Whistleblower: Besser direkt zur Bafin

740px 535px
„Über einen externen Ombudsmann haben Mitarbeiter von Ergo die Möglichkeit, Verstöße gegen interne Verhaltensregeln und gesetzliche Vorgaben anonym an eine neutrale Stelle zu melden“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht 2013 des Düsseldorfer Versicherungskonzerns. „Und der Ombudsmann ist auch immer noch aktiv“, bestätigt Ergo-Sprecher Florian Amberg. Bei der Generali Deutschland sind sogar gleich zwei externe Rechtsanwälte als Ombudsleute beauftragt, an die sich Mitarbeiter jederzeit wegen des Verdachts möglicher Compliance-Verstöße wenden können. Und zwar „unter Wahrung strikten Hinweisgeberschutzes“, wie es bei der Generali heißt.

Urteil gefährdet Schutz von Whistleblowern

Doch diese wichtige Anonymität für Whistleblower ist nun durch ein Urteil des Landgerichts Bochum gefährdet. Das Gericht hat entschieden, dass ein Staatsanwalt die Akten eines Rechtsanwaltes, der als externer Ombudsmann für ein Unternehmen tätig ist, beschlagnahmen darf, um den Namen eines Hinweisgebers herauszufinden (LG Bochum; Az.: 6 Qs 1/16).

Das Gericht vertritt die Meinung, dass der Anwalt sich nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen darf, weil der Hinweisgeber gar nicht in einem Mandantenverhältnis zu ihm steht. Der Ombudsmann wurde ja vom Unternehmen beauftragt. Ombudsmänner sollen als Frühwarnsystem dienen, um das Vermögen des Unternehmens zu schützen und das Risiko für die Geschäftsführung zu verringern, wegen einer Verletzung der Aufsichtspflicht selbst zu haften.

Anonymität
nach Urteil gefährdet
Doch mit dem Urteil werden solche internen Kontrollsysteme nun gefährdet. „Die Zusicherung der Anonymität gegenüber dem Hinweisgeber können Unternehmen oder Ombudsleute nach der Entscheidung des Landgerichts Bochum nicht mehr uneingeschränkt geben“, meint Daniel Kaiser, Fachanwalt für Strafrecht aus Düsseldorf.

Demgegenüber hält Rainer Frank, Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin, die Entscheidung für falsch. So würde kein Ombudsanwalt behaupten, ihm obliege eine anwaltliche Schweigepflicht gegenüber der Hinweisperson. „Die Schweigepflicht resultiert aus dem Anwaltsvertrag mit dem Auftraggeber, der wiederum auf sein Auskunftsrecht hinsichtlich der Daten zur Person von Hinweisgebern verzichtet“, so Frank, dessen Kanzlei selbst für Unternehmen einen Ombudsmannservice anbietet.

Neues Bafin-System: Vollkommen anonyme Kommunikation
Trotzdem hinterlässt das Urteil große Unsicherheit. Daher dürften sich Mitarbeiter von Versicherern bei schwerwiegenden Rechtsverstößen ihres Unternehmens wohl künftig eher direkt an die Aufsichtsbehörde wenden. Denn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) gerade zum Schutz von Whistleblower ein elektronisches Meldesystem eingerichtet. „Dieses System garantiert einerseits die absolute Anonymität des Hinweisgebers, ermöglicht es der BaFin aber andererseits, mit dem Hinweisgeber in Kontakt zu treten“, heißt es in einer Pressemitteilung der Bafin.

Das System soll die Zahl der Hinweise erhöhen. Es sollte immer dann eingesetzt werden, wenn Personen mit besonderem Wissen über Vorgänge bei Versicherern oder sonstigen Finanzdienstleistern aus Angst vor negativen Konsequenzen eigentlich keine Informationen geben wollen.

Offenlegung personenbezogener Daten anordnen

Eine technische Rückverfolgung der dort gemeldeten Hinweise ist laut Bafin unmöglich. Um eine Folgekommunikation zu gewährleisten, kann ein geschützter Postkasten eingerichtet werden. Hierüber könnten Rückfragen gestellt und Unklarheiten beseitigt werden. Während des gesamten Dialogs bleibe der Hinweisgeber anonym. Anders sieht es aus, wenn der Hinweisgeber seine Identität preisgibt. Denn bei einer Strafverfolgung darf die Bafin personenbezogene Daten weitergeben. Gerichte hätten zudem die Möglichkeit, die Offenlegung personenbezogener Daten anzuordnen.

Schon im alten System viele Meldungen

Grundsätzlich kümmert sich die Bafin nur um tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften. Der Begriff des Aufsichtsrechts sei aber umfassend zu verstehen. Mit der Weitergabe entsprechender Informationen leiste der Whistleblower einen wertvollen Beitrag dazu, das Fehlverhalten einzelner Personen oder ganzer Unternehmen innerhalb des Finanzsektors aufzudecken und die negativen Folgen einzudämmen oder zu korrigieren.

2016 hat die Bafin über die neue Hinweisgeberstelle insgesamt 124 Hinweise erhalten. Davon betrafen knapp die Hälfte mutmaßliche Verstöße von beaufsichtigten Instituten. Die übrigen Hinweise bezogen sich auf unerlaubte Geschäfte oder auf solche, bei denen die Bafin nicht zuständig ist. Bei zwei Hinweisen, die sich auf beaufsichtigte Institute beziehen, steht bereits fest, dass die Behörde neue Erkenntnisse erhalten hat, denen sie weiter nachgehen wird. Andere Hinweise würden noch ausgewertet.

Bild: © Frank Wagner / fotolia

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

Alle Branche News