Zinsgarantien und das Risiko des langen Lebens

Die Lebensversicherer manövrieren sich mit ihren Zinsgarantien durch das Langlebigkeitrisiko in eine schwierige See. Doch kann man die Garantieversprechen jetzt so ohne Weiteres abschaffen? GDV-Präsident Dr. Bernhard Schareck löste dazu eine widersprüchliche Debatte aus, in der es auch um angebliche Falschzitate in der Presse geht.

„Ich bin für die Konstruktion eines Adjustierungs-Mechanismus, der eine Anpassung ermöglichst“, das sei genau sein Originalzitat gegenüber der Financial Times Deutschland gewesen, betont der GDV-Präsident. Alles, was an weiteren Mutmaßungen über die Aufweichung des Garantiezins-Modells ihm in den Mund gelegt worden sei, stamme nicht von ihm. Und so kommt auch vom GDV-Sitz aus Berlin auch ganz lapidar der Kommentar: „Die Branche der Lebensversicherer steht zu ihren Garantien, davon leben wir“.

Wie kommt es zu der Aufregung? Es „könnte, sollte, dürfte“ an den Garantiezinsen der Lebensversicherer gerüttelt werden. Bislang bestehen Garantien auf Lebensversicherungsverträge Rentenversicherungs-Policen, die bis zum Vertragsablauf einen bestimmten Zins festschreiben. In Zeiten niedriger Zinsen suchen Einige in der LV-Branche nach Möglichkeiten, die Prämien anzupassen oder ihre Zahlungen zu senken, weil ihnen sonst die finanziell standfeste Basis auf Dauer entzogen werden könnte. Erste Gespräche und Diskussion mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) seien schon in Gang gekommen, die an Fahrt und an Brisanz zunehmen.

Wo liegt das Problem? Auf den Löwenanteil der rund 600 Milliarden Euro, die Lebensversicherer aus den eingesammelten Beitragszahlungen angelegt haben, gewähren sie derzeit 3,5 Prozent als Garantiezins. Die Marge ist angesichts der andauernden Niedrigzinsphase an den Kapitalmärkten auf lange Sicht schwerlich ins Verdienen zu bringen. Besonders drücken auch zig alte LV-Verträge mit deklarierten vier Prozent als Garantiezins. Erst seit 2003 beläuft sich das Zinsversprechen auf 2,75 Prozent. Besonders eng werde es aber mit den immer beliebter werdenden privaten Rentenversicherungs-Policen. Sie könnten schlimmstenfalls bis zu 60 Jahren laufen, weil ihre Inhaber immer älter werden. Die demographische Falle kann überall zuschlagen, weil die Lebenserwartung statistisch immer weiter steigt.

Manche Anbieter stünden schon längst mit dem Rücken zur Wand, wissen Insider, weil sie sich die Zusagen langfristig nicht mehr leisten können. Das Hauptproblem liegt im so genannten Langlebigkeitsrisiko. Die Menschen leben schlicht zu lange.

In der vergangenen Woche schien die Diskussion zu eskalieren. Hatte der GDV-Präsident nur laut gedacht – oder wollte er tatsächlich neue Seiten in Sachen Garantiezins aufziehen? Bei einem Branchentreff in München nutzte Schareck seinen öffentlichen Auftritt, um Journalisten Falschzitate vorzuwerfen. Die Diskussion endete für Außenstehende „wie das Hornberger Schießen“. Der Journalist Herbert Fromme, der angebliche Urheber der Falschzitate, konnte glaubhaft machen, dass Texte und Zitate mit dem GDV-Chef abgestimmt worden seien. Schareck äußerte sich später nicht mehr dazu.

Indes werden die Versicherten mehr und mehr verunsichert. Das für sie bisher grundsolide Konstrukt der Lebensversicherung mit Garantiezinsen und Überschuss-Deklarationen scheint ins Wanken zu kommen. An immer geringer ausfallende Überschussbeteiligungen haben sich die Meisten zähneknirschend gewöhnt. Wenn aber jetzt auch noch die Versprechen der Garantiezinsen zurückgenommen werden könnten, hört für sie der Spaß auf.

Mehrere Versicherer versuchen angesichts dieser Diskussion Schadensbekämpfung zu betreiben. Der Marktführer Allianz Leben und andere Anbieter versicherten öffentlich, dass die Garantieleistungen ein „Wesensmerkmal der Lebensversicherung" seien, an denen man festhalten werde. Schließlich sei das Sache jedes einzelnen Unternehmens. Über eine Änderung werde nicht nachgedacht.

Branchenkenner Manfred Poweleit, der den Informationsdienst map-report herausgibt, mischt sich in die Diskussion: Die Zunahme der Lebenserwartung habe mittlerweile ein Tempo erreicht, das für die Rentenversicherer nicht ungefährlich sei. Dabei lägen die Risiken für die Branche eher in dem Neugeschäft als in bestehenden Alt-Verträgen mit noch vergleichsweise hohen Garantiezinsen. Das Geschäft mit der Rentenversicherung habe erst seit 1989 richtig angezogen und der Bestand sei kalkulierbar.

Versicherungsexperte Poweleit könnte sogar Verständnis für die Gespräche um ein Aufweichen der Garantiezinsen aufbringen. Seine Argumentation macht er an einem Beispiel fest: Eine Police, die ein 30-Jähriger heute abschließt, könnte bis zu 60 Jahre laufen. „Man gibt damit Garantieversprechen über einen Zeitraum, wo man ehrlicherweise sagen muss, das ist nicht mehr zu vertreten", erklärt er.

Autor(en): Marianne Storck

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