Verbraucherschutzverbände warnen zum Teil ihre Kunden davor, das wichtige Thema Berufsunfähigkeitsschutz mit einer Rentenversicherung zu kombinieren und empfehlen den getrennten Erwerb von Einkommensschutz und Sparprodukten. Dieser Rat könnte teuer werden.
Berufsunfähigkeits-Versicherungen (BU) sind für die meisten Menschen „unverzichtbar“. Darin sind sich Verbraucherschützer und Versicherungsbranche einig, schreiben die Wissenschaftler Sandra Blome, Jochen Ruß und Andreas Seyboth in einer Studie, die im Auftrag von MLP entstanden ist.
Kritik an der Kombinationslösung
Aber: „Von Verbraucherschutzseite werden Kombinationen aus Berufsunfähigkeitsschutz und Altersvorsorge hingegen oft kritisch gesehen“, beschreiben die beim Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften (ifa) in Augsburg tätigen Autoren die Ausgangslage. Zitiert werden dazu kritische Stellungnahmen des Bundes der Versicherten oder der Zeitschrift Capital. Anstelle einer in eine Basisrente eingebetteten Berufsunfähigkeitsrente werde empfohlen, eine Selbstständige Berufsunfähigkeits-Versicherung (SBU) abzuschließen und für die Altersvorsorge auf anderen Wegen zu sparen. Dafür wird für die weitere Analyse ein Fondssparplan unterstellt.
Die Studienautoren gestehen zu Beginn ein, dass die Kombination aus Basisrente und Berufsunfähigkeitsversicherungen aus qualitativer Sicht Nachteile für den Kunden hat. Genannt werden eine geringe Flexibilität, fehlender Zugang zum angesparten Guthaben sowie eingeschränkte Möglichkeiten, Unterbrechungen oder Reduzierungen des Sparvorgangs im Produkt zu berücksichtigen.
Nicht jeder Kunde will ständig neu entscheiden
Aber: „Die Bedeutung dieser Nachteile ist für verschiedene Verbraucher unterschiedlich hoch“, schreiben die Autoren. Ohnehin hat man in manchen anderen Studien den Eindruck, dass unter Verbraucherschutzgesichtspunkten ein vom Leitbild des Kunden verfolgt werden soll, der regelmäßig vorzeitig seine langfristige Vorsorge abbricht und je nach Börsenlage ständig nach neuen, noch attraktiveren Anlageoptionen sucht.
Kein Wunder, dass dann die Nachteile des vorzeitigen Abbruchs als Generalargument gegen langfristige Produkte verwendet werden. Solche Kunden gibt es sicher. Aber es sind bei weitem nicht alle Kunden.
So einfach ist der Vergleich gar nicht
Im weiteren Verlauf der Studie untersuchen die Wissenschaftler die quantitative Seite des Vergleichs zwischen den Produktkombinationen einer fondsbasierten Basisrente mit BU versus einer SBU mit Fondssparplan. Dabei sind sehr unterschiedliche und komplexe steuerliche Regeln und Kostenbelastungen zu beachten. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist, dass die Basisrente nachgelagert, die Alternative aber vorgelagert besteuert wird. Die nachgelagerte Besteuerung ist nicht nur deshalb von Vorteil, weil die Steuerlast im Alter meist sinkt. Sondern die Autoren machen zusätzlich darauf aufmerksam, dass bei der nachgelagerten Besteuerung netto mehr gespart werden kann, sodass sich allein hieraus ein Vorteil gegenüber dem Konzept der vorgelagerten Besteuerung ergibt.
Der Vergleich wird weiter dadurch erschwert, dass Kunden unterschiedlich lange versorgt werden müssen, also das Eintrittsalter variiert. Zudem ist ihr Verhalten nicht vorhersehbar, zum Beispiel wie oft sie Fonds wechseln wollen.
SBU sind in der Regel teurer als die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ). Das wird auf ein höheres subjektives Risiko zurückgeführt, das heißt die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde eine Berufsunfähigkeitsleistung beantragt ist bei der SBU höher als bei der BUZ.
