenz und Integrität in der Kommunikation von Finanzinformationen zu gewährleisten, was besonders für Finfluencer relevant ist.
Trotz dieser umfassenden Bestimmungen, die unter anderem klare Kennzeichnungen von Werbung, Offenlegung von Interessenkonflikten und die objektive Präsentation von Investitionsempfehlungen vorschreiben, bleibt die rasante Entwicklung der digitalen Kommunikationsmittel und deren Nutzung zur Finanzberatung eine Herausforderung. Die Geschwindigkeit, mit der Informationen verbreitet werden, und die zunehmende Raffinesse, mit der Inhalte auf Nutzer zugeschnitten werden, könnten zukünftig strengere oder neue spezifische Vorgaben erforderlich machen.
Was ist also in Zukunft von Seiten der Regulierer zu erwarten?
Es ist aus meiner Sicht sehr wahrscheinlich, dass Aufsichtsbehörden wie die ESMA die bestehenden Regularien kontinuierlich bewerten und anpassen werden, um mit den technologischen und sozialen Entwicklungen Schritt zu halten. Dies könnte die Einführung neuer Richtlinien bedeuten, die speziell darauf abzielen, die Einzigartigkeit und die potenziellen Risiken, die mit Finfluencern und deren Einfluss auf die Anlageentscheidungen verbunden sind, zu adressieren.
Hans-Joachim Lefeld ist Partner bei der Beratung LPA in Frankfurt. Als Experte für Kapitalmarkttrends und Regulatorik behält er die aktuellen Entwicklungen rund um die Geldanlage im Blick.
Dieses Interview erschien zuerst auf Springer Professional.
Autor(en): Angelika Breinich-Schilly