Vorsicht gefährliche Umdeckung

740px 535px

Ein Versicherungsvertreter hat einen teuren Fehler begangen. Dabei kam es zu einer Verkettung unglücklicher Umstände. Das Landgericht Frankfurt/Main (Urteil vom 23. April 2020, Az. 2-30 S 5/18, r+s 11/2020, 662-664) hatte über einen Berufungsfall zu entscheiden, in dessen Mittelpunkt die verunglückte Umdeckung einer Berufsunfähigkeitsversicherung stand.

Der Mitarbeiter eines Versicherungsvertreters hatte seinen Kunden zu dessen Immobilienfinanzierung beraten. In diesem Zusammenhang kam offenbar das Gespräch auch auf eine bestehende Berufsunfähigkeitsversicherung. Die Empfehlung lautete, sie zu kündigen und bei der vertretenen Versicherungsgesellschaft neu abzuschließen. Unglücklich daran war, dass der gekündigte Vertrag eine Dienstunfähigkeitsklausel enthielt, der neue jedoch nicht – und der Kunde bei der Berufsfeuerwehr arbeitet.

Bei Versichererwechsel Anforderungen an sachgerechte Aufklärung sehr hoch

Der Streit ging für den Vertreter und seinen Versicherer nicht gut aus. Das Gericht stellte dazu fest, dass es bei einer Umdeckung generell einen Anlass gibt, den Kunden „über die damit möglicherweise verbundenen Nachteile zu informieren“. Gegenüber der Vorinstanz wurde außerdem begrifflich klargestellt, dass diese Beratungspflicht bei Umdeckung nicht nur Versicherungsmakler, sondern auch Versicherungsvertreter gleichermaßen trifft. Der Vertreter schuldet zwar „nur eine eingeschränkte Produktberatung“ und muss „seine eigene Marktposition“ nicht etwa „schwächen“, indem er auf bessere Produkte bei anderen Versicherern verweist.

Beim Versichererwechsel aber „sind die Anforderungen an eine sachgerechte Aufklärung und Beratung besonders hoch, da der Versicherungsnehmer in der Regel weder eine Deckungslücke noch eine Verschlechterung des Versicherungsschutzes in Kauf nehmen will“. Deshalb muss auch ein Vertreter den Altvertrag prüfen und den Kunden über wesentliche Abweichungen des neu angebotenen Vertrags aufklären.

Police allein reicht nicht immer

Eine Schwierigkeit für den betroffenen Vertreter lag darin, dass die Dienstunfähigkeitsklausel nicht unmittelbar aus dem Versicherungsschein des Altvertrags erkennbar war. Dort war lediglich auf den Antrag und dazugehörende Erklärungen verwiesen worden. Die Deckung bei Dienstunfähigkeit war tatsächlich nur im Antrag unter „Sonstige Vereinbarungen“ vermerkt worden. Darauf hatte der Vertreter wohl nicht geachtet.

Das Gericht geht sogar so weit, es für eine schuldhaft fahrlässige Pflichtverletzung zu halten, wenn der Vertreter Antrag und sonstige Erklärungen nicht vorliegen gehabt hätte, sondern nur die Police mit dem erwähnten Verweis. Dann hätte er den Kunden nach dem Antrag oder unter Umständen sonst noch bestehenden Erklärungen ausdrücklich fragen müssen.

Kündigungshilfe ist ein Beratungsanlass

Eine weitere Erschwernis war, dass der Vertreter den Kunden bei der Kündigung des Altvertrags unterstützt hatte. Zwar waren sich die Parteien vor Gericht nicht ganz einig, ob der Vertreter unaufgefordert oder aber auf ausdrücklichen Kundenwunsch hin ein Kündigungsschreiben vorbereitet hatte. Das war im Ergebnis aber auch nicht wichtig, denn allein die Tatsache, dass der Vertreter Kündigungshilfe leistete, hatte nach Meinung des Gerichts unzweifelhaft die Beratungspflicht ausgelöst. Ob es außerdem eine Beratungsdokumentation gab und welche Aussagen diese enthielt, wird in der Urteilsbegründung nicht thematisiert.

