Der Versicherungsvertrieb ist (noch) eine Baustelle, so der Tenor einer Podiumsdiskussion auf dem 12. Vorlesungstag der Universität Leipzig. Die Gründe dafür sind vielschichtig, die eingeleiteten Veränderungsprozesse langwierig, die Probleme aber letztlich lösbar.
Starke Verwerfungen durch die Strukturvertriebe in den 80er Jahren beeinflussen noch immer die Branche, der 10-Punkte-Verhaltenskodex des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) ist wachsweich, der Kampf um kompetente Vertriebstalente wird durch den demografischen Wandel immer problematischer, die Qualifikation vieler Vermittler ist nicht ausreichend und der Maschmeyer-Effekt schädigt die Wahrnehmung der Branche.
Dieser „Maschmeyer-Effekt“ präge augenblicklich das Image der Versicherungsbranche, so jedenfalls der Eindruck von Professor Dr. Klaus Kocks, erster Vorsitzender des Goslar Instituts, Studiengesellschaft für verbrauchergerechtes Versichern. Als Branchenbeobachter könne er sich dieses Eindrucks nicht erwehren, obwohl die persönliche Erfahrung vieler einzelner Kunden sicher eine andere, eine positivere sei. Aber für die Assekuranz gelte eben auch: „Der Fisch stinkt vom Kopf her.“
Weg mit der Alte-Hasen-Regelung
Auch Wolfgang Hanssmann, Vorstand für Vertrieb und Marketing im Axa Konzern, konstatierte ernüchtert: „ Unsere Branche kommt aus dieser Schmuddelecke nicht raus“, dies bewiesen auch die jüngsten Fälle wie Lustreisen nach Budapest und der imageschädigende Film über Mehmet Göker. Doch trotz allem oder gerade wegen dieses problematischen Renommees, gab er sich engagiert und kämpferisch: “Der bisherige Verhaltenskodex des GDV ist zu schwach, er muss klarer ausformuliert werden.“ Weiter wichtige Ansätze, um das ramponierte Image des Vertriebes aufzubessern, seien, dass die Alte-Hasen-Regelung abgeschafft, die Zahl der Versicherungsvermittler – augenblicklich rund 250.000 – auf eine Zahl wirklich kompetenter Köpfe reduziert würde müsste und diese dann alle notwenigen Qualifikationen vorweisen könnten.
Kontinuierliche Qualifikation ist ein Muss
Die Qualifikation der Versicherungsvermittler war auch für Olaf Bläser, Vorstandsmitglied der Ergo Versicherung, ein wichtiges Argument in der von Professor Dr. Fred Wagner, Vorstand des Instituts für Versicherungswissenschaften an der Uni Leipzig, moderierten Expertenrunde. Obwohl er davon überzeugt ist, dass die Branche über wirklich sehr gut beleumundete Verkäufer verfügt, müssten diese eine dauerhafte Aus- und Weiterbildung durchlaufen. Denn: "Die vom Gesetzgeber geforderte Qualifizierung ist nur eine Einstiegsqualifizierung."
Incentives: Gewollt, aber nicht erwünscht
Unbeschwerter gab er sich beim Thema Provisionen und Incentives. Erstere schafften seines Erachtens keine falschen Anreize. Zudem flössen bei einigen Versicherungsarten wie der Wohngebäudeversicherung zu wenig Prämie bei zu viel Risiko. Michael H. Heinz, BVK-Präsident, sah das Thema "Anreizsysteme" kritischer. O-Ton Heinz: "Unsere Vermittler mögen sie, wir als Verband lehnen sie ab." Aber da der Markt hauptsächlich noch von den Ausschließlichkeitsvertretern geprägt sei, wäre die Branche sowieso kaum provisionsgetrieben. Denn diese hätten kaum die Chance, jedes Jahr wieder umzudecken. Axel Kleinlein, Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten, argumentierte dagegen: "Aber die Ausschließlichkeit kann ihren Kunden jedes Jahr neue Produkte verkaufen, so dass sie dadurch doch provisionsgetrieben agiert."
