Hans-Peter Schwintowski und Hans-Wilhelm Zeidler, anerkannte Finanzwissenschaftler, haben einen offenen Brief verfasst. Der Auslöser: Das von der EU-Kommission geplante Provisionsverbot bei Finanzprodukten.
Gleich zu Beginn des Briefes lassen Professor Hans-Peter Schwintowski und Professor Hans-Wilhelm Zeidler, erkennen, dass sie "Anhänger der Provisions- UND der Honorarberatung sind", aber zeitgleich auch "engagierte Kritiker eines Provisionsverbotes".
Für ihre Position liefern sie auch gleich eine dezidierte Begründung. So kommentieren sie, dass "ein vollständiger Systemwechsel von der freien Wahl zwischen Honorar und Provision hin zum – gleichermaßen für Beraterinnen und Verbraucher – Zwang zur Honorarberatung eine Entmündigung der Verbraucher" sei. Diese wäre überhaupt nur dann ver-tretbar, wenn dadurch nicht an anderer Stelle Schaden entstünde und es zugleich keine Alternative zum Provisionsverbot für die Erreichung des angestrebten Zieles gäbe: der Vermeidung von Fehlanreizen und Interessenskonflikten.
Beide Voraussetzungen seien aber nicht gegeben. Die Abschaffung der freien Entscheidung für eine Beratung und den Verkauf auf Provisionsbasis bringe gravierende Kollateralschäden mit sich – und sie sei überflüssig.
Die Gründe hierfür seien, dass in den vergangenen Jahren unter maßgeblicher Beteiligung vieler Branchenunternehmen, aber auch von Verbraucherschutz und Wissenschaft entstandenen DIN-Normen für eine unternehmensübergreifende, objektive und neutrale Finanzanalyse von Privathaushalten und zur Risikoprofilierung von Privatanlegern bestens geeignet seien, Fehlanreize und Interessenskonflikte weitestgehend aus der Finanzberatung zu verdammen.
Und weiter heißt es wörtlich in dem Schreiben:
"So stellt zum Beispiel die DIN-Norm 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“ die kun-denindividuell als relevant ermittelten Finanzthemen in eine feste, wissenschaftlich fundierte und nicht von Vertrieben oder Beratern manipulierbare Rangfolge. Dadurch ist die Fehlanreiz-geleitete Priorisierung von Themen, zu deren Lösung provisions-starke Produktklassen herangezogen werden können, per se ausgeschlossen.
Diese Norm ist aktuell auf dem Weg von einer deutschen zur europäischen Norm, sodass sie in absehbarer Zeit ein Provisionsverbot auch für die anderen europäischen Staaten obsolet machen wird.
Die genannten DIN-Normen können mithin starke, wenn nicht gar die stärksten Argumente gegen das Verbot von Provisionen sein, weil sie die Gründe der Befürworter an ihrem Ausgangs- beziehungsweise Schmerzpunkt entkräften können – wenn sie denn auch flächendeckend Umsetzung erfahren. Das ist allerdings bisher nicht der Fall.
Dazu dass sich das ändert und dass damit den Befürwortern des Provisionsverbotes glaubwürdig und dauerhaft der Wind aus den Segeln genommen wird, können Sie in Ihren Verbänden und in Ihren – den größten deutschen – Finanzvertrieben und Pools einen Beitrag leisten.
Wir appellieren daher an Sie, den Schulterschluss aller beratend Tätigen zu suchen und auf Ihre Mitgliedsunternehmen sowie auf Ihre Mitarbeitenden und Anbindungen einzuwirken, dass sie sich durch die aktive Umsetzung der vorhandenen DIN-Normen für Verlässlichkeit und konsequente Kundenorientierung und damit gegen Fehlanreize in der Finanzberatung positionieren und so ein starkes und positives Signal gegen die Sinnhaftigkeit eines Provisionsverbotes setzen.
Die aktuelle Situation ist für die Finanzbranche und die Finanzberatungskunden gleichermaßen bedrohlich. Und auch wenn es jetzt ohne die von uns postulierte Umsetzung der DIN-Normen für die Finanzberatung gelingen sollte, das Provisionsverbot von der politischen Agenda zu nehmen – es wird wiederkommen, solange wir als Branche das Übel nicht an der Wurzel packen.
Auch wenn dieser Weg keine Kurz-, sondern eher eine Langstrecke sein wird: Es lohnt auf jeden Fall, sich jetzt gemeinsam auf den Weg zu machen hin zu Normen und weg von Fehlanreizen."
Die Adressaten des offenen Briefes
Die Unterzeichner des offenen Briefes haben zahlreiche Verbände, Verbünde und Maklerpools angeschrieben, so unter anderem Afw, BCA, Bonnfinanz, BVK, Fondskonzept, KAB Maklerservice, Netfonds, Votum und viele andere bekannte Branchenexperten.
Quelle: Humboldt-Universität zu Berlin
Autor(en): versicherungsmagazin.de