Die deutschen Versicherer sind gewillt, zur Rettung des Planeten einen erkennbaren Beitrag zu leisten. Doch die Hindernisse auf diesem Weg sind zahlreich. Wie diese beseitigt werden können, hat der Gesamtverband der Versicherer (GDV) in einer Medienkonferenz gezeigt und diverse Vorschläge unterbreitet.
In den Medien kursieren sehr unterschiedliche Zahlen, wieviel Geld die Wirtschaft, aber auch Bund, Länder und Kommunen bis 2045 investieren müss(t)en, um in Deutschland eine technologische sowie umweltbewusste Transformation der Gesellschaft zu ermöglichen und zu finanzieren. So kalkulieren beispielsweise Unternehmensberatungen und andere Branchenexperten mit 460 Milliarden Euro, 860 Milliarden Euro oder sogar fünf bis sechs Billionen Euro.
Vier Geschäftsfelder, in denen die Versicherer ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten
Zahlreiche Wirtschaftszweige sind hier schon aktiv, auch die Versicherungswirtschaft. Sie ist mit circa 1,9 Billionen Euro Kapitalanlagen einer der größten institutionellen Investorengruppen in Deutschland, die diese Transformation unterstützen möchte.
Grundsätzlich gibt es vier Geschäftsfelder, in denen die deutschen Versicherer ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten.
- Bei den Kapitalanlagen sollen klimaneutrale Anlageportfolios bis 2050 aufgebaut werden, erste Reduzierungen sind bis 2025 vorgesehen.
- Bis 2025 sollen die ESG-Kriterien in die Zeichnungsrichtlinien integriert sein (Stichwort Underwriting).
- Die deutschen Liegenschaften sollen bis 2025 klimaneutral sein (Stichwort: Geschäftsprozesse)
- In der Schadenregulierung sollen sukzessive Nachhaltigkeitskriterien integriert werden, nachhaltige Altersvorsorgeprodukte sollen schrittweise ausgebaut werden.
Harald Epple, Chief Financial Officer (CFO) im Gothaer Konzern und Vorsitzender des GDV-Ausschusses Kapitalanlagen, monierte bei der Präsentation, dass die Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland zu langsam laufen und zu bürokratisch sind, eine Beschleunigung dieser Prozesse sei dringend notwendig. Wie diese Veränderung umgesetzt werden könnte, skizzierte er mit diversen Beispielen. So könnten bei etablierten Energie-Technologien, wie Windkraft und Sonnenenergie, die Genehmigungsinhalte standardisiert und vereinfacht wurden. Klare und rechtsverbindliche Vorgaben könnten die Rechtsunsicherheit reduzieren und Klagerisiken begrenzen. Die einzelnen Prüfungsschritte für die Anlagen für Erneuerbare Energien (EE-Anlagen) sollten gebündelt werden, ein Prüfungsergebnis sollte für mehrere Projekte gelten. Last but not least: Fehlendes Personal in Ämtern und Behörden verzögert die Genehmigungsverfahren, eine konsequente Digitalisierung könnte hier Abhilfe schaffen.
Setzen große Hoffnung in das Zukunftsfinanzierungsgesetz
Hilfreich für die Vereinfachung und Beschleunigung derartiger Verfahren ist nach Ansicht von Harald Epple auch das Zukunftsfinanzierungsgesetz, das derzeit im Entwurf vorliegt. Im Zuge dessen könne der Anlagekatalog für Immobilien- und spezielle Anlagen in Investmentfonds (Spezial-AIF) um EE-Anlagen erweitert werden. Wichtig hierfür sei aber auch, dass die betreffenden Inhalte im Investmentsteuerrecht geändert würden. Ein weiterer Stolperstein, der auch aus dem Weg geräumt werden müsste, sei die Gewerbesteuer. Folglich müsste es eine grundsätzliche Gewerbesteuerfreiheit für Fonds aus der Bewirtschaftung von EE-Anlagen geben.
Aber nicht nur bei den schon länger etablierten Technologien müsste die Politik mehr Unterstützung liefern, sondern auch bei anderen klimafreundlichen Technologien, wie Batteriespeichern und grünem Wasserstoff, müssten die politischen Akteure mehr Flexibilität reinbringen und für Abgabenerleichterung sorgen. Bislang sei die Rentabilität und Wirtschaftlichkeit derartiger neuer Techniken noch nicht gegeben oder unsicher, das finanzielle Risiko derartiger Investments noch recht hoch, so dass Erleichterungen dringend angeraten seien.
