Orientierungssuche auf der DKM: Demografie, Digitalisierung und Zukunftsorientierung – ein Stimmungsbild beleuchtet die Situation vieler Makler.
Je nach Umfrage sind Versicherungsmakler und Mehrfachvertreter durchschnittlich um die 54 Jahre alt. Weit mehr als die Hälfte sind mindestens 50 Jahre und damit mehr oder weniger nah am Ruhestandseintritt. Diese Vermittler sind noch „in der alten Welt“ sozialisiert worden.
In dieser wurden Versicherungen „Face to Face“ persönlich beraten und verkauft. Vertrauen in die Person vor Ort war das wichtigste Kapital. Auch zu den Versicherern unterhielt man persönliche Beziehungen, kannte die Entscheider in den Antrags- und den Schadenabteilungen. Wenn es irgendetwas zu klären gab, reichte oftmals der kurze Anruf.
Gut ausgebildet und erfahren – aber überfordert
Die Realität heute wird anders empfunden, wie exemplarisch ein Gespräch mit zwei gestandenen Maklern auf der DKM zeigt. Beide sind Ende 50 und für Branchenverhältnisse sehr gut ausgebildet als Versicherungskaufleute, einer mit Zusatzqualifikation als Versicherungsfachwirt, der andere als Versicherungsbetriebswirt. Jahrzehnte Berufserfahrung haben sie von Versicherern über große Industriemakler bis schließlich in die Selbstständigkeit geführt. Sie bezeichnen sich als Einzelkämpfer, die in einem kleinen Netzwerk gleichgesinnter Makler kooperieren. Der geschäftliche Fokus liegt auf gewerblichen Sachversicherungen. Lebensversicherungen, vor allem in der betrieblichen Altersvorsorge, stellen die Sahnehaube in der Einkommenszusammensetzung dar.
„Wir sind Sachbearbeiter der Versicherer geworden“, so ihre Klage. Statt direktem Kontakt zu fachlich qualifizierten Sachbearbeitern verbrächten sie heute viel Zeit in Warteschleifen von Callcentern der Versicherer. Bis zu einer Dreiviertelstunde, berichten sie, muss man schon mal warten, um sich dann von Versicherungsangestellten mit Festgehalt anstelle einer Entschuldigung Sprüche anhören zu müssen, man könne ja auch den Job wechseln, wenn einem das nicht passe.
Die täglichen Wartezeiten in Hotlines auf ein Durchstellen zu einem Gesprächspartner haben sie mit durchschnittlich 70 Minuten ermittelt. Zum einen fehle diese Zeit für die Bearbeitung anderer Anliegen, zum anderen seien viele dieser Anrufe vom Versicherer selbst ausgelöst durch Fehler in der Bearbeitung. Da gebe es Doppelabbuchungen trotz fristgerechter Vertragskündigung mit fatalen finanziellen Folgen für die betroffene Kundin oder fehlende Informationen zur Erledigung von Schäden, selbst wenn es Ablehnungen gab.
Prozesse bei Versicherern passen nicht
Oft genug helfe dann nur noch ein Maklerpool weiter, der einen Vertragsänderungswunsch oder eine Regulierungsentscheidung in wenigen Stunden durchsetzen kann, wohingegen der Einzelmakler vor Ort vertröstet und hingehalten werde. Maklerbetreuer der Gesellschaften dagegen hätten kaum Vollmachten und würden zumeist die Anliegen als Briefträger weiterleiten.
Viele Probleme empfinden sie als hausgemacht beim Versicherer. Oft wisse die Rechte nicht, was die Linke tut. Eine E-Mail mit vier Vertragsnummern, die zur Aufhebung aufgegeben wird, so ein Beispiel, führte nur zu einer einzigen Vertragsbearbeitung. Auf Nachfrage, was mit den anderen drei Vertragsnummern sei, habe man die Antwort erhalten, es läge keine Nachricht vom Makler vor. Nachdem auch das widerlegt war, blieb als Entschuldigung, „die KI“ (Künstliche Intelligenz) habe das eigenständig gemacht, die Mitarbeiter hätten darauf keinen Einfluss.
