Sanktionen und Embargos für den Export bestimmter Technologien in bestimmte Länder sind Beispiele für wirtschafts- und außenpolitische Ziele, um anderen Staaten zu schaden. Etwa bei Menschenrechtsverletzungen oder im Kriegsfall.
Nun hat das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel berechnet, mit welchen wirtschaftspolitischen Maßnahmen beziehungsweise Handelssanktionen der Westen die russische Wirtschaft im Krieg gegen die Ukraine am härtesten trifft. Demzufolge soll ein Handelsstopp mit Gas durchaus spürbare Konsequenzen für die russische Wirtschaftsleistung haben und könnte für einen Einbruch von rund drei Prozent sorgen.
Deutschland könnte von Gasembargo profitieren
Auch ein Handelsembargo beim Öl hat den IfW-Berechnungen zufolge einen Einbruch von mehr als einem Prozent der russischen Wirtschaftsleistung als Auswirkung. Im Gegenzug blieben die wirtschaftlichen Schäden für Deutschland und die Europäische Union aber vergleichsweise gering.
Laut der Simulationsrechnungen im Handelsmodell KITE profitiert Deutschlands Bruttoinlandsprodukt (BIP) von einem Gasembargo sogar leicht und wächst um 0,1 Prozent. Auch das EU-BIP könnte minimal steigen. Als Begründung für diese positive Entwicklung nennt das IfW mögliche Gasimporte von Bündnispartnern als Ersatz, bei denen Deutschland besonders wettbewerbsfähig sei. Denn die Bundesrepublik habe bei der energieintensiven Produktion und Verarbeitung von Metallen einen Kostenvorteil, weil der Energiemix nur zu geringen Teilen auf russisches Gas zurückgreife.
Handelssperren greifen direkt in Außenwirtschaft ein
Bei Handelsbeschränkungen beim Öl ist der Fall ein bisschen anders gelagert. Während Russlands Wirtschaftsleistung um 1,2 Prozent sinkt, geht laut IfW die Deutschlands und der EU um jeweils 0,1 Prozent zurück. Ein Embargo für Maschinen und Maschinenteile lässt Russlands Wirtschaft voraussichtlich aber nur um 0,5 Prozent schrumpfen, eine Handelssperre auf Fahrzeuge und Fahrzeugteile nur um 0,3 Prozent. Für Deutschland und die EU haben beide Maßnahmen nur marginale negative Effekte.
Handelssperren stellen als nicht marktkonforme Instrumente "direkte, dirigistische Eingriffe in außenwirtschaftliche Prozesse dar. Zu ihnen gehören im Warenhandel Verbote oder Mengenbeschränkungen (Kontingente) von Exporten oder Importen", erklärt Springer-Autor Andreas Forner im Buch "Volkswirtschaftslehre".
AWG ist der Rahmen der deutschen Außenwirtschaftspolitik
Der gesetzliche Rahmen, der für die deutsche Außenwirtschaftspolitik dabei maßgeblich ist, ist das Außenwirtschaftsgesetz (AWG), so Former weiter. "In ihm sind grundsätzlich liberale Elemente mit Lenkungsmechanismen verbunden". Wörtlich heißt es im AWG:
"Der Güter-, Dienstleistungs-, Kapital-, Zahlungs- und sonstige Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland sowie der Verkehr mit Auslandswerten und Gold zwischen Inländern (Außenwirtschaftsverkehr) ist grundsätzlich frei. Er unterliegt den Einschränkungen, die auf Grund dieses Gesetzes vorgeschrieben werden."
Hendrik Mahlkow, Handelsforscher am IfW Kiel, der die Berechnungen durchführte, verweist auf die mittelfristigen wirtschaftlichen Folgen von Handelsembargos, die "Russland sehr viel härter" treffen als die westlichen Verbündeten. Vor diesem Hintergrund sind seiner Ansicht nach Russlands Drohungen, Gas- und Öl-Lieferungen einzustellen, "wenig glaubhaft". Gleichzeitig sei aber der Stopp von Nord Stream 2 durch die Bundesregierung nachvollziehbar, um Russlands geopolitische Position nicht noch weiter zu stärken.
Ein weiteres monetäres Instrument für Sanktionen ist Devisenbeschränkung, erklärt Forner. Mit der Devisenbeschränkung werde versucht, der Tendenz einer chronisch defizitären Zahlungsbilanz entgegenzuwirken, führt der Volkswirtschaftler weiter aus.
Russlands Kapitalverkehr behindern
Daneben gebe es noch die Methode, in den Kapitalverkehr zwischen Inland und Ausland einzugreifen, um spekulative Zuflüsse oder Abflüsse von Devisen abzuwehren. Um dieses Ziel zu erreichen, werde der Erwerb inländischer Wertpapiere durch Ausländer, die Kreditaufnahme von Inländern im Ausland oder die Führung ausländischer Konten bei inländischen Kreditinstituten beschränkt.
Aktuell setzt die EU darauf, dass Russland kein Geld mehr ausleihen und auch kein Geld mehr verleihen kann. Zudem soll die Refinanzierung von russischen Staatsunternehmen in der EU blockiert werden. Russische Aktien können dann zudem nicht mehr in der EU gehandelt werden.
Schärfste Waffe bleibt noch im Köcher
Die schärfste Waffe hat die EU dabei allerdings noch nicht gezückt: den Ausschluss aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift. Dadurch wären die russischen Finanzinstitute quasi vom globalen Finanzsystem ausgeschlossen. Einige Länderchefs halten diese Maßnahme zum jetzigen Zeitpunkt aus strategischen Gründen nicht für angebracht. Andere fürchten, die Aussetzung von Swift treffe weniger die Russische Föderation als vielmehr die Europäische Union.
Fazit: Die EU-Sanktionen gegen Russland sind nach Einschätzung vieler Experten zwar durchaus ein wirksames Instrument, allerdings eines, das eher mittel- bis langfristig greifen wird. Den aktuellen kriegerischen Akt Putins in der Ukraine stoppt das EU-Sanktionspaket aber nicht. So twitterte Litauens Ex-Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite: "Sanktionen werden den Angreifer nicht aufhalten, sondern nur bestrafen. Kriegsverbrecher konnten nur auf dem Schlachtfeld gestoppt werden".
Autor(en): Andrea Amerland