Warum wird die Vermittlerrichtlinie nicht pünktlich umgesetzt?

Der Zeitplan ist gescheitert. Zunächst hieß es, die Kriterien zur Umsetzung der „Richtlinie über Versicherungsvermittlung 2002/92 EG (VVR)“ sind zu komplex, um in einem einzigen Anlauf komplett bis 15. Januar 2005 realisiert zu werden. Nach Plänen einer Zweiteilung mit schrittweiser Umsetzung steht nun fest, dass der Januar-Termin im nächsten Jahr auch für das Vorschaltgesetz nicht eingehalten werden kann.

Von der definitiven Terminverschiebung erfuhren Fachwelt und Verbände zuletzt bei der Jubiläums-Konferenz des Versicherungsmagazins in der vergangenen Woche, als es um „Trends und Chancen im Versicherungsbetrieb“ ging. Während einer Podiumsdiskussion mit hochkarätigen Teilnehmern begründete Ministerialrat Ulrich Schönleiter vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) das Scheitern des gesetzten Zeitplans mit dem „Widerstand der Bundesländer“. Probleme mit der EU und mögliche Strafgelder könnten jedoch weitgehend abgewendet werden.

Der Verhandlungs- und Abstimmungsmarathon dauert an. Nach Schönleiters Angaben könne der erste Teil der Umsetzungs-Kriterien frühestens bis zum späten Frühjahr 2005 die einzelnen Instanzen passieren. Denn erst im Oktober 2004 sei mit der Fertigstellung des Referenten-Entwurfs zu rechnen, der dann Ende November im Kabinett beraten werden könne. Nicht vor Ende Januar 2005 könne sich der Bundestag der Thematik annehmen. Danach folge die Vorlage im Bundesrat, weil die Umsetzung der Vermittlerrichtlinie in nationales Recht zustimmungspflichtig ist. Wenn alles ohne Zwischenfälle vor sich gehe, könne dann eventuell Ende Frühjahr 2005 das Vorschaltgesetz den Bundestag passieren. Mit Teil II der Vermittlerrichtlinie rechnet Ministerialrat Schönleiter „eventuell Ende 2005, ich kann mich hier aber nicht endgültig festlegen“.

Einer der Knackpunkte, die den Zeitplan zum Kippen brachten, ist nach Schönleiters Aussagen die Einrichtung eines zentralen Registers für Versicherungsvermittler als Berufszugangsstelle. Die Registrierungs-Maßnahmen sollen nach seinen Vorstellungen von den 7.400 Gewerbeämtern in Deutschland erfüllt werden. Doch hier gebe es auf Länderebene noch Widerstände – bis hin zu personellen und technischen Problemen, weil einheitliche Datenverarbeitungs-Kriterien geschaffen werden müssen. Schönleiter geht von 500.000 Vermittlern aus, die „in einem Rutsch“ registriert werden müssen („Wir unterscheiden nicht nach Haupt- und Nebenberuflern. Mitarbeiter der großen Strukturvertriebe sind ungebundene Vermittler, ebenso wie die Versicherungsmakler“.)

Unverständlich die Register-Problematik für die Branche und die Podiumsdiskussionsteilnehmer, zu denen neben Ulrich Schönleiter auch BVK-Präsident Michael H. Heinz, VDVM-Geschäftsführer Dr. Hans-Georg Jenssen, ivm-Vorsitzender Ludger Sandkühler und Rechtsanwalt Boris Kramer von der Kanzlei Dr. Nickel zählten. Immerhin existiert seit Jahren eine Art Zentralregister, das der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Kooperation initiiert haben. Meldungen von dort gehen an die zentrale Auskunftsstelle über Versicherungs-/Bausparkassenaußendienst und Versicherungsmakler in Deutschland e.V. (AVAD), die schon seit 1948 das Gros der aktiven Versicherungsvermittler erfasst. Warum sollte das Zentralregister nicht hier installiert werden? Dazu Schönleiter: „Die Berufszugangsstelle darf nicht durch einen Berufsverband vorgenommen werden. Diese Aufgabe muss eine staatliche Stelle übernehmen.“ Das Erlaubnisverfahren koste Geld und werde bei den Gewerbeämtern sicherlich kostengünstiger geregelt werden, als es der GDV und andere Verbände bewerkstelligen könnten.

Mit der späteren Umsetzung der Richtlinie laufen deutsche Makler/Vermittler Gefahr, im Ausland ihrer Geschäftstätigkeit nachgehen zu können. Denn ab 15. Januar 2005 darf nur der Versicherungen verkaufen, der die Kriterien der EU-Vermittlerrichtlinie erfüllt. Schönleiter berichtete, dass sich deshalb das Bundeswirtschaftsministerium um bilaterale Abkommen mit anderen EU-Staaten bemühe, damit in der Übergangszeit das Vermittlungsgeschäft im Ausland weiterhin rechtens sei.

Kopfzerbrechen bereitet der Fachwelt, weshalb so wichtige Punkte wie die Sachkundeprüfung und Qualifikationsanforderungen erst im zweiten Anlauf die Vermittlerrichtlinien-Gesetzgebung passieren sollen. Bekannt ist, dass die Gewerbeordnung § 34 d geändert werden muss, wo die Berufs-Zugangsvoraussetzung der Vermittler geregelt wird. Die einzelnen Unterpunkte
  • Sachkundeprüfung,
  • guter Leumund und
  • geordnete Vermögensverhältnisse

sollen erst im zweiten Gesetz festgeschrieben werden.

Gerade was die Sachkundeprüfung und Qualifizierung angeht, haben die unterschiedlichen Verbände unterschiedliche Ansprüche. Während Michael Heinz den Standpunkt vertritt, dass – schon allein wegen der Transparenz gegenüber den Verbrauchern – alle Vermittler über die gleiche Ausgangs-Qualifizierung verfügen sollten („Wer hier mitspielen möchte, muss dieselben Eingangsvoraussetzungen besitzen!“), fordert Hans-Georg Jenssen für die Versicherungsmakler eine höhere Qualifizierung als Unterscheidungsmerkmal.

Dem trat Schönleiter entschieden entgegen: „Man muss sich immer wieder bewusst machen, wie die Ausgangsposition ist. Jetzt wird erstmals eine Basis-Regel für die Berufsausübung der Vermittler geschaffen. Wenn bestimmte Verbände mehr möchten, müssen sie das selbst initiieren.“

Für Rechtsanwalt Boris Kramer, der mit der Kanzlei Dr. Nickel schon mehrfach erfolgreich für Vermittler vor Gericht Recht erstritten hat, ist bislang „viel zu wenig Praxis in das Gesetzesvorhaben eingeflossen". „Die Beratung soll qualifiziert werden. Der eigentliche Verstoß und was zu tun ist, wird nicht benannt“.

Thomas Krämer, Geschäftsführer Außendienst-Ausbildung des Münchner Berufsbildungswerkes, ergänzte zur Diskussion um die Sachkundeprüfung: „Alle Verbände der Versicherungswirtschaft wollen eine bundesweite einheitliche Vermittlerprüfung. Anstatt nach Ausnahmeregelungen und Ergänzungen zu suchen, sollten wir es doch erst einmal mit Ausbildung versuchen“. Er plädierte für die Sachkundeprüfung auch für ungebundene Vermittler.

Autor(en): Ellen Bocquel

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