Eine andere Ausrede, so empfinden es jedenfalls die Gesprächspartner, sei „die Corona-Pandemie“. Das würden sie derzeit sehr oft zu hören bekommen, wenn man an die Erledigung einer Anfrage erinnere. Manchmal stimmten offensichtlich die Prozesse nicht, wie das Beispiel der Kündigung einer schadenfreien Gebäudeversicherung direkt gegenüber dem Kunden ohne Einbindung des Maklers zeige. Eine Rückfrage beim Makler hätte helfen können zu erläutern, warum beim Kunden ein bestimmtes Bedingungswerk bedarfsgerecht sei.
Von der Digitalisierung abgehängt?
Auch die Digitalisierung ist aus Sicht der beiden Makler ein Reizwort. Zwar verfügen sie jeder über eine Homepage, aber Abschlüsse kann ein Kunde darüber nicht vornehmen. Im Onlineabschluss sehen die Gesprächspartner eher eine Haftungsverschiebung zum Makler, weil der Versicherer die Verantwortung für Eingabefehler abgebe, aber diese beim Makler hängen bleibe.
In sozialen Netzwerken sind sie ebenfalls nicht aktiv. Das sei auch bisher nicht nötig gewesen, die beratungsaffinen Kunden kenne man und treffe sie persönlich oder telefonisch. Ob das ein Fehler sei, ist eine ihrer bangen Fragen nach einer Zukunftsausrichtung ihrer Maklerbetriebe. Und wenn ja, in welchem sozialen Netzwerk sie unterwegs sein müssten. Denn man höre oft, wie leicht man sich verzetteln kann in der Vielfalt der Onlineaktivitäten.
Handlungsorientiert heißt nicht immer gut ausgebildet
Auch fachlich haben beide Makler ihre kritischen Erfahrungen gemacht. Beide sind zwar gut qualifiziert und langjährig branchenerfahren, räumen aber ein, bei der Vielfalt an Versicherungssparten und Deckungskonzepten auch mal Wissenslücken zu haben. Da sei der qualifizierte Rat der Versicherungsangestellten aus den Spartenabteilungen notwendig und willkommen. Leider aber lasse die fachliche Qualifikation immer mehr nach. Gerade jüngere Sachbearbeiter, die nach moderneren Ausbildungskonzepten „handlungsorientiert“ ausgebildet wurden, hätten oft kein ausreichendes Fachwissen mehr.
Die Ansprechpartner würden sich teilweise nur noch in einem einzigen Produkt auskennen und bei weitergehenden Fragen an andere Gesprächspartner verweisen – mit neuen Wartezeiten. Schriftliche Antworten erfolgten offenbar mit Mustertexten, die auf den konkreten Einzelfall keine passende Reaktion darstellen. Dafür gebe es umgekehrt Fälle, in denen Versicherer sich direkt an den Kunden wenden und nachfragen, warum ein bestimmter Produktbaustein noch nicht versichert sei – was erstens die Aufgabe des Versicherungsmaklers und zweitens bei anderer Gesellschaft eingedeckt gewesen sei.
Zu wenig, um eine breite Beratungsgrundlage zu bieten
Allerdings betonen beide Makler auch, dass die aufgezeigten Probleme nicht bei allen Versicherungsgesellschaften gleichermaßen auftreten. Einige wenige, maklerorientierte Versicherer gebe es, mit denen sie sehr gut zusammenarbeiten könnten. Aber das sei zu wenig, um dem eigenen Anspruch als Makler gerecht zu werden und eine breite Beratungsgrundlage zu bieten.
Beide vermitteln, dass sie bislang keineswegs resigniert hätten und grundsätzlich weiter Freude an ihrer Arbeit haben. Mitarbeiter und damit potenzielle Nachfolger ließen sich so aber nicht an das Maklerunternehmen binden. Ein Auszubildender habe nach Abschluss der Ausbildung die Branche verlassen, begleitet vom Verständnis des Ausbilders. Die eigenen Kinder wären ebenfalls nicht daran interessiert, das Geschäft der Väter fortzuführen. So bleibt möglicherweise ein Weiterarbeiten bis über das Rentenalter hinaus als letzte Option. Dass sie diese Option nicht optimistisch stimmt, verwundert nicht.
Autor(en): Matthias Beenken