VVG-Reform: Schädlicher Eingriff in das EU-Recht

Bis das neue Versicherungsvertragsgesetz (VVG) 2008 in Kraft tritt, werden Kritiker alles daran setzen, Veränderungen für wichtige Eckpunkte des noch nicht endgültig verabschiedeten Reformvorhabens durchzusetzen. Jetzt melden auch in Deutschland tätige ausländische Lebensversicherer schwerwiegende Bedenken an.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hatte schon im Sommer 2006 zunächst den Reformvorstellungen für ein aktualisiertes VVG in vielen Bereichen zugestimmt, aber gleichzeitig kritisiert, dass bei einer Reihe von Regelungen die Interessen der Beteiligten nicht in angemessener Weise berücksichtigt werden.

Die wichtigsten Eckpunkte für die VVG-Reform haben die Politiker inzwischen festgezurrt und müssen nur noch in Gänze beschlossen werden, da regt sich plötzlich Kritik aus dem Ausland. Die Association of International Life Offices (AILO), die seit 1987 in Luxemburg ansässig ist, hat jetzt öffentlich verkündet, dass die geplante VVG-Reform nach Auffassung ihrer 32 Mitgliedsunternehmen europarechtswidrig sei. So könnte ihrer Meinung nach die VVG-Reform die Produktvielfalt auf dem deutschen Markt zulasten der Verbraucher deutlich reduziert werden.

Die Association of International Life Offices (AILO), die Interessensvertretung ausländischer Lebensversicherer mit mehr als einer Millionen Kunden in Deutschland, hält es zwar für wichtig, dass der deutsche Gesetzgeber mit der VVG-Reform die Transparenz der Produkte verbessern will, doch könnte das zu Lasten der Produktvielfalt gehen.

Unvereinbar mit der Zielsetzung des Gesetzes sei aber die in den Reformvorschlägen geplante Einführung garantierter Rückkaufswerte (§ 169, Abs. 3, Satz 2). Nach Auffassung der AILO verstößt die Regelung gegen geltendes EU-Recht.

Die ausländischen Lebensversicherer, zu denen unter anderem die Gesellschaften Canada Life, Clerical Medical, Friends Provident, Royal London und Standard Life zählen, setzen sich dafür ein, den Gesetzesentwurf "im Interesse der Verbraucher und im Sinne einer europarechtskonformen, für alle Marktteilnehmer fairen und transparenten Regelung der Rückkaufswerte" zu überarbeiten.

Der Verband internationaler Versicherungsunternehmen AILO repräsentiert im Lebensversicherungs-Neugeschäft hierzulande einen Marktanteil von rund sechs Prozent, während der LV-Marktführer in Deutschland, die Allianz Leben, einen Neugeschäftsmarktanteil von rund neun Prozent hält.

Die ausländischen LV-Marktteilnehmer plädieren im Gegensatz zu den hier gängigen LV-Policen, die nach der VVG-Reform mit garantierten Rückkaufswerten ausgestattet sein sollen, für ihre eigenen Geschäftsmodelle, weil sie höhere Renditechancen beinhalten würden.

Bekanntlich ist das deutsche Lebensversicherungsmodell durch Garantien gekennzeichnet. Die Kundengelder werden überwiegend in festverzinslichen Wertpapieren angelegt. Das reduziert die Renditechancen. Bei den angelsächsischen LV-Modellen ist eine deutlich höhere Investition in Aktien erlaubt; bei solchen in Deutschland vertriebenen Modellen wird zum großen Teil in der Ansparphase auf Garantien verzichtet.

Gerade bei längeren Laufzeiten, wie sie bei Lebens- und Rentenversicherungen üblich ist, biete diese angelsächsische Anlagestrategie höhere Renditechancen, von denen Verbraucher beim Aufbau ihrer Altersvorsorge profitieren sollten.

"Die ausländischen LV-Produktkonzepte bieten den deutschen Kunden eine sinnvolle Alternative", sagt ein AILO-Sprecher. Der VVG-Entwurf stelle einen Eingriff in die Produktgestaltungsfreiheit von europäischen Anbietern dar. Die im Entwurf vorgesehenen garantierten Rückkaufswerte würden sich mit den Produktkonzepten der europäischen Anbieter nicht vereinbaren lassen.

Die aktuelle Formulierung zu garantierten Rückkaufswerten des VVG-Entwurfs geben AILO Anlass zur Kritik, da laut AILO lasse die geplante Neuregelung garantierter Rückkaufwerte Auslegungsspielräume zu. Das führe nach dem aktuellen Gesetzestext dazu, dass der Rückkaufswert einer Lebens- oder Rentenversicherung für jedes Jahr ausgewiesen werden müsse. Damit liege ein gravierender Eingriff in die Gestaltung von europäischen überschussbeteiligten und mit einem abweichenden Garantiemodell versehenen Lebensversicherungen vor. Das komme einer Produktregulierung gleich, kritisiert der AILO-Sprecher. "Ein Eingriff in die Produktgestaltung der Anbieter verstößt gegen geltendes EU-Recht", klagt AILO.

Dabei sei im Jahr 1992 durch die dritte EU-Richtlinie zum Thema Lebensversicherung europäischen Versicherern die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit zugesichert worden. In der Praxis bedeute dies, dass die Produktregeln des Heimatlandes beibehalten werden können; darüber hinaus gelte selbstredend deutsches Vertragsrecht.

Der AILO-Sprecher: "Die zwingenden Vorschriften des aktuellen Regierungsentwurfs zur Produktgestaltung hinsichtlich der zu garantierenden Rückkaufswerte stellen einen unverhältnismäßigen Eingriff in das EU-Recht dar. Die im VVG-Entwurf geplante rückwirkende Anwendung dieser Reglung auf schon abgeschlossene Verträge, sowie die vorgeschriebene Verteilung von Abschlusskosten ist aus EU-rechtlicher Sicht bedenklich."

Autor(en): Ellen Bocquel

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