Studien zeigen, die Wirtschaftsleistung sinkt durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine weltweit. Russland befindet sich schon in einer Rezession. Geringverdiener können schwerlich zum Sparen gezwungen werden. Viele Menschen in Deutschland möchten vorzeitig in Rente gehen.
Die Weltwirtschaft erhält durch den Ukraine-Konflikt einen erheblichen Dämpfer und Insolvenzen steigen, insbesondere in Europa. Das geht aus der Studie „Economic Outlook: Energy, Trade and Financial Shockwaves“, hervor, die Allianz Research für seinen Kreditversicherer Euler Hermes erstellt hat. Nach Einschätzung des Kreditversicherers wird der Welthandel durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine um rund zwei Prozentpunkte auf ein Plus von vier Prozent sinken.
Die Weltwirtschaft dürfte mit einem Minus von 0,8 Prozentpunkte betroffen sein und nur noch um 3,3 Prozent steigen. Noch deutlicher ist Deutschland betroffen. Die Prognose für 2022 wurde vom weltweit größten Kreditversicherer um 1,4 Prozentpunkte nach unten gesenkt. Damit legt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland in diesem Jahr nur noch um 1,8 Prozent zu. Gleichzeitig dürften die Unternehmensinsolvenzen steigen.
Russland schon in Rezession
Für Deutschland erwartet Euler Hermes ein Plus von vier Prozent, für Europa sogar von 23 Prozent. Sollte der Krieg eskalieren, könnte es nach Einschätzung von Ludovic Subran, Chefvolkswirt von Allianz und Euler Hermes, 2023 zu einer Rezession für die gesamte Weltwirtschaft kommen. Aktuell sind vor allem Exporteure in Zentral- und Osteuropa wohl von herben Einbußen betroffen. Zudem geraten laut Subran in einigen Branchen erneut Lieferketten, wie schon in der Corona-Krise, unter großen Druck. Betroffen sind durch die Umleitung von Frachtschiffen und hohe Energiepreisen auch die Lieferketten aus Fernost. Eine zusätzliche Belastung geht von strikten Covid-Maßnahmen in China aus, die zu Produktionsunterbrechungen und zeitweiligen Schließungen von einzelnen Häfen führen.
Russland befindet sich nach Einschätzung von Euler Hermes bereits durch die Kriegssanktionen in einer Rezession. Das Minus beim BIP liegt bei acht Prozent. „Bei einer weiteren Eskalation dürfte die Wirtschaftsleistung sogar um 16 Prozent schrumpfen“, so die Studie. Für den Welthandel insgesamt sei Russland zwar nicht systemrelevant, in einigen Bereichen dürften die jüngsten Entwicklungen dennoch spürbare Schockwellen auslösen. „Wir gehen davon aus, dass die Fiskalpolitik in nächster Zeit weiterhin eine wichtige Rolle spielen und die Auswirkungen der höheren Energiepreise auf die Inflation und das verfügbare Einkommen der Verbraucher teilweise abmildern wird“, schreiben die Autoren der Studie.
Weniger Einkommen für alle
Unter dem Strich dürften aber alle Verbraucher in Europa durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine ein geringeres Haushaltsbudget zur Verfügung haben. Sparen, auch für die Zukunft – also die Altersvorsorge – wird daher noch viel schwieriger. Schon heute können viele Menschen nicht zusätzlich für ihre Rente vorsorgen. Das zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA), die untersucht hat, welche Einkommensschichten aktienbasierte Geldanlagen haben. Befragt wurden 1.000 Bürger. Die Studie „DIVA Sonderauswertung Geringerverdienende und Aktien“ kommt zum Schluss, dass Geringverdiener - also Haushalte mit vergleichsweise niedrigen Einkommen von weniger als 1.800 Euro netto pro Monat - keine Mittel für ergänzende eigene Vorsorge haben.
Die Idee der Ampelkoalition, die Bürger beispielsweise mit einem Obligatorium zusätzlich zu den Beiträgen zur gesetzlichen Rente zum Aktiensparen zu zwingen, gehe daher an Geringverdienenden vorbei. „Einem Bürger in die leeren Taschen zu greifen, wird wohl auf wenig Verständnis bei den Betroffenen stoßen. Den Bürgern fehlt nicht der Zugang zum Kapitalmarkt, sondern schlicht das notwendige Geld“, stellt Professor Michael Heuser, wissenschaftlicher Direktor des DIVA, fest.
Viele Menschen möchten früher in Rente
Ihre größten Lebensträume dürften viele Menschen in Deutschland wohl in der nächsten Zeit zurückstellen müssen. So wünschen sich nach einer Yougov Untersuchung im Auftrag der Swiss Life Select, die vor Ausbruch des Krieges durchgeführt wurde, die meisten Menschen in Deutschland Gesundheit (49 Prozent), viele Reisen (36 Prozent) und finanzielle Unabhängigkeit (35 Prozent). Befragt wurden im Januar zu ihren Träumen 2.000 Menschen. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren. Laut Stefan Kuehl, Geschäftsführer bei Swiss Life Select, würde nur ein „kleiner Teil“ der befragten Personen glauben, dass die gesetzliche Rente im Alter ausreicht, um den gewünschten Lebensstandard zu halten. Wie hoch der Anteil genau ist, bleibt aber unklar, da die gesamten Studienergebnisse von dem als Versicherungsvertreter zugelassenen Finanzvermittler nicht veröffentlicht werden.
Immerhin wäre 72 Prozent der Befragten klar, dass sie zusätzlich vorsorgen müssten. Im Durchschnitt möchten die Menschen im Ruhestand noch 77 Prozent ihres Nettoeinkommens zur Verfügung haben. Dabei wollen 64 Prozent vor dem gesetzlichen Renteneintrittsalter in Rente gehen. Rund 40 Prozent der befragten Personen halten das Alter zwischen 60 und 65 Jahren für einen idealen Zeitpunkt, um aus dem aktiven Erwerbsleben auszuscheiden.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek