Erwerbstätige sollten idealerweise eine ausreichende Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen. Kommt diese aber aus verschiedenen Gründen nicht in Frage, sollte es wenigstens eine bedarfsgerechte Unfallversicherung sein.
Branchenexperten und Verbraucherschützer sind sich nicht immer einig. In einem Punkt aber doch: Neben der Privathaftpflicht- wird auch die Berufsunfähigkeitsversicherung regelmäßig einhellig als äußerst wichtig bezeichnet. Das gilt für alle Erwerbstätigen, ganz gleich ob angestellt oder selbstständig tätig.
Erhebliche Versorgungslücke bei Berufsunfähigkeit
Die gesetzliche Rentenversicherung leistet nur noch für immer weniger werdende, ältere Versicherte (vor 1. Januar 1961 geboren) eine Berufsunfähigkeitsrente. Alle jüngeren Versicherten haben maximal Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente, die unter erheblich ungünstigeren Voraussetzungen zum Tragen kommt. Sie hängt allein vom Umfang einer theoretisch möglichen Tagesarbeitszeit ab, ganz gleich in welchem Beruf.
Selbstständige sind bis auf wenige Pflichtversicherte gar nicht durch gesetzliche Erwerbsminderungsrenten geschützt, wenn sie ihre Erwerbsfähigkeit krankheits- oder unfallbedingt dauerhaft verlieren.
"Alles oder nichts"-Prinzip hemmt den Verkauf
Der gute Rat eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen verfängt bisher wenig. Nur rund jeder vierte Haushalt hat eine solche Versicherung abgeschlossen. Die Gründe sind vielfältig. Personen mit Vorerkrankungen sowie in körperlich belastenden Berufen sind oft nicht oder nicht zu vertretbaren Konditionen versicherbar.
Viele Kunden sehen aber auch die Notwendigkeit nicht ein, für eine bedarfsdeckende Berufsunfähigkeitsversicherung einen durchaus höheren Konsumverzicht zu üben. Denn die eingezahlten Prämien sind bei Ausbleiben einer Berufsunfähigkeit gefühlt "verloren". Das "Alles oder nichts"-Prinzip missfällt vielen Betroffenen.
Homo oeconomicus gibt es nur in der Theorie
Die unter verhaltenswissenschaftlichen Gesichtspunkten hilfreiche Kombination mit einer Sparleistung - zum Beispiel eine Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitsrente - wird von Verbraucherschützern seit Jahren schlechtgeredet. Verbraucherschützer hängen anscheinend einem Bild des "Homo oeconomicus" an, wonach sich Menschen im Wirtschaftsleben rein rational verhalten. Wirtschaftswissenschaftler diskutieren schon seit bald 100 Jahren, dass es diesen Menschentyp in der Realität nicht gibt, und dass wirtschaftliche Entscheidungen zwar irrational, aber trotzdem sinnvoll sein können.
Wenn keine Berufsunfähigkeitsversicherung möglich oder erwünscht ist, kommen Funktionsinvaliditätsdeckungen in Frage. Hier hat der Versicherungsmarkt in den vergangenen Jahren eine interessante Vielfalt an Lösungen entwickelt. Wenn aber selbst das nicht gewünscht wird, sollte zumindest eine bedarfsdeckende Unfallversicherung vorliegen.
Faustformeln für die Versicherungssumme veraltet
Um eine Bedarfsdeckung zu erreichen, verwendet die Praxis gerne tradierte Faustformeln. In einem aktuellen Fachbeitrag wird beispielsweise angegeben, man solle abhängig vom Alter der versicherten Person das zwischen Dreifache und Siebenfache des Bruttojahreseinkommens als Grundinvaliditätssumme festlegen, die sich unter Umständen durch eine Progressionsstaffel erhöhen kann. Das Dreifache würde bei 60-Jährigen passen, das Siebenfache bei 20-Jährigen.
Solche Faustformeln stammen aus Zeiten, als es noch nennenswert hohe Zinsen gab, mit denen eine Unfall-Invaliditätsleistung angelegt werden konnte, um sie allmählich zu verzehren. Auch unterschätzen sie zwei Faktoren. Zum einen besteht der finanzielle Schaden eines unfallbedingten Verlusts der Arbeitsfähigkeit nicht nur im entgehenden Arbeitseinkommen. Vielmehr schmälert dies auch die spätere Altersrente. Zum anderen geht die Arbeitsfähigkeit vielfach schon deutlich unter 100 Prozent Unfallinvaliditätsgrad verloren.
Die Faustformeln unterstellen aber oft, dass diese 100 Prozent erreicht werden. So ist beispielsweise der Verlust eines Beins für einen Außendienstmitarbeiter verheerend, nach den klassischen Gliedertaxen aber gerade einmal 70 Prozent Unfallinvalidität "wert".
Beispiel
Ein Beispiel: Ein 30-jähriger Kunde mit 40.000 Euro Bruttojahreseinkommen würde nach einer solchen Faustformel das Sechsfache und damit 240.000 Euro Invaliditätssumme empfohlen erhalten. Seine Versorgungslücke liegt bei schätzungsweise rund 24.000 Euro Jahresnettoeinkommen.