Noch einen Schritt weiter ging der Öffentlichkeitsexperte Kocks in seiner Haltung zu Incentives: "Wenn man etwas nicht veröffentlichen kann, ist es nicht in Ordnung". Hintergrund für seine Haltung sind seine Erfahrungen aus einem Mineralölkonzern, der mit strikten Code of Conduct-Regeln arbeitet. Eine realistische Haltung nahm der Axa-Mann Hanssmann ein: "Einige Vermittler handeln aus der Not heraus provisionsgetrieben, eben diejenigen, die am Montag nicht wissen, wie sie am Samstag ihr Schnitzel zahlen sollen".
Kraft zur Selbstregulierung finden
Die Baustellen im Versicherungsvertrieb so schnell wie möglich aufzulösen, darüber waren sich die Diskutanten am Ende einig. Transparenz war dabei, wie schon so oft, das Zauberwort. Dabei mahnte der Chef des Goslar-Instituts Kocks: "Die Branche muss mehr zur Markttransparenz, denn zur Marktvernebelung beitragen. Und sie muss die Kraft zur Selbstregulierung finden."
Weitere Details zum 12. Vorlesungstag der Universität Leipzig und dabei vor allem zu den Entwicklungen in der PKV finden Sie in der Mai-Ausgabe von Versicherungsmagazin.
An der Podiumsdiskussion haben teilgenommen (von links nach rechts): Moderator Professor Dr. Fred Wagner, Vorstand Institut für Versicherungswissenschaften an der Universität Leipzig; Olaf Bläser, Mitglied des Vorstandes der Ergo Versicherung; Wolfgang Hanssmann, Vorstand Vertrieb & Marketing beim Axa Konzern; Professor Dr. Klaus Kocks, Erster Vorsitzender des Goslar Instituts, Dipl. Math. Axel Kleinlein, Vorstandsvorsitzender des BdV und Michael H. Heinz, BVK-Präsident
Bild: Universität Leipzig
Starke Verwerfungen durch die Strukturvertriebe in den 80er Jahren beeinflussen noch immer die Branche, der 10-Punkte-Verhaltenskodex des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) ist wachsweich, der Kampf um kompetente Vertriebstalente wird durch den demografischen Wandel immer problematischer, die Qualifikation vieler Vermittler ist nicht ausreichend und der Maschmeyer-Effekt schädigt die Wahrnehmung der Branche.
Dieser „Maschmeyer-Effekt“ präge augenblicklich das Image der Versicherungsbranche, so jedenfalls der Eindruck von Professor Dr. Klaus Kocks, erster Vorsitzender des Goslar Instituts, Studiengesellschaft für verbrauchergerechtes Versichern. Als Branchenbeobachter könne er sich dieses Eindrucks nicht erwehren, obwohl die persönliche Erfahrung vieler einzelner Kunden sicher eine andere, eine positivere sei. Aber für die Assekuranz gelte eben auch: „Der Fisch stinkt vom Kopf her.“
Weg mit der Alte-Hasen-Regelung
Auch Wolfgang Hanssmann, Vorstand für Vertrieb und Marketing im Axa Konzern, konstatierte ernüchtert: „ Unsere Branche kommt aus dieser Schmuddelecke nicht raus“, dies bewiesen auch die jüngsten Fälle wie Lustreisen nach Budapest und der imageschädigende Film über Mehmet Göker. Doch trotz allem oder gerade wegen dieses problematischen Renommees, gab er sich engagiert und kämpferisch: “Der bisherige Verhaltenskodex des GDV ist zu schwach, er muss klarer ausformuliert werden.“ Weiter wichtige Ansätze, um das ramponierte Image des Vertriebes aufzubessern, seien, dass die Alte-Hasen-Regelung abgeschafft, die Zahl der Versicherungsvermittler – augenblicklich rund 250.000 – auf eine Zahl wirklich kompetenter Köpfe reduziert würde müsste und diese dann alle notwenigen Qualifikationen vorweisen könnten.
