Die ideologisch geprägte Diskussion über Vor- und Nachteile der Vergütungssysteme Provision und Honorar geht an den eigentlichen Problemen vorbei.
Auch wenn die Wahlkampfforderung der Grünen nach einem Provisionsverbot und Ersatz durch eine Honorarberatung mit Honorarordnung nicht in den Koalitionsvertrag der Ampel gelangt ist, werden die Kritiker des Provisionssystems sicher nicht lockerlassen. Ihrer Ansicht nach werden Kunden provisionsgetrieben mit völlig falschen Versicherungs- und Finanzprodukten versorgt, dagegen würden sie per Honorarberatung zu ausgewogenen und bedarfsgerechten Lösungen gelangen.
Honorar für alle Arten von Versicherungen?
Dabei hatten die Grünen nicht einmal verraten, ob sie ernsthaft erwarten, dass Kunden für eine Beratung zur Privathaftpflicht- oder zur Kfz-Versicherung mehrere 100 Euro bezahlen möchten. Denn die Forderung zielte undifferenziert auf alle Versicherungs- und Finanzprodukte ab. Vermutlich war allerdings ähnlich wie in einigen europäischen Nachbarländern eher an die Lebensversicherung und die Kapitalanlage gedacht – aber der Platz im Wahlprogramm reichte nur für pauschale Verunglimpfungen der Vertriebsleistung der Branche.
Die Kunden jedenfalls spiegeln ein anderes Bild. Eine bevölkerungsrepräsentative Kundenbefragung mit 2.000 Teilnehmern zeigt ein hohes Maß an Zufriedenheit mit der Beratung, die die Befragten zuletzt erlebt haben. 85 Prozent der Befragten waren mit der inhaltlichen Qualität und 79 Prozent wie mit dem Umfang der Beratung sehr oder überwiegend zufrieden.
Jeder siebte Kunde hat Gebühren gezahlt
Von den Befragten hatten immerhin knapp 14 Prozent nach eigenen Angaben für ihre Beratung etwas bezahlen müssen. Der Median der gezahlten Beträge lag bei 80 Euro. Beim Median haben genau gleich viele Kunden mehr sowie weniger bezahlt. Die Spannbreite der Angaben lag zwischen fünf Euro und 5.000 Euro.
Ob es sich im Einzelfall tatsächlich um Beratungshonorare im engeren Sinn oder auch um andere Gebühren handelte, an die sich die Kunden erinnerten, kann man nicht sagen. Aber die Tatsache, dass sie sich an Gebühren erinnern, ist in diesem Zusammenhang wichtig. Denn das lässt Rückschlüsse darauf zu, welche Vergütungsarten Akzeptanz finden. Und das ist offenbar bei beiden Vergütungssystemen grundsätzlich der Fall.
Honorar macht die Kunden nicht zufriedener
Aber die Untersuchung zeigt, dass es eine Illusion ist zu glauben, die Kunden wären mit Honorar oder ähnlichen Gebühren besser beraten als gegen Provision. Die Zufriedenheit der befragten Kunden mit ihrer letzten Beratung hängt jedenfalls erkennbar nicht von der Tatsache ab, ob etwas gezahlt wurde für die Beratung oder nicht.
Die Zufriedenheit mit der inhaltlichen Qualität liegt mit 89 Prozent bei den Kunden mit und 86 Prozent bei denen ohne Bezahlung praktisch gleich auf. Hinsichtlich des Umfangs ist es sogar umgekehrt, hier sind mit 81 Prozent mehr Befragte ohne Bezahlung zufrieden als mit 78 Prozent bei denen, die Gebühren gezahlt haben.
