Weniger Provision für mehr Arbeit?

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Die Europäische Union berät derzeit über die Delegierten Rechtsakte, mit denen wichtige Details zur Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) geregelt werden sollen. Dabei geht es auch um den Aufwand, den Vertreiber künftig haben werden. Eine aktuelle Umfrage dient der Transparenz über die derzeitigen Vergütungen.

Die Richtlinie IDD muss zwar national umgesetzt werden. Die entsprechende Vorarbeit hat die Bundesregierung mit seinem Umsetzungsgesetz geleistet, das sich in der parlamentarischen Beratung befindet. Aber parallel arbeitet die Europäische Kommission an den Delegierten Rechtsakten, mit denen Fragen insbesondere zum Produktgenehmigungsprozess sowie zu den Versicherungsanlageprodukten verbindlich geklärt werden sollen. Diese Delegierten Rechtsakte sind von den Versicherungsvertreibern - Versicherern wie Vermittlern - unmittelbar zu beachten.

Interessenkonflikte im Fokus

Nur zwei Beispiele zeigen die Brisanz, die in dieser zweiten Ebene europäische Rechtsetzung auch für Vermittler stecken kann. So soll zur Vermeidung von Interessenkonflikten bei Versicherungsanlageprodukten ein besonderes Augenmerk der Abschlussprovision gelten.

Die Europäische Versicherungsaufsichtsbehörde Eiopa, die am 1. Februar "Technische Ratschläge" für die Erstellung der Delegierten Rechtsakte nach Brüssel zu liefern hatte, nannte die Abschlussprovision als einen potenziellen Interessenkonflikt. Jedenfalls wenn ihr keine adäquate Stornohaftung gegenübersteht, stellt sie ein Problem dar, das dem Kunden sehr deutlich vor Augen geführt werden muss.

Regeln strahlen auf andere Produkte aus
Versicherer und Vermittler dürfen wohl davon ausgehen, dass solche Regeln, die am Ende in Leitlinien der Aufsichtsbehörden (dritte Ebene europäischer Rechtsetzung) ihren Niederschlag finden werden, keineswegs auf Versicherungsanlageprodukte beschränkt bleiben. Denn wie sinnvoll wäre es, neue Vergütungssysteme nur für einen Teil des Spektrums an Lebens- und Rentenversicherungen einzuführen? Man darf wohl davon ausgehen, dass Veränderungen an den Vergütungen und sonstigen Anreizen wenn, dann für alle vergleichbaren Versicherungen gelten dürften.

Denn sonst gäbe es das nächste Problem: Nach dem geplanten, neuen § 1a VVG müssen Versicherer und Vermittler bei ihrer Tätigkeit stets das bestmögliche Interesse des Kunden beachten. Wie sollte das aber sicherzustellen sein, wenn es beispielsweise für eine staatlich geförderte Lebensversicherung, die nicht als Versicherungsanlageprodukt gilt, eine einmalige Abschlussprovision, für eine exakt gleich aufgebaute, aber ungeförderte Lebensversicherung nur eine durchlaufende Vergütung oder gar den Zwang zur Berechnung eines Honorars gibt? Denn es muss bei weitem nicht immer dem "bestmöglichen Interesse" des Kunden entsprechen, eine geförderte Lebensversicherung angeboten zu bekommen.


Lobbyverbände ringen um Deutungshoheit

Das zweite Beispiel betrifft nichtkomplexe Versicherungsanlageprodukte. Bei ihnen darf der Vertrieb auf Kundenwunsch auch beratungsfrei organisiert werden ("Execution only"). Derzeit ringen die Lobbyverbände in Brüssel um die Frage, wer die Deutungshoheit über die Nichtkomplexität behält. Befürchtungen bestehen, dass im Prinzip alle Lebens- und Rentenversicherungen als komplex bezeichnet werden.

Die Folge wäre, dass immer eine ausführliche Befragung und Beratung durchzuführen ist. Wenn der Kunde keine ausreichenden Angaben macht, dann sind ausdrückliche Warnungen auszusprechen, dass das angebotene Produkt vielleicht gar nicht geeignet ist.

Komplex oder nichtkomplex, das ist die teure Frage
Gerade für den deutschen Markt interessant ist die Frage, ob klassische, deckungsstockgestützte Lebens- und Rentenversicherungen als nichtkomplex eingestuft werden können. Hierüber dürfte es zwischen Branche und Verbraucherschutz meilenweit unterschiedliche Ansichten geben. Klar ist aber, dass wohl kaum ein Produkt so sehr staatlich reguliert ist wie die Klassik. Eine weitere Verschärfung der Regulierung dürfte wohl zum endgültigen Todesstoß für diese bei den Deutschen überaus beliebten Produkten führen. Als Alternative stehen dann zunehmend hoch riskante Versicherungen zur Verfügung, bei denen das Anlagerisiko vollständig oder überwiegend auf den Kunden abgeladen wird. Ob das in seinem "bestmöglichen Interesse" ist?

Der Vertrieb von Lebens- und Rentenversicherungen wird in jedem Fall deutlich komplexer. Umso bitterer ist es für die Vermittler, wenn gleichzeitig auch die Vergütungen maßgeblich reduziert oder gar ganz gestrichen werden sollen.

Umfrage zu Provisionen und Courtagen

Eine aktuelle Umfrage von Willis Towers Watson, Versicherungsjournal und Fachhochschule Dortmund () will - zum wiederholten Mal - Transparenz schaffen über die Vergütungsvereinbarungen, die mit Vermittlern getroffen werden. Dabei geht es vor allem um die Frage, inwieweit das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) bereits nachteilige Änderungen an den Verdienstmöglichkeiten der Vermittler bewirkt hat.

Erstmals werden auch Faktoren erfragt, mit deren Hilfe die nominellen Provisionssätze faktisch abgesenkt werden - beispielsweise Laufzeitfaktoren zur Veränderung der Beitragssumme oder unverzinste Stornoreserven. Versicherungsvermittler unter den Leserinnen und Leser sind aufgerufen, sich an dieser Umfrage zu beteiligen. Die aggregierten Ergebnisse werden anschließend veröffentlicht.

Autor(en): Matthias Beenken

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