Vergeblich war weiter der Versuch sich von dem Falschberatungsvorwurf dadurch zu entlasten, dass die Dienstunfähigkeitsklausel jedenfalls nach Meinung des Vertreters keine praktische Bedeutung habe, weil „im Falle einer Dienstunfähigkeit immer auch eine Berufsunfähigkeit vorliege“. Das beurteilte das Gericht anders und belehrt die Beklagten darüber, dass der Sinn einer Dienstunfähigkeitsklausel darin besteht, Beamte zu schützen, wenn sie aufgrund verschärfter gesundheitlicher Anforderungen für dienstunfähig erklärt werden. Die Dienstunfähigkeitserklärung durch den Dienstherrn führt automatisch zur Anerkennung einer vollständigen Berufsunfähigkeit. Gerade bei Feuerwehrleuten sei „eine solche Konstellation nicht fernliegend“.

 

Prämiendifferenz ausgleichen

Teuer wurde die Sache auf doppelte Weise. Zum einen wurde dem Kunden ein Ersatz von 400 Euro Prämie an den verklagten Versicherer zugesprochen, die er nicht gezahlt hätte, wenn er ordnungsgemäß beraten worden wäre und die alte Versicherung behalten hätte. Viel teurer dürfte allerdings werden, dass der Vertreter beziehungsweise der Versicherer, auf den diese Haftung übergeht, auch die künftig anfallenden Prämiendifferenzen zwischen einer anderen, neuen Versicherung mit Dienstunfähigkeitsklausel sowie seiner alten Versicherung auszugleichen hat.

Gegen die Schadenersatzhöhe versuchten die Beklagten eine Schadenminderungspflicht einzuwenden. Der Kunde hätte sich ihrer Meinung nach bemühen müssen, eine möglichst preiswerte alternative Versicherung abzuschließen. Das Landgericht wies das zurück. Die Pflicht, eine günstigere Versicherung mit der entsprechenden Dienstunfähigkeitsklausel zu finden und nachzuweisen, hätte beim Beklagten gelegen. Der Versicherer wie auch der Vertreter hätten im Übrigen eine „höhere Sachkunde“ als der Feuerwehrmann.

Kunde muss Unterlagen nicht auf Falschberatung prüfen

Schließlich wurde noch versucht, eine Mitschuld des Kunden geltend zu machen, weil der die übersandten Versicherungsunterlagen nicht geprüft und den Beratungsfehler aufgedeckt hätte. Der Kunde habe sehr wohl vertrauen dürfen, dass ihm der Agenturmitarbeiter „nicht etwas Falsches erzählt hatte“.

Für alle Versicherungsvermittler, gleich ob Makler oder Vertreter, lässt sich daraus einmal mehr ableiten, wie wichtig eine sorgfältige Beratung und Dokumentation im Umdeckungsfall ist. Ein Kunde kann erwarten, dass der Vermittler sich die alte Deckung genau ansieht und nicht nur die Vorteile, sondern auch die Nachteile der Umdeckung klar benennt und dokumentiert. Entscheidet sich der Kunde dann in voller Kenntnis bestehender Nachteile für die Umdeckung, kann man dem Vermittler so leicht keinen Falschberatungsvorwurf machen. Denn meist wird die Kaufentscheidung eine Abwägung von Vor- und von Nachteilen sein. Das aber muss sich später genau so nachvollziehen lassen.

Worst case: Möglicher Streit um Berufsunfähigkeitsrente

Übrigens hätte die Sache möglicherweise noch teurer ausgehen können. Denn schlimmer als ein Schadenersatz in Höhe einer Prämiendifferenz zwischen dem ausgespannten Altvertrag und dem ersatzweise abgeschlossenen Neuvertrag hätte ein Versicherungsschaden werden können. Wäre eine Dienst-, nicht aber bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eingetreten, hätten sich Kunde und Berufsunfähigkeits-Versicherer um die Berufsunfähigkeitsrente streiten müssen, die der ausgespannte Versicherer in diesem Fall gezahlt hätte.

Autor(en): Matthias Beenken

Alle Branche News