Zeit, dass sich was dreht

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Die Flut- und Starkregen-Katastrophe vor allem im Ahrtal zeigt Wirkung. Der Bundesrat hat sich jetzt für eine Elementarschaden-Pflichtversicherung ausgesprochen. Ein richtiger Ansatz, denn die nächste Jahrhundertflut kann jederzeit kommen.

189 Menschen starben in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz im Juli 2021 bei der Flutkatastrophe. Ohne Zweifel handelte es sich hierbei um eine Katastrophe von historischem Ausmaß. Tausende Menschen sind traumatisiert, die Gegend ist auch heute noch von Zerstörungen gekennzeichnet. Die Schäden überstiegen alle bisherigen Erfahrungen. Wer von einem Jahrhundertereignis spricht, sollte jedoch vorsichtig sein, denn diese Ereignisse können und werden wohl angesichts des Klimawandels und der andauernden Bodenversiegelung öfter als einmal in 100 Jahren vorkommen.

Weniger als die Hälfte versichert

Die finanziellen Schäden werden mit mehr als 30 Milliarden Euro beziffert, davon waren circa 8,5 Milliarden Euro privat versichert. In Rheinland-Pfalz waren zum Zeitpunkt der Flut nur knapp 40 Prozent der Hausbesitzer gegen ein solches Starkregenereignis versichert, in Nordrhein-Westfalen 47 Prozent. In Baden-Württemberg, wo es lange eine Pflichtversicherung gab, sind es heute noch über 90 Prozent. Über die Hälfte der verzweifelten Hausbesitzer saß vor zwei Jahren also auf nicht versicherten Schäden. Ein Reflex, den viele politisch Verantwortliche dann versprechen, sind „schnelle und unbürokratische Hilfen“. In Rheinland-Pfalz zum Beispiel sollte die landeseigene Investitions-und Strukturbank bis zu 80 Prozent der Schäden bezahlen, wenn die Opfer keine Versicherung hatten. Die Lernkurve der Bürgerinnen und Bürger, ob versichert oder nicht: Der Staat wird‘s am Ende schon richten.

Länder fordern Einführung einer Pflichtversicherung

Deshalb wurde jetzt der Bundesrat aktiv. Die Länderkammer fordert die Bundesregierung auf, „kurzfristig einen konkreten bundesgesetzlichen Regelungsvorschlag zur Einführung einer Elementarschaden-Pflichtversicherung zu erarbeiten“. Der Vorschlag soll die Kosten für private Haushalte in zumutbaren Grenzen halten, aber zugleich sicherstellen, dass Hauseigentümer bei Katastrophen in ihrer Existenz geschützt sind. Und zwar möglichst zeitnah. Außerdem soll die Versicherungspflicht auf keinen Fall den Fehlanreiz setzen, dass Menschen erneut oder wieder in katastrophengefährdeten Gebieten bauen. Letzter Punkt ist gut und richtig, denn Tausende Häuser, die im Ahrtal und in der Eifel zerstört wurden, sind zum großen Teil an derselben Stelle wieder aufgebaut worden. Das hätte man aus meiner Sicht vermeiden müssen.

GDV setzt auf Freiwilligkeit

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) reagierte verhalten auf die Initiative des Bundesrats. Es sei gut, dass die Länder das wichtige Thema der Naturgefahren-Absicherung weiter vorantreiben. Kundinnen und Kunden sollten aber frei entscheiden dürfen, ob und wie sie versichert sind, meint Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV. Der Verband setzt dafür auf Präventionsmaßnahmen etwa im Baurecht, bei der Klimafolgenanpassung und beim Versicherungsschutz.

Existenzbedrohendes Risiko pflicht-versichern

Meiner Meinung nach sind beide Positionen richtig. Der Bundesrat hat recht, dass es nicht reicht, dass derzeit nur jedes zweite Gebäude elementarversichert ist. Gleichzeitig ist Prävention im wahrsten Sinne des Wortes überlebenswichtig. Eine Pflichtversicherung tut Not. Alle Hausbesitzer müssten abhängig von der Risikoklasse Beiträge zahlen. Im Schadenfall erhalten sie einen existenzsichernden Basisbetrag. Einen darüberhinausgehenden Schutz könnte individuell zugekauft werden. Staat und Versicherer sollten hier eng zusammenarbeiten.

Ein ähnliches Modell mit Versicherern und Staat gibt es bereits mit dem Terrorversicherer Extremus. Letztendlich geht es um ein existenzbedrohendes Risiko – also genau der Fall, wofür Versicherungen eigentlich da sind.

 

Autor(en): Bernhard Rudolf

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