VVG-Reform verabschiedet

Die Reform des fast 100 Jahre alten Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) verabschiedete der Bundestag am 5. Juli in Berlin.

"Die Kunden sind die Gewinner dieser Reform", betonte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries am 5. Juli in Berlin. Bei der Lebensversicherung werden die Versicherten "angemessen" an den mit ihren Prämien erwirtschafteten Überschüssen beteiligt. Erstmals erhalte der einzelne Versicherungsnehmer auch einen Anspruch auf Beteiligung an den stillen Reserven, so Zypries weiter. Das VVG soll Anfang 2008 in Kraft treten und grundsätzlich auch für laufende Verträge gelten - auch die Neuregelung zur Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung. Ausnahmen bestätigen die Regel - denn die Berechnung des Rückkaufwertes gilt erst für Verträge, die ab 1. Januar 2008 neu abgeschlossen werden.

Von vielen Experten, auch vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV), wurden diese neuen Regeln kritisiert. Der Anspruch auf Überschussbeteiligung wird im Gesetz als Regelfall verankert. Die Versicherer müssen die stillen Reserven offen legen und den Versicherten jährlich über den auf ihn entfallenden Teil unterrichten. Die Hälfte der stillen Reserven, die durch Beiträge erwirtschaftet wurden, ist bei Vertragsende auszuzahlen. Die andere Hälfte verbleibt im Unternehmen, um Wertschwankungsrisiken ausgleichen zu können. Unabhängige Versicherungsexperten gehen davon aus, dass die Versicherungsgesellschaften ihre jährlichen Überschusszuweisungen zugunsten höherer Schlussüberschüsse senken werden. Offen bleibt, was aber mit stillen Lasten geschieht und inwieweit auch diese auch auf die Kunden verteilt werden.

Auch um die garantierten Rückkaufswerte in der Lebensversicherung wurde gestritten. Um Einbußen bei einem frühen Storno der Lebensversicherung zu mildern, werden die Abschlusskosten bei Kündigungen auf die ersten fünf Vertragsjahre - wie bei der Riester-Rente - verteilt. Der Rückkaufswert fällt damit in den ersten Jahren höher aus. Diese Regelung gilt allerdings nur für ab dem 1. Januar 2008 neu abgeschlossene Verträge.

Das neue VVG bestimmt auch, dass Versicherungsvermittler ihre Kunden künftig umfassender beraten müssen. Die Versicherer sollen in Zukunft auch verpflichtet werden, die jeweiligen Abschluss- und Vertriebskosten zu beziffern und zwar in Euro und Cent. "Das zielt ins Herz des bisher praktizierten Geschäfts- und Vergütungsmodells der Branche. Denn Transparenz in Euro und Cent bedeutet für den Vermittler erheblich mehr Überzeugungsaufwand beim Kunden", wie Bernhard Rudolf, Chefredakteur vom Versicherungsmagazin, diese Regelung kommentiert. Bedenklich sei, dass der Lebensversicherung wesentlich höhere Informationsauflagen abverlangt werden sollen als beispielsweise Investmentfonds oder Banksparplänen, die auch zur Altervorsorge herangezogen werden. Bei Investmentfonds müssen nur die Gesamtkostenquote und die Ausgabeaufschläge in Prozent genannt werden. Verbraucher haben es deshalb schwer, die verschiedenen Produkte zu vergleichen.

Der Versicherungsnehmer muss vor Vertragsschluss nur noch solche Informationen geben, nach denen er ausdrücklich (schriftlich) gefragt wurde. Bislang musste der Kunde von sich aus auf Umstände hinweisen, die für den Versicherer ein erhöhtes Risiko bedeuten konnten. Der Versicherer kann nur noch vom Vertrag zurücktreten, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat.

Das Widerrufsrecht bei Versicherungsverträgen wird vereinheitlicht; es besteht unabhängig vom Vertriebsweg. Nach dem neuen Recht können auch Handwerker und Freiberufler, nicht nur Verbraucher, einen Vertrag widerrufen. Die Widerrufsfrist beträgt zwei Wochen, bei der Lebensversicherung 30 Tage. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn dem Versicherungsnehmer sämtliche Vertragsbedingungen und Informationen übermittelt worden sind.

Handelte der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss grob fahrlässig, bekam er nach geltendem Recht nichts. Nach neuem Recht bemessen sich die Folgen künftig danach, wie stark sein Verschulden wiegt. Das derzeit noch geltende Alles-oder-Nichts-Prinzip wird abgeschafft.

Wird der Versicherungsvertrag im Laufe des Versicherungsjahres von der Versicherung gekündigt oder durch Rücktritt beendet, muss der Versicherungsnehmer künftig die Prämie auch nur noch bis zu diesem Zeitpunkt zahlen. Nach geltendem Recht schuldet er die volle Jahresprämie auch dann, wenn der Versicherungsvertrag nicht zum Ende der Versicherungsperiode (regelmäßig ein Jahr), sondern im Laufe des Versicherungsjahres endet. Ebenso fällt die Klagefrist von sechs Monaten weg, das heißt künftig hat jeder Versicherte drei Jahre Zeit seinen Versicherer zu verklagen.

Übrigens: Eine Hinweispflicht auf den Zweitmarkt für Lebensversicherungen im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) wird es nicht geben. Das erfuhr der Bundesverband Vermögensanlagen im Zweitmarkt Lebensversicherungen (BVZL) aus regierungsnahen Kreisen. "Es ist enttäuschend, dass die Politik es nicht geschafft hat, eine Hinweispflicht auf die Alternativen zum Storno im VVG durchzusetzen. Die Verbraucher sind hier die Verlierer", sagt Gerd A. Bühler, Beirat des BVZL.

Autor(en): Susanne Niemann

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