Verliert dieser Versicherte aber schon bei 70 Prozent Invaliditätsgrad seinen Job, bekäme er bei einer Unfall-Invaliditätssumme ohne Mehrleistung oder Progression 240.000 Euro x 70 Prozent = 168.000 Euro ausgezahlt. Wenn man Zinsen einmal ganz außen vor lässt, dann kann dieser Versicherte mit den 168.000 Euro gerade einmal sieben Jahre lang sein Nettoeinkommen vollständig ersetzen. Selbst wenn die oben genannte Grundinvaliditätssumme mit einer 500-prozentigen Progression verbunden würde, erhielte der Versicherte bei 70 Prozent Invaliditätsgrad nur rund 370.000 Euro. Die decken den Einkommensverlust von gut 15 Jahren ab. Dass die Faustformel zu keiner bedarfsdeckenden Empfehlung führt, liegt auf der Hand.
Excel-Rechner zum Download
Deshalb sollte die Ermittlung einer bedarfsgerechten Unfallinvaliditätssumme erstens auf finanzmathematischen Berechnungen basieren, bei denen die Verzinsung, aber auch die Inflation eine Rolle spielen. Hier kann man naturgemäß nur Prognosen für die Zukunft treffen, aber bei einer regelmäßigen Betreuung des Kunden kann die Berechnung in größeren Abständen überprüft und bei Bedarf die Summe angepasst werden.
Zweitens sollte die voraussichtliche Restarbeitszeit ebenso einfließen wie ein zumindest überschlägig ermittelter Aufschlag, um eine spätere Rentenkürzung ausgleichen zu können.
Drittens sollte mit dem Kunden gemeinsam überlegt werden, ab welchem Invaliditätsgrad ein Verlust der Arbeitsfähigkeit zu erwarten ist. Die Grund-Invaliditätssumme muss entsprechend hoch angesetzt werden. Viertens kann überlegt werden, ob und wie stark die Grund-Invaliditätssumme sinken kann, wenn Mehrleistungs- oder Progressionsvereinbarungen einbezogen werden.
Versicherungsmagazin stellt allen Leserinnen und Lesern einen Excel-Rechner zur Verfügung (), mit dem sie für eigene, nichtkommerzielle Zwecke Berechnungen zur benötigten Unfall-Invaliditätssumme durchführen können. Dabei werden die zuvor genannten Parameter berücksichtigt.
Bild: © Lazare/ iStock.com
Branchenexperten und Verbraucherschützer sind sich nicht immer einig. In einem Punkt aber doch: Neben der Privathaftpflicht- wird auch die Berufsunfähigkeitsversicherung regelmäßig einhellig als äußerst wichtig bezeichnet. Das gilt für alle Erwerbstätigen, ganz gleich ob angestellt oder selbstständig tätig.
Erhebliche Versorgungslücke bei Berufsunfähigkeit
Die gesetzliche Rentenversicherung leistet nur noch für immer weniger werdende, ältere Versicherte (vor 1. Januar 1961 geboren) eine Berufsunfähigkeitsrente. Alle jüngeren Versicherten haben maximal Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente, die unter erheblich ungünstigeren Voraussetzungen zum Tragen kommt. Sie hängt allein vom Umfang einer theoretisch möglichen Tagesarbeitszeit ab, ganz gleich in welchem Beruf.
Selbstständige sind bis auf wenige Pflichtversicherte gar nicht durch gesetzliche Erwerbsminderungsrenten geschützt, wenn sie ihre Erwerbsfähigkeit krankheits- oder unfallbedingt dauerhaft verlieren.
"Alles oder nichts"-Prinzip hemmt den Verkauf
Der gute Rat eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen verfängt bisher wenig. Nur rund jeder vierte Haushalt hat eine solche Versicherung abgeschlossen. Die Gründe sind vielfältig. Personen mit Vorerkrankungen sowie in körperlich belastenden Berufen sind oft nicht oder nicht zu vertretbaren Konditionen versicherbar.
Viele Kunden sehen aber auch die Notwendigkeit nicht ein, für eine bedarfsdeckende Berufsunfähigkeitsversicherung einen durchaus höheren Konsumverzicht zu üben. Denn die eingezahlten Prämien sind bei Ausbleiben einer Berufsunfähigkeit gefühlt "verloren". Das "Alles oder nichts"-Prinzip missfällt vielen Betroffenen.
Homo oeconomicus gibt es nur in der Theorie
Die unter verhaltenswissenschaftlichen Gesichtspunkten hilfreiche Kombination mit einer Sparleistung - zum Beispiel eine Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitsrente - wird von Verbraucherschützern seit Jahren schlechtgeredet. Verbraucherschützer hängen anscheinend einem Bild des "Homo oeconomicus" an, wonach sich Menschen im Wirtschaftsleben rein rational verhalten. Wirtschaftswissenschaftler diskutieren schon seit bald 100 Jahren, dass es diesen Menschentyp in der Realität nicht gibt, und dass wirtschaftliche Entscheidungen zwar irrational, aber trotzdem sinnvoll sein können.
