Bauzinsen orientieren sich an der Rendite zehnjähriger Bundesanleihen und diese haben sich seit rund einem dreiviertel Jahr kaum bewegt. Dies wird auch erst einmal so bleiben, prognostiziert erwartet Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG.
In den kommenden Wochen rechnet Neumann nicht mit signifikanten Veränderungen des Zinsniveaus: "Woher sollte die Bewegung kommen? Um einen deutlichen Zinsanstieg abseits der üblichen geringfügigen Schwankungen für möglich zu halten, fehlt mir die Phantasie."
Leichter Anstieg der Zinsen in zweiten Halbjahr möglich
Zunächst gehe es darum, mit massiven Hilfspaketen die Wirtschaft zu stützen und dann den Konsum anzukurbeln. Bis auf Weiteres blieben die Immobilienfinanzierungen "phänomenal günstig", so der Experte. Auch Verbraucher, deren aktuelle Zinsbindung auslaufe oder deren Verträge bereits seit zehn Jahren bestünden, könnten massiv von Zinsersparnissen bei aktuellen Umschuldungen profitieren.
Für das zweite Halbjahr 2021 hält Neumann einen leichten Anstieg der Bauzinsen für möglich. Mehrere Gründe sprächen dafür: "Preistreibend wirkt nicht nur die zunehmende Geldmenge, die die Notenbanken in die Märkte drücken, sondern auch europäische und nationale Konjunkturprogramme in nie dagewesener Höhe. In Deutschland hat zudem ein größerer Teil der Bevölkerung keine direkten monetären Nachteile durch die Pandemie – dennoch wird in den letzten Monaten deutlich weniger konsumiert: Die Sparquote ist Ende 2020 auf ein Rekordniveau von 20 Prozent des Nettoeinkommens gestiegen."
EZB in selbst gestellter Falle
Wenn die Konsumlust der Verbraucher nach dem Lockdown überproportional ansteige, erhole sich die Konjunktur zügig. Die erwartete Preissteigerung werde allerdings nur einen verhältnismäßig schwachen Einfluss auf die Zinsen haben: "Wenn die Inflation zunimmt, steigen die Zinsen entsprechend - diese Logik war einmal. Durch Anleihekäufe manipuliert die EZB den Markt und mildert die eigentlich folgerichtige Zinsentwicklung künstlich ab oder verhindert sie gleich ganz."
Die Europäische Zentralbank (EZB) stecke in einer selbst gestellten Falle. Zwar sei ihre superexpansive Geldpolitik notwendig, um die Märkte der Mitgliedsstaaten zu stabilisieren. Gleichzeitig habe sie damit Abhängigkeiten vom billigen Geld geschaffen. Der Nachteil sei neben der immensen Verschuldung auch mangelnder Reformdruck: "Wenn die EZB über massive Anleihekäufe und die EU über Transferzahlungen für Konjunkturpakete einen Staat finanziert - warum sollte dieser dann noch den schmerzhaften Weg über strukturelle Reformen gehen, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu stärken?"
Zwar sei der Abruf von EU-Geldern an die Nachhaltigkeit der Investitionsprojekte geknüpft. Aufgrund der akuten Auswirkungen der Pandemie sei aber schnelles Handeln gefragt. Und das kurzfristige Ziel der Krisenbewältigung sei nicht unbedingt gleichbedeutend mit langfristigen Verbesserungen der Wirtschaftsstrukturen.
Autor(en): Versicherungsmagazin.de