Versicherungsvertreter monieren einseitige Interessen der Versicherer

Versicherer sind immer mehr bestrebt, Produkte zu entwickeln, die sich vor allem für sie selbst rechnen. Sie "opfern" das Wohl ihrer Kunden dem Profit. Das sagen Verbraucherschützer und die eigenen Vertreter. Um ihrem Unmut gegenüber den Gesellschaften Gestalt zu verleihen, haben Versicherungsvertreter die Leipziger Erklärung formuliert.

Aggressive Geschäftspolitik
Bei der Leipziger Erklärung ist die Rede von einer "aggressiven Geschäftspolitik der Versicherungsunternehmen, die die Kundeninteressen durch einseitige Aktionärspolitik aus den Augen verloren haben", und von Versicherern, die "ihre Produkte immer häufiger nach Ertragsgesichtspunkten und nicht nach den Kundenbedürfnissen schreiben". Diese Erklärung kommt von den Versicherungsvertreten, die ihre eigenen Versicherungsgesellschaften anprangern. Anfang Juni verabschiedeten die Vertreter auf der Jahresversammlung des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) in Leipzig eine Schrift mit dem Tenor: Die Versicherer denken nur an sich selbst, nicht an die Verbraucher. Und durch unseriöse Verkaufsmethoden würden Kunden schlechte oder überflüssige Policen angedreht.

Schrumpfende Marktanteile
Die Vertreter leiden unter rigorosen Verkaufsvorgaben, unter zusätzlicher Arbeit, die aus dem Innendienst der Versicherer auf die Vertreter verlagert, aber nicht bezahlt wird, und unter schrumpfenden Marktanteilen. Zwar sind die Einfirmenvertreter noch der wichtigste Vertriebsweg für Versicherungsunternehmen. Noch vor einigen Jahren wurden knapp 40 Prozent der Policen über sie verkauft, 2010 werden es, einer Studie von Steria Mummert Consulting zufolge, nur noch 34 Prozent sein. Die Marktanteile verlieren die Vertreter an Makler, Banken und Strukturvertriebe à la AWD oder MLP. Auch der Vertrieb über den Einzelhandel ist "im Kommen".

Policenverkauf über Discounter am Rande der Legalität
Versicherer versuchen verstärkt, standardisierte Policen über Penny, Tchibo oder C&A zu verkaufen. Bislang handelte es sich dabei um wenig erklärungsbedürftige Produkte wie Auto- oder Haftpflichtversicherungen. Dass Versicherungsunternehmen nun auch Rentenversicherungen über einen Discounter verkaufen, rief Verbraucherschützer und die Aufsichtsbehörde BaFin auf den Plan, die nun ermittelt. Die Sache machte auch die Vertreter wütend, so dass sie die Leipziger Erklärung formulierten. "Wenn man Versicherungen ins Supermarktregal stellt, wird man den Produkten nicht gerecht", sagt Ulrich Zander, Vizepräsident des BVK. „bei komplexen Produkten muss laut Gesetz eine Beratung erfolgen, die im Supermarkt nicht gewährleistet werden kann. Deshalb ist der Verkauf dort am Rande der Legalität.“

Verkaufsdruck wird immer stärker
Mehr noch als die neue Konkurrenz durch den Einzelhandel macht Zander der zunehmende Verkaufsdruck Sorgen: "Wir Vermittler leben davon, dass wir die Kunden lebenslang begleiten. Meine Agentur wird von unserer Familie in vierter Generation betrieben. Das funktioniert nur, wenn man die Kunden fair berät, sonst kommen sie nicht wieder." Welche Ausmaße die Fehlberatung haben könnte, hat der Bundesverband der Versicherungsberater (BVVB) errechnet, dessen Mitglieder von den Kunden für ihre Beratung bezahlt werden und deshalb provisionsunabhängig beraten können. Verbraucher und Unternehmen zahlten für ihren Versicherungsschutz jährlich "mindestens 20 Milliarden Euro mehr als nötig", so der Verband. Die Privathaushalte, die insgesamt 183 Milliarden Euro pro Jahr für Versicherungen aufwendeten, so der Verband, könnten bis zu 30 Prozent davon einsparen, würden sie unabhängig beraten. Pro Haushalt seien das rund 400 Euro. Noch größer sei das Sparpotenzial bei Unternehmen: Gerade kleine und mittelständische Betriebe könnten ihre Ausgaben für Versicherungen um 30 bis sogar 50 Prozent senken.

Bildquelle: Pixelio

Autor(en): Susanne Niemann

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