Wenn keine Berufsunfähigkeitsversicherung möglich oder erwünscht ist, kommen Funktionsinvaliditätsdeckungen in Frage. Hier hat der Versicherungsmarkt in den vergangenen Jahren eine interessante Vielfalt an Lösungen entwickelt. Wenn aber selbst das nicht gewünscht wird, sollte zumindest eine bedarfsdeckende Unfallversicherung vorliegen.
Faustformeln für die Versicherungssumme veraltet
Um eine Bedarfsdeckung zu erreichen, verwendet die Praxis gerne tradierte Faustformeln. In einem aktuellen Fachbeitrag wird beispielsweise angegeben, man solle abhängig vom Alter der versicherten Person das zwischen Dreifache und Siebenfache des Bruttojahreseinkommens als Grundinvaliditätssumme festlegen, die sich unter Umständen durch eine Progressionsstaffel erhöhen kann. Das Dreifache würde bei 60-Jährigen passen, das Siebenfache bei 20-Jährigen.
Solche Faustformeln stammen aus Zeiten, als es noch nennenswert hohe Zinsen gab, mit denen eine Unfall-Invaliditätsleistung angelegt werden konnte, um sie allmählich zu verzehren. Auch unterschätzen sie zwei Faktoren. Zum einen besteht der finanzielle Schaden eines unfallbedingten Verlusts der Arbeitsfähigkeit nicht nur im entgehenden Arbeitseinkommen. Vielmehr schmälert dies auch die spätere Altersrente. Zum anderen geht die Arbeitsfähigkeit vielfach schon deutlich unter 100 Prozent Unfallinvaliditätsgrad verloren.
Die Faustformeln unterstellen aber oft, dass diese 100 Prozent erreicht werden. So ist beispielsweise der Verlust eines Beins für einen Außendienstmitarbeiter verheerend, nach den klassischen Gliedertaxen aber gerade einmal 70 Prozent Unfallinvalidität "wert".
Beispiel
Ein Beispiel: Ein 30-jähriger Kunde mit 40.000 Euro Bruttojahreseinkommen würde nach einer solchen Faustformel das Sechsfache und damit 240.000 Euro Invaliditätssumme empfohlen erhalten. Seine Versorgungslücke liegt bei schätzungsweise rund 24.000 Euro Jahresnettoeinkommen.
Verliert dieser Versicherte aber schon bei 70 Prozent Invaliditätsgrad seinen Job, bekäme er bei einer Unfall-Invaliditätssumme ohne Mehrleistung oder Progression 240.000 Euro x 70 Prozent = 168.000 Euro ausgezahlt. Wenn man Zinsen einmal ganz außen vor lässt, dann kann dieser Versicherte mit den 168.000 Euro gerade einmal sieben Jahre lang sein Nettoeinkommen vollständig ersetzen. Selbst wenn die oben genannte Grundinvaliditätssumme mit einer 500-prozentigen Progression verbunden würde, erhielte der Versicherte bei 70 Prozent Invaliditätsgrad nur rund 370.000 Euro. Die decken den Einkommensverlust von gut 15 Jahren ab. Dass die Faustformel zu keiner bedarfsdeckenden Empfehlung führt, liegt auf der Hand.
Excel-Rechner zum Download
Deshalb sollte die Ermittlung einer bedarfsgerechten Unfallinvaliditätssumme erstens auf finanzmathematischen Berechnungen basieren, bei denen die Verzinsung, aber auch die Inflation eine Rolle spielen. Hier kann man naturgemäß nur Prognosen für die Zukunft treffen, aber bei einer regelmäßigen Betreuung des Kunden kann die Berechnung in größeren Abständen überprüft und bei Bedarf die Summe angepasst werden.
Zweitens sollte die voraussichtliche Restarbeitszeit ebenso einfließen wie ein zumindest überschlägig ermittelter Aufschlag, um eine spätere Rentenkürzung ausgleichen zu können.
Drittens sollte mit dem Kunden gemeinsam überlegt werden, ab welchem Invaliditätsgrad ein Verlust der Arbeitsfähigkeit zu erwarten ist. Die Grund-Invaliditätssumme muss entsprechend hoch angesetzt werden. Viertens kann überlegt werden, ob und wie stark die Grund-Invaliditätssumme sinken kann, wenn Mehrleistungs- oder Progressionsvereinbarungen einbezogen werden.
Versicherungsmagazin stellt allen Leserinnen und Lesern einen Excel-Rechner zur Verfügung (), mit dem sie für eigene, nichtkommerzielle Zwecke Berechnungen zur benötigten Unfall-Invaliditätssumme durchführen können. Dabei werden die zuvor genannten Parameter berücksichtigt.
Bild: © Lazare/ iStock.com
Autor(en): versicherungsmagazin.de