Beratung führt zu Vermögensbildung
Entscheidender ist das Ergebnis der Beratungstätigkeit. Im sozialpolitischen Interesse einer Vermögensbildung und Vermeidung von Altersarmut in breiten Bevölkerungskreisen müsste es der Politik wichtig sein, dass die Bürgerinnen und Bürger vorsorgen. Und das grundsätzlich erst einmal unabhängig davon, ob es sich dabei im Einzelfall um Versicherungs- oder um (reine) Anlageprodukte handelt. Gleich ob das Altersvermögen am Ende mehrheitlich aus Rentenzahlungen, aus Aktien- und Fondsbesitz oder aus Einnahmen aus Immobilieneigentum stammt, die Alterssparer belasten die Gesellschaft und deren Finanziers, die Steuerzahler, wesentlich seltener mit Grundsicherungsleistungen.
Das wichtigste Ergebnis: Kunden, die sich beraten lassen, betreiben weit mehrheitlich Vermögensbildung und Vorsorge. Am ehesten ist das bei Kunden von Vermögens- und Finanzberatern der Fall. Nur knapp zwei Prozent derjenigen, die sich von dieser Art Vermittler beraten lassen, hat überhaupt keine Finanzprodukte im Portfolio. Aber auch sonst liegt die Quote der Nicht-Sparer nur bei um zehn Prozent Anteil, relativ am höchsten bei Verbraucherzentralen-Beratenen mit 16 Prozent. Offenbar reicht es nicht, nur Informationen über Finanzprodukte zu erhalten, wenn man sie dann doch selbst beschaffen muss.
Verteilung der Finanzprodukte variiert nach Vertriebsweg
Wenig überraschend, gibt es bei der Verteilung der Produkte im Portfolio unterschiedliche Schwerpunkte. Wer Versicherungen und Versicherungsvermittler als letzte Anlaufstelle für die Beratung nennt, hat zu knapp zwei Dritteln auch Lebens- oder Rentenversicherungen abgeschlossen, häufiger als bei den übrigen Beratungswegen. Interessanterweise setzen sogar Kunden, die auf den Rat einer Verbraucherzentrale hören, deutlich mehrheitlich auf Lebens- oder Rentenversicherungen.
Die von Verbraucherschutzorganisationen zumindest in der kostenreduzierten Form ETF besonders empfohlenen Fondsprodukte und Fondsparpläne sind im Portfolio der Kunden von Vermögens- und Finanzberatern relativ am häufigsten vertreten, dasselbe gilt für Direktinvestments in Aktien oder Aktiensparplänen. Die bei den reinen Honorarberatern Verbraucherzentrale beratenen Kunden sind in diesen beiden Bereichen signifikant schlechter versorgt.
Problemfall Selbstberatung
Am schlechtesten versorgt sind diejenigen Kunden, die nach eigenen Angaben auf externe Beratung verzichten und sich selbst über Vermögensbildung und Altersvorsorge informieren. Jeder Dritte von ihnen hat keine Finanzprodukte. Und das sind keineswegs nur einkommensschwache Menschen. Vielmehr liegt das Haushaltsnettoeinkommen dieser Gruppe mit durchschnittlich 2.600 Euro nicht auffallend unter dem Schnitt aller befragten Kunden (3.000 Euro) oder denjenigen, die von Sparkassen oder von Versicherungsunternehmen beraten werden (2.900 Euro).
Hierauf muss die Politik ein besonderes Augenmerk haben. Immerhin zehn Prozent Anteil haben diejenigen Kunden, die glauben, sie könnten sich selbst im Internet beraten und ihr Vermögen und ihre Alterssicherung ohne fremde Hilfe aufbauen. Hier droht am ehesten künftige Altersarmut. Und die ständige Diffamierung des Vergütungssystems Provision als vermeintliche Wurzel aller Übel trägt nicht zur Vertrauensbildung in Beratung bei. Davon profitieren auch die Verbraucherzentralen nicht, von denen sich nur 2,5 Prozent der Befragten haben beraten lassen.
Die vollständige Studie „Provisions- oder Honorarberatung – Was erwarten die Kunden“ können Sie hier herunterladen.
Autor(en): Matthias Beenken