Versicherer fremdeln noch zu oft bei Normen

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Die Versicherungsbranche hat es immer noch nicht geschafft, sich zu normieren. Und dies, obwohl viele andere Branchen wie die Automobil- und die Containerbranche längst bewiesen haben, dass eine reduzierte Komplexität von Waren und Services nicht nur vereinfachte Prozesse, sondern auch Vertrauen schafft. So jedenfalls die Position von Defino, dem Institut für Finanznorm aus Heidelberg.

„Die Messbarkeit und Nachvollziehbarkeit in der Versicherungsbranche fehlt. Auch die Verlässlichkeit und Verbindlichkeit, die Standards liefern, sind noch nicht gegeben. Und dies obwohl Qualitätssicherung und Vertrauensbildung für die Versicherungssparte ganz wichtige Faktoren sein sollten“, schimpfte Klaus Möller von Defino bei einem Kongress auf der DKM in Dortmund und bemängelte so die bisherige Desinteresse der Versicherungsparte an Normen.

Standardisierung bedroht Markenidentität nicht
Laut Möller gibt es im medizinischen Sektor allein 900 Normen, im Maschinenbau sogar rund 3.400. Und im Finanzdienstleistungssektor gibt es bislang genau eine Norm. Ein Umstand, der nach Ansicht des Normungsexperten nicht so bleiben darf, wenn die Branche zukunftsfähig bleiben will. Das Normen für eine Branche nur vorteilhaft sein können, unterstrich Möller mit einem konkreten Beispiel: „Seit Container genormt sind, ist die Branche explodiert.“ Diese Sparte sei der Beweis dafür, dass mehr Effizienz zu mehr und besseren Ergebnisse führe. Und die Automobilbranche zeige auch, dass Standardisierung die Markenidentität nicht bedrohe, „denn 80 Prozent der Teile in den Autos sind gleich“.

Kunden wünschen sich Sicherheit und klare Strukturen
Und in einer Welt, in der das Thema „Digitalisierung“ omnipräsent sei, sich (in deren Folge) das Kundenverhalten ändere, die Zinsen dauerhaft tief seien, die Margen sänken und sich folglich die Taktzahl in der Arbeit erhöhen müsse, könnten und würden Normen Sicherheit schaffen. Sicherheit, die sich der Kunde wünsche und der Verbraucherschutz fordere.

Möller freute sich dagegen, dass Ende des Jahres die DIN-Norm SPEC C77222 (Finanzanalyse für die Privathaushalte) endlich greifen werde. Diese neue Norm sei ein gelungenes Gemeinschaftsprojekt von Wissenschaft, Verbraucherschutz, Politik, Banken und Versicherern.
Diverse Unternehmen haben nach Aussage von Defino diesen Finanzscor bereits im Einsatz, so die Formaxx AG, die Deutsche Bank und die VPV Versicherung.

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Zum Hintergrund:
Defino hat sich zur Aufgabe gemacht, die deutschen Privathaushalte bestmöglich gegen Lebensrisiken abzusichern sowie durch eine adäquate Vermögensplanung, die finanzielle Zukunft dieser Haushalte langfristig zu gestalten.

Angestrebt wird hierbei eine an den Bedürfnissen des Privathaushalts ausgerichtete optimale Allokation seiner finanziellen Mittel. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde ein Regelwerk definiert, das zu einem allgemeingültigen sowie verbindlichen Standard in der Finanzberatung werden soll.
Das Regelwerk der Finanznorm greift die individuelle Lebensplanung des Privathaushaltes auf und berücksichtigt dabei die aktuelle finanzielle Situation unter anderem auf Basis einer privaten Bilanzierung mit Privatbilanzen und Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen.

Die Finanznorm regelt nach Aussage des Instituts aus Heidelberg den Inhalt, die Struktur und den Prozess der Finanzberatung für einen privaten Haushalt. Die Struktur ist in drei Beratungsbereiche unterteilt: Absicherung, Vorsorge und Vermögensplanung. Am Ende des Beratungsprozesses steht keine Produktempfehlung, sondern nur eine Produktklassenempfehlung.

Bei der standardisierten Finanzanalyse
werden finanzmathematische Hochrechnungen erstellt, um den künftige Vorsorgebedarf und kommende Vorsorgelücken eines Kunden in der Zukunft zu erkennen. Für einheitliche Ergebnisse ist erforderlich, dass Rahmenparameter (zum Beispiel für Inflationsrate oder Einkommenssteigerung) festgelegt werden. Insbesondere bei langfristigen Betrachtungen und Analysen (beispielweise für die Altersvorsorge) haben diese Parameter einen bedeutenden Einfluss auf die Ergebnisse. Da derartige Parameter langfristig nicht vorausgesagt werden können, werden sie auf Basis der letzten 20 Jahre ermittelt. Gemäß DIN SPEC 77222 § 5.2 und A.3.5 überprüft das Heidelberger Institut die Werte jährlich.
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Vertrauensbildende Maßnahmen
Möllers Fazit: „Normen basieren nicht nur auf den Forderungen der geltenden Rechtsprechung und besitzen einen gesetzesergänzenden Charakter, sondern dienen auch der Qualitätsabsicherung und sind vertrauensbildend.“ Merkmale, die der Versicherungssparte sicher nur guttun (können).

Textquelle: Defino; Bildquelle: © Gina Sanders /Fotolia

Autor(en): Meris Neininger

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