Kontinuierliche Qualifikation ist ein Muss
Die Qualifikation der Versicherungsvermittler war auch für Olaf Bläser, Vorstandsmitglied der Ergo Versicherung, ein wichtiges Argument in der von Professor Dr. Fred Wagner, Vorstand des Instituts für Versicherungswissenschaften an der Uni Leipzig, moderierten Expertenrunde. Obwohl er davon überzeugt ist, dass die Branche über wirklich sehr gut beleumundete Verkäufer verfügt, müssten diese eine dauerhafte Aus- und Weiterbildung durchlaufen. Denn: "Die vom Gesetzgeber geforderte Qualifizierung ist nur eine Einstiegsqualifizierung."
Incentives: Gewollt, aber nicht erwünscht
Unbeschwerter gab er sich beim Thema Provisionen und Incentives. Erstere schafften seines Erachtens keine falschen Anreize. Zudem flössen bei einigen Versicherungsarten wie der Wohngebäudeversicherung zu wenig Prämie bei zu viel Risiko. Michael H. Heinz, BVK-Präsident, sah das Thema "Anreizsysteme" kritischer. O-Ton Heinz: "Unsere Vermittler mögen sie, wir als Verband lehnen sie ab." Aber da der Markt hauptsächlich noch von den Ausschließlichkeitsvertretern geprägt sei, wäre die Branche sowieso kaum provisionsgetrieben. Denn diese hätten kaum die Chance, jedes Jahr wieder umzudecken. Axel Kleinlein, Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten, argumentierte dagegen: "Aber die Ausschließlichkeit kann ihren Kunden jedes Jahr neue Produkte verkaufen, so dass sie dadurch doch provisionsgetrieben agiert."
Noch einen Schritt weiter ging der Öffentlichkeitsexperte Kocks in seiner Haltung zu Incentives: "Wenn man etwas nicht veröffentlichen kann, ist es nicht in Ordnung". Hintergrund für seine Haltung sind seine Erfahrungen aus einem Mineralölkonzern, der mit strikten Code of Conduct-Regeln arbeitet. Eine realistische Haltung nahm der Axa-Mann Hanssmann ein: "Einige Vermittler handeln aus der Not heraus provisionsgetrieben, eben diejenigen, die am Montag nicht wissen, wie sie am Samstag ihr Schnitzel zahlen sollen".
Kraft zur Selbstregulierung finden
Die Baustellen im Versicherungsvertrieb so schnell wie möglich aufzulösen, darüber waren sich die Diskutanten am Ende einig. Transparenz war dabei, wie schon so oft, das Zauberwort. Dabei mahnte der Chef des Goslar-Instituts Kocks: "Die Branche muss mehr zur Markttransparenz, denn zur Marktvernebelung beitragen. Und sie muss die Kraft zur Selbstregulierung finden."
Weitere Details zum 12. Vorlesungstag der Universität Leipzig und dabei vor allem zu den Entwicklungen in der PKV finden Sie in der Mai-Ausgabe von Versicherungsmagazin.
An der Podiumsdiskussion haben teilgenommen (von links nach rechts): Moderator Professor Dr. Fred Wagner, Vorstand Institut für Versicherungswissenschaften an der Universität Leipzig; Olaf Bläser, Mitglied des Vorstandes der Ergo Versicherung; Wolfgang Hanssmann, Vorstand Vertrieb & Marketing beim Axa Konzern; Professor Dr. Klaus Kocks, Erster Vorsitzender des Goslar Instituts, Dipl. Math. Axel Kleinlein, Vorstandsvorsitzender des BdV und Michael H. Heinz, BVK-Präsident
Bild: Universität Leipzig
Autor(en): Meris Neininger