Steuererleichterungen für H2-Produzenten könnten hier ein erster Schritt sein, jedenfalls bis deren Produkte die Marktreife erreicht hätten. Gleichfalls wichtig seien auch so genannte Carbon Contracts for Difference für CO 2-intensive Industriezweige wie die Stahl- oder Zementindustrie. Diese Industrien könnten so Anreize erhalten, auf grüne und/oder andere innovative Technologien umzusteigen.
Was bedeutet eigentlich Carbon Contracts for Difference?
Contracts for Difference (Differenzverträge) sind ein Produkt aus der Finanzwelt. Sie dienen dazu, schwankende Preise beispielsweise für Aktien oder Rohstoffe abzusichern. Dafür wird zwischen Verkäufer und Käufer ein Preis (strike price) für ein bestimmtes Produkt zu einem bestimmten Zeitpunkt vereinbart. Liegt zu diesem Zeitpunkt der vereinbarte Preis unter dem momentanen Marktpreis, muss der Käufer die Differenz zwischen vereinbartem Preis und Marktpreis an den Verkäufer bezahlen. Liegt der Marktpreis über dem strike price, verhält es sich andersherum: Der Verkäufer muss die Differenz an den Käufer bezahlen. Mit diesem Instrument lassen sich Investitionsrisiken also gut abfedern.
Mit diesem Mechanismus lassen sich nicht nur unsichere Preisentwicklungen absichern, sondern auch neue Technologien wettbewerbsfähig machen. Sogenannten Carbon Contracts for Difference (CCfD) können beispielsweise genutzt werden, um treibhausgasneutrale Produktionsprozesse zu unterstützen. Diese sind meist teurer als der Einsatz herkömmlicher Technologien, aber mit Blick auf die Dekarbonisierung der Industrie dringend notwendig.
Bitte Abnahmegarantien und Einspeisevergütungen gewährleisten
Nicht minder wichtig nach Aussage von Epple ist es aber auch, für Unternehmen und Investoren, eine gewisse Planungssicherheit zu schaffen. Diese könne dadurch gewährleistet werden, dass es Abnahmegarantien beziehungsweise Einspeisevergütungen gebe. Und damit wirtschaftlich riskantere EE-Projekte auch umgesetzt werden könnten, wären Finanzierungsmodelle vorstellbar, bei denen Förderbanken ein Teil der Risiken tragen. Bei Windparks würden Abnahmegarantien bereits angewendet und hätten diese nachhaltige Energieform gepushed.
Um am Ende einen schnellen und klimaeffizienten Umbau der öffentlichen Infrastruktur realisieren zu können, sollte es einen institutionellen Austausch zwischen den Bundesministerien sowie zwischen Bund, Ländern und Kommunen geben. Auf Länderebene sollen entweder Kompetenz- und Beratungszentren aufgebaut oder vorhandene Zentren erweitert werden.
Partnerschaftsmodelle für nachhaltige Infrastrukturprojekte sollten vermehrt zum Einsatz kommen
Neben institutionellen Investoren wie den Versicherern ist es nach Ansicht des GDV-Mitglieds Epple aber auch immer wichtiger, das private Investitionen über kooperative Partnerschaften gefördert werden. Das heißt, dass kooperative Partnerschaftsmodelle für nachhaltige Infrastrukturprojekte vermehrt zum Einsatz kommen sollten. Dafür sei es aber unerlässlich, dass die Förderbankenpolitik angepasst würde, „um Crowding-in von privatem Kapital zu fördern statt zu verhindern“.
(Anmerkung der Redaktion: Crowding-in, auch Verstärkungseffekt , ist ein Begriff der Volkswirtschaftslehre und bezeichnet die Vermehrung privatwirtschaftlicher Investitionen durch staatliche Aktivitäten. Der Verstärkungseffekt ist zentral für verschiedene ökonomische Modelle. Der gegenteilige Effekt wird Crowding-out (Verdrängungseffekt) genannt.)
Ein Fazit
„Die größte Gefahr für unseren Planeten ist der Glaube, dass jemand anderes ihn rettet!“
Dieses Zitat des Polarforschers Robert Swan war der GDV-Präsentation vorangestellt und soll veranschaulichen, dass jeder Einzelne seinen Beitrag zur Rettung der Erde leisten kann und muss.
Die Versicherer wollen hier wohl Vorreiter sein und ein klein wenig die Welt retten.
Quellen: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, GDV, Wikipedia
Autor(en): Meris Neininger