Allmählich fangen selbst viele Brancheninsider an zu glauben, was manche Verbraucherschützer penetrant verbreiten: Klassische Rentenversicherungen würden sich nicht mehr lohnen. Die beiden Haupteinwände: Die Verträge sind intransparent und die Rendite stimmt nicht mehr.
Transparenz gestiegen
Gegen die Intransparenz ist viel unternommen worden. Mit der VVG-Reform wurde der detaillierte Ausweis der Abschlusskosten eingeführt, der bei Klassikverträgen sogar viel präziser erfolgt als bei vielen fondsgebundenen Verträgen, bei denen die entstehenden Kosten oft nur umständlich in Relation zu noch gar nicht feststehenden Vertragswerten bezeichnet werden.
Mit dem Lebensversicherungsreformgesetz wurden diese Informationen nachgeschärft und der exakte Ausweis der Verwaltungskosten sowie eine Renditeminderungskennziffer eingeführt. Auch wenn an der Uneinheitlichkeit der Berechnung der Renditeminderung Kritik geübt werden kann, die übrigens den Gesetzgeber und weniger die Branche trifft, der keine konkrete Vorgaben gemacht hat, so ist doch die Transparenz inzwischen hoch.
Was heißt denn Rendite im Rentenfall?
Der Einwand geringer Rendite ist dafür völlig irreführend. Rendite bedeutet, dass ein Vertrag höhere Rückflüsse erbringt, als vorher investiert wurde. Bei einer Rentenversicherung wird die Rendite von jedem Versicherten ganz individuell selbst bestimmt: nämlich dadurch, dass er möglichst spät verstirbt. Damit ist es im Voraus gar nicht möglich, eine individuelle Vertragsrendite zu ermitteln. Bei der Entscheidung für oder gegen den Aufbau einer Altersvorsorge mit einer Rentenversicherung hilft das Kriterium Rendite überhaupt nicht.
Einschlägige Renditevergleiche beziehen sich daher auch nur auf die Kapitaloption bei Verzicht auf die Renten, denn dieser Auszahlungsbetrag lässt sich im Vorhinein unabhängig von der Lebensdauer der individuellen Person einheitlich kalkulieren. Das ist aber so, als wenn man einem Auto die Räder abmontiert und anschließend versucht zu messen, wie schnell es fährt.
Kollektives Sparen ist preiswerter als individuelles Sparen
Bei der Altersvorsorge gilt es zwei Fragen zu beantworten: Erstens, ob eine individuelle Vorsorge oder eine kollektive Vorsorge mit der Rentenversicherung günstiger ist. Die Frage lässt sich für Personen, die erst während des Erwerbslebens ein Altersvermögen nach und nach durch Sparen aufbauen können, leicht beantworten: das kollektive Sparen ist günstiger. Das gilt übrigens umso mehr, je niedriger die am Markt erzielbaren Zinsen für Kapitalanlagen sind (siehe ). Kollektives Sparen kann ausschließlich in Form einer Rentenversicherung dargestellt werden.
Amortisation als Beurteilungskriterium
Die zweite Frage lautet, welche Rentenversicherung ausgewählt werden sollte. Hier gibt es ein gerade bei Verträgen mit Garantien relativ einfaches Auswahlkriterium: die Amortisationsdauer. Sie beantwortet, wie lange es dauert, bis die eingezahlten Beiträge in Gestalt von Renten zurückgeflossen sind. Dazu wird die Summe aller Beiträge durch die Summe der jährlichen Rente geteilt. Der besonders vorsichtig rechnende Altersvorsorgesparer verwendet an dieser Stelle die Garantierente.
Wer allerdings glaubt, dass der Rentenversicherer auch Überschüsse über die Garantien hinaus erzielt, sollte die Summe der prognostizierten Renten verwenden. Das wäre beispielsweise der richtige Rat für alle, die einer häufig von Verbraucherschützern geäußerten Kritik glauben, dass die Sterbetafeln der Rentenversicherer viel zu konservative Annahmen über die Lebenserwartungen enthalten. Denn wenn das stimmt, dann können sich alle betroffenen Rentenversicherten über zusätzliche Überschussbeteiligungen aus Sterblichkeitsgewinnen freuen.
Ein Beispiel:
Eine Frau, 45 Jahre alt, will mit 67 Jahren eine Rente erhalten. Sie erhält das Angebot, 300 Euro im Monat zu sparen. Ihr wird eine garantierte Monatsrente von 289 Euro und eine Monatsrente mit Überschüssen von 395 Euro in Aussicht gestellt. Bis zum Alter 67 wird sie 79.200 Euro an Beiträgen einzahlen. Geteilt durch 289 Euro garantierte Monatsrente dauert es 22,8 Jahre oder ungefähr bis Alter 90, bis die Beiträge zurückgeflossen sind. Ihre durchschnittliche Lebenserwartung als 45-Jährige beträgt übrigens 89 Jahre. Die heute 67-Jährigen werden sogar durchschnittlich 90 Jahre alt. Mit anderen Worten, mindestens jede zweite Frau wird älter, und erhält damit mehr als die eingezahlten 79.200 Euro zurück. Sie erleben daher eine "Rendite".
Die 79.200 Euro geteilt durch 395 Euro Rente mit Überschüssen bedeuten, dass die Amortisation schon in 16,7 Jahren oder mit Alter 84 eintritt und damit deutlich vor der durchschnittlichen Lebenserwartung.
Anzahl der Hochbetagten wird steigen
Für die grundsätzliche Frage der Rentenversicherung ist aber gar nicht einmal relevant, wie hoch die durchschnittliche Lebenserwartung ist. Vielen Kunden ist immer noch nicht klar, dass eine private Rentenversicherung lebenslänglich zahlt. Die bisher ältesten Menschen der Welt sind 122 Jahre (Frauen) beziehungsweise 116 Jahre (Männer) geworden (siehe Wikipedia). Diese Menschen haben unter noch viel schlechteren Lebensbedingungen gelebt als heutige Generationen, oft genug Kriege überleben müssen. Die Wahrscheinlichkeit, hochbetagt zu werden, steigt daher deutlich an.
Damit könnte man Kunden aufzeigen, dass sich die Rentenphase einer Rentenversicherung in zwei Phasen aufteilen lässt: eine Amortisationsphase, die bei einer gut kalkulierten Rentenversicherung nahe an der durchschnittlichen Lebenserwartung liegen wird, und eine Renditephase. Und die ist so lang, wie Menschen tatsächlich leben. Also sehr lang.
Excel-Rechner zum Download
Für Leserinnen und Leser stellt Versicherungsmagazin einen Excelrechner zum kostenfreien Download ausschließlich zur eigenen, nicht kommerziellen Verwendung zur Verfügung, der den zuvor genannten Sachverhalt verdeutlicht. Dort können individuelle Vorgaben wie Geschlecht, Eintrittsalter, Rentenalter, Beitrag und Zahlweise, garantierte Monatsrente und Monatsrente einschließlich Überschüssen eingegeben werden. Sodann ermittelt der Excelrechner unter anderem die durchschnittliche Lebenserwartung der Alterskohorte und des Geschlechts sowie die Dauer und das Alter, bis wann sich die Beiträge amortisiert haben. Die Dauer der Amortisation und der anschließenden Renditephase werden auch grafisch verdeutlicht.
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Autor(en): Matthias Beenken