Die Skepsis bei der bAV überwinden

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Der zweite Tag des 26. "Zukunftsmarkts Altersvorsorge", veranstaltet vom MCC, stand ganz im Zeichen der betrieblichen Altersversorgung (bAV). In einer Reihe an Vorträgen wurde die Marktsituation erläutert, Reformideen anstelle des gescheiterten neuen Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG 2) geäußert sowie einige Unternehmensideen zur Umsetzung der bAV vorgestellt.

Durch das Programm des Veranstaltungstages führte Dr. Michael Karst, Managing Director, Leiter Legal, Tax, Accounting, Retirement bei WTW. Zum Einstieg beleuchtete er die Zukunftsaussichten und die aktuelle Lage des bAV-Markts, in dem laut ihm „gefühlt nicht viel passiert“.

Mit dem zuletzt bekannten Stand von Dezember 2023 gibt es 14,6 Millionen aktiv Versicherte in Privatwirtschaft. Allerdings ist die Zahl der bAV-Anwartschaften zwischen 2019 und 2023um 3,1 Prozent gesunken.

Was nach dem Scheitern von BRSG 2 zu tun ist

Das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG 2), welches letztlich nur ein Regierungsentwurf blieb, sollte eigentlich bei der Geringverdienerförderung und Abfindungsverfahren Verbesserungen bringen. Doch das geplante Gesetz wurde in der Branche auch kritisch betrachtet. Im Entwurf wurden viele bekannte Probleme nicht bedacht, wie auch Karst verdeutlichte: „Es ist schon beeindruckend, was nicht im BRSG 2 stand, beziehungsweise, was man nicht angehen wollte.“

Er hatte deshalb selbst eine „haushaltsneutrale“, also kostengünstige Liste an Verbesserungsvorschlägen für die Betriebsrente mitgebracht. Bei den nötigen Reformen, die die kommende Regierung vornehmen müsse, sei vor allem wichtig, die bAV gegenüber der privaten Altersvorsorge (pAV) nicht schlechter zu stellen. Ein schlüssiges Gesamtkonzept für bAV und staatlich geförderte pAV sei hier dringend nötig. Besonders hinderlich für die bAV wäre momentan, dass  für sie strengere Anforderungen gelten, während bei der pAV garantiefreie Produkte zur Verfügung stünden.

Was weiterhin „wirklich helfen würde, wäre ein verbessertes betriebliches Opting-out-System, gesetzlich geregelt und freiwillig“, sagte Karst. Denn dieses betriebliche Opting-out sei „im BRSG 1 quasi atomisiert“ worden. Ebenso als notwendig erachtete er eine Erhöhung der Abfindungsgrenzen (ohne Kopplung an die Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) und eine Absenkung der Garantievorgaben.

Wie kann die bAV mehr Menschen überzeugen?

Abseits von konkreten politischen Entscheidungen fand sich in mehreren Vorträgen der Tenor wieder, dass noch etwas Überzeugungsarbeit nötig ist, um die Verbreitung der bAV weiter zu steigern. So argumentierte Hansjörg Müllerleile, Geschäftsführer des Versorgungswerks Metallrente, dass betriebliche Altersversorgung „ein klares Profil“ brauche, um „ihrer sozialpolitischen Funktion gerecht zu werden“. Sie müsse zeigen, dass sie auch mit „aversen“ Bedingungen das leisten und liefern kann, was sie soll. In diesem Punkt herrsche noch einiges an Skepsis bei Arbeitgebern und Beschäftigten. Dabei habe die bAV aber schon vieles erreicht. Es gehe insbesondere darum, Vertrauen zu gewinnen.

Wie kann dies angegangen werden? Unter anderem durch Zuverlässigkeit der Produkte und vor allem bei den späteren Auszahlungen in der Rentenphase. Die soll inzwischen oft durch Kapitaldeckung in Pensionsfonds erreicht werden und dabei auch die Risiken, die Unternehmen mit den Pensionsverpflichtungen eingehen, klein halten. So argumentierte auch Georg Thrurnes, Vorstandsvorsitzender des Fachverbands Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba), dass es „eine stärkere Kapitaldeckung“ braucht. „Es gibt wenig Effizienteres als eine kollektive Deckung.“ Dabei mahnte er, dass fondsgestützte AV-Lösungen sich zu oft noch rein auf die Ansparphase beziehen. Die Auszahlungsphase „fällt jedes Mal unter den Tisch“, lautete seine Kritik.

