Eine erste Umfrage unter Vermittlern zeigt viel Unsicherheit, wie die Transparenzverordnung der Europäischen Union umzusetzen ist. Viele von ihnen erkennen aber auch die Chancen dieser Verordnung.
Bereits seit 10. März ist die europäische „Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor“ anzuwenden. Sie betrifft alle Versicherungsvermittler mit mindestens drei Mitarbeitern im Betrieb und damit weit mehr als die Hälfte aller Agentur- und Maklerbetriebe. Aber selbst wer weniger Personen beschäftigt, sollte sich mit der Transparenzverordnung (TVO) befassen, schon allein um keine Nachteile im Wettbewerb zu erleiden.
Drei Viertel ohne eigene Webseite
Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. (BVK) wollte wissen, wer die TVO umgesetzt hat. Im Rahmen einer ad hoc-Umfrage im Mai unter 400 Versicherungsvertretern und -maklern zeigte sich, dass nur eine Minderheit entsprechend gehandelt hat.
Eine weitere Einschränkung liegt darin begründet, dass die TVO zwar verschiedene Informationen für den Kunden verlangt. Die aber sollen über die Webseite verbreitet werden. In der BVK-Stichprobe hatte allerdings nur jeder vierte Befragte einen eigenen Internetauftritt, den er eigenverantwortlich pflegt. Viele der in der Stichprobe stark vertretenen Ausschließlichkeitsvertreter verwiesen auf ihre Vertragspartner, die für die Pflege der Webseiten auch der Agenturen zuständig seien.
Nur drei von zehn haben ihre Homepage angepasst
Aber auch Vermittler mit eigener Webseite zeigen noch Defizite in der Umsetzung der TVO. Nur 30 Prozent hatten im Mai pflichtgemäß Angaben ergänzt, ob sie eine Nachhaltigkeitsstrategie besitzen oder nicht.
Davon wiederum nur knapp über die Hälfte hatten Hinweise ergänzt, ob ihre Vergütungen und Anreize im Einklang mit Nachhaltigkeitszielen steht oder sogar im Widerspruch dazu steht. Das könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Vertrieb nicht nachhaltiger Lebensversicherungen mit höheren Provisionen und Courtagen belohnt wird als der Vertrieb nachhaltiger Produkte.
Immerhin 14 Prozent der Befragten haben eine eigenständige Nachhaltigkeitsstrategie. Ähnlich viele haben ihre Werbeaussagen überprüft, ob sie mit dieser Strategie übereinstimmen. Die Verordnung lässt es zu, jedenfalls vorerst keine Nachhaltigkeitsstrategie zu besitzen, dies muss aber angegeben und begründet werden. Ein guter Grund dafür könnte sein, dass die Europäische Union selbst noch liefern muss, was Details für die genaue Definition nachhaltiger Investments im Rahmen von Versicherungsprodukten angeht. Es ist nicht verkehrt, sich vorzubehalten, die weitere Entwicklung abzuwarten, aber zu beobachten und bei Bedarf zu reagieren.
Interessiert Kunden das Thema Nachhaltigkeit?
Eine große Unsicherheit wird deutlich bei der Frage, ob Nachhaltigkeit ein Thema wird, das bei den Kunden auf Interesse und Nachfrage stößt. Nur 23 Prozent der befragten Vermittler bestätigen klar, dass ihre Kunden an nachhaltigen Versicherungen interessiert sind, ein weiteres Drittel ist unentschieden. Mit 36 Prozent etwas mehr Vermittler erkennen im Thema Nachhaltigkeit ein Akquisepotenzial, weitere 30 Prozent sind unentschieden. Es fällt auf, dass nur 27 Prozent der Vermittler weder Interesse der Kunden noch Akquisepotenzial erkennen, alle anderen sind sich zumindest nicht sicher – oder umgekehrt 19 Prozent klar von beidem überzeugt.
Eine wichtige Voraussetzung für das Erkennen von Potenzialen ist eine Beschäftigung mit dem Thema. Nur jeder vierte Vermittler bestätigt aber, dies bereits getan zu haben – insofern sind die Einschätzungen zum vermeintlichen Interesse der Kunden und des Akquisepotenzials mit großer Vorsicht zu genießen.
Die Beratung anpassen – freiwillig
Auch erst 21 Prozent sagen, dass sie ihr Beratungskonzept angepasst haben und Kunden aktiv Beratung zur Nachhaltigkeit anbieten. Eine Pflicht dafür gibt es aus der TVO noch nicht, diese wird erst mit einer Anpassung der Vertriebsrichtlinie IDD kommen. Aber es liegt auf der Hand, dass man schwerlich ein Kundeninteresse zuverlässig einschätzen kann, wenn man selbst das Thema Nachhaltigkeit aus der Beratung ausblendet.
Helfen könnte Weiterbildung, zumal diese ohnehin verpflichtend vorgeschrieben ist. Aber auch erst 23 Prozent der Vermittler betreiben Weiterbildung zur Nachhaltigkeit von Versicherungen. Es bleibt also zunächst viel Potenzial bei den Vermittlern selbst abzuschöpfen, ehe anschließend ein klares Bild darüber entstehen kann, was „der Kunde“ will.
Ein Beispiel: Die Nachfrage nach Elektro- und Hybridautos steigt sprunghaft. Das mag zwar auch an Steueranreizen liegen. Aber ist es völlig auszuschließen, dass Kunden, die sich für 50.000 Euro aufwärts ein solches Auto kaufen, auch Interesse daran haben könnten, wie ihr nicht geringes Vermögen von Finanzdienstleistern verwendet und angelegt wird? Vielleicht muss man Kunden einfach einmal fragen, ehe man mutmaßt, was sie denken.
Autor(en): Matthias Beenken