Damit nach BU-Eintritt der Fondssparplan weiter bespart werden kann
Bei der Kombi aus Basisrente und BUZ sollte schließlich berücksichtigt werden, dass die BUZ neben der BU-Rente auch eine Beitragsfreistellung der Hauptversicherung umfasst. Um dies zu simulieren, muss die SBU von vornherein höher gewählt werden, damit auch nach Eintritt einer Berufsunfähigkeit der Fondssparplan fürs Alter weiter bespart werden kann. Beim Fondssparplan kommt hinzu, dass er keine lebenslängliche Rente garantiert, sondern zum Rentenalter annahmegemäß verwendet wird, um per Einmalbeitrag eine Rentenversicherung zu kaufen – neue Abschlusskosten inklusive.
Reine Gegenüberstellung hilft nicht
Das alles zeigt, dass ein Vergleich Basisrente mit BUZ versus SBU mit Fondssparplan nicht einfach nur durch Gegenüberstellen der jeweiligen Beiträge und Leistungen vor und nach Steuern möglich ist. Die Studienautoren haben sich deshalb für ein schrittweises Vorgehen entschieden. Ausgangspunkt ist ein 27-jähriger Musterkunde, der bis zum Alter 67 eine BU-Rente von brutto 2.000 Euro benötigt, aus der sich ein entsprechender Beitrag zur Basisrente mit BUZ ergibt. Für den Musterkunden werden zudem vier verschiedene Kombinationen aus Grenzsteuersatz in der Anspar- und in der Rentenphase betrachtet.
Im zweiten Schritt wird unterstellt, dass der Musterkunde alternativ einen Fondssparplan und eine SBU erwirbt und dafür in der Ansparphase netto nach Steuern denselben Betrag aufwendet. Anschließend wird dieser verfügbare Betrag zwischen SBU und Fondssparplan so aufgeteilt, dass aus dem angesparten Fondsvolumen dieselbe Rente erreicht wird wie aus der Basisrente. Der Rest wird in eine SBU investiert, die zu einer bestimmten BU-Rente führt.
Gemessen wird die Vorteilhaftigkeit der Varianten daran, ob die so errechnete Netto-BU-Rente aus der Kombination mit dem Fondssparplan höher oder niedriger ist als die Netto-BU-Rente aus der Basisrente. Zugrunde gelegt werden jeweils kostengünstige Fondsanlagen in ETFs, und zwar in einer aktienfokussierten Variante.
Basisrente schlägt Fonds- und SBU-Kombination
Das Ergebnis ist eindeutig: In nahezu jeder Kombination ist die Basisrente mit BUZ günstiger für den Kunden als die Alternative SBU und Fondssparplan. Selbst bei einem ungewöhnlich niedrigen Grenzsteuersatz in der Ansparphase von 25 Prozent sowie 15 Prozent in der Rentenphase hat der Musterkunde netto 1.200 Euro und damit über 500 Euro weniger BU-Rente zur Verfügung als bei der Basisrente mit BUZ (rund 1.700 Euro netto).
Besonders groß ist der Unterschied, wenn der Musterkunde in der Erwerbsphase als Besserverdiener auf 42 Prozent Grenzsteuersatz, im Alter auf 25 Prozent kommt. Dann reicht es bei der von Verbraucherschützern empfohlenen Kombination aus SBU und Fondssparplan zu nicht einmal 300 Euro Netto-BU-Rente. Das wäre ein Betrag, bei dem sich eine BU-Vorsorge von vornherein nicht lohnt, weil die Grundsicherung („Hartz IV“) höher wäre.
Autoren sehen einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion
Die Studie enthält eine Sensitivitätsanalyse für unterschiedliche Kombinationen der Steuersätze sowie weitere Varianten, in denen verschiedene Fondsrenditen und Fondskosten oder Eintrittsalter und damit Laufzeiten untersucht werden. Das Ergebnis bleibt jedoch gleich: Die Basisrente mit BUZ schlägt nahezu immer die SBU mit Fondssparplan.
In der Studie sehen die Autoren „einen Beitrag zur Versachlichung der entsprechenden Diskussion“. In der Beratung muss sorgfältig die „individuelle Situation eines jeden Verbrauchers“ untersucht werden. Dann kann entschieden werden, ob die aufgezeigten Nachteile in der Verwendungs- und Gestaltungsfreiheit der Basisrente entscheidend sind oder nicht – um im Fall des „nicht“ die quantitativen Fakten heranzuziehen.
Autor(en): Matthias Beenken