Unternehmen zeigen hauseigene bAV-Modelle

Im Zuge der Fachvorträge hatten Unternehmen aus verschiedenen Branchen die Möglichkeit, auf der Veranstaltung ihre eigenen Betriebsrentenangebote vorzustellen. Dirk Jargstorff, unter anderem CEO des Bosch Pensionsfonds und Senior Vice President Pensions and Related Benefits beim Technologiekonzern Robert Bosch, benannte die bAV als einen „ganz wichtigen Employee benefit“. Das kollektive Konzept dahinter diene der Risikoabsicherung und mache sie zu einem überlegenen Produkt.

Bei der Fondsrente und Pensionsfonds arbeite man heute schon mit Risikopuffern. So gehe es auch mit kapitalanlagengedeckten bAV-Modellen. Die Kosten- und Renditevorteile durch die Nutzung von Kollektivtarifen und Skaleneffekten böten zusätzliche Sicherheit, ohne den Verzicht auf Rendite.

Andere Unternehmen, wie die Chemiekonzerne BASF und Covestro, haben die Teilnahme an ihren bAV-Modellen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fest im Arbeitsvertrag verankert. Bei der BASF ist es eine automatische Mitgliedschaft in der Pensionskasse, bei Covestro sind drei Prozent Entgeltumwandlung bis zur Beitragsbemessungsgrenze (BBG) das Minimum. Beate Petry, Vorstandsvorsitzende der BASF Pensionskasse, berichtete, dass das Unternehmen inzwischen bei Stellenausschreibungen offen mit ihrer „attraktiven bAV“ werbe.

Munich Re geht eigenen Weg

Der große Rückversicherer Munich Re hat seit 2019 ein neues bAV-Modell, welches schon mit dem Deutschen bAV-Preis ausgezeichnet wurde. Joachim Gölz, Senior Legal Counsel beim Rückversicherer, stellte es in einem Vortrag ausführlich vor. Ziele des neuen Modells seien weniger Risiko, mehr Ertrag, transparentes Produktdesign und eine individuelle Gestaltung gewesen. Dazu böte sie eine starke Garantie bei der Mindestleistung – wenn auch keine hundertprozentige. Es gibt bei der Einstellung im Unternehmen ein Opt-out aus der bAV, später sei allerdings auch ein einmaliges Opt-in möglich, wenn man seine Meinung noch ändert.

Besonders sei, dass das Modell sowohl in der Anspar- als auch der Rentenphase kapitalmarktnah sei und dazu eine lebenslange Rente biete, auch wenn das Vertragsguthaben aufgebraucht ist.

Ausgehend vom Erfolg der internen bAV bietet der Rückversicherer inzwischen auch anderen Unternehmen eine Rückdeckungsversicherung an, die unter anderem Marktrisiken komplett übernehmen soll.

Mehr Vertrauen und Effizienz sind nötig

In der abschließenden Diskussionsrunde fragte Karst die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, welche Änderungen sie sich für die Zukunft der bAV wünschen. Marcus Müller, der Pensions und Benefits-Experte von Covestro, sagte, es brauche nicht einmal „bahnbrechende Neuerungen“. Kleine Änderungen könnten schon „das Vertrauen ins System stärken“. Gölz sprach sich für ein effizienteres System aus, welches Friktionen und somit Kosten mindern würde. Dr. Johannes Heiniz, Senior Director Retirement bei WTW, schlug eine ähnliche Richtung ein und forderte eine Entschlackung des Marktes mit einer kleineren Menge an unterschiedlichen – jedoch letztlich recht ähnlichen – Modellen.

Für die Umsetzung vieler dieser Wünsche wird es letztlich politische Reformen brauchen. Die Branche muss also darauf warten, welche Vorstellungen und welchen Willen die kommende Regierung bei der bAV haben wird.

Autor(en): Frederik Schmidt

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