Der europäische Dachverband der Vermittlerverbände (BIPAR) hat eine neue Analyse vorgelegt, wie viele Versicherungsvermittler tätig sind und welche Marktanteile sie aufweisen.
Die Zahl der Versicherungsvermittlerinnen und Versicherungsvermittler in Europa hat laut dem aktuellen BIPAR-Report „Figures on insurance intermediaries in Europe“ erneut abgenommen. Für insgesamt 25 Länder liegen Zahlen vor, davon mit Großbritannien auch eines, das nicht mehr der Europäischen Union angehört, aber nach wie vor die Vermittlerregulierung anwendet.
In diesen Ländern zählt BIPAR insgesamt knapp über 792.000 Versicherungsvermittler. Das sind rund 40.500 weniger als im letzten Report von 2020. Damals waren es knapp 833.000 Vermittler.
Europa verfügt über keine aussagefähige Statistik
Die Zahlen sind allerdings nicht alle vollständig und konsistent. Grund dafür ist, dass der europäische Dachverband der Vermittlerverbände BIPAR in Brüssel auf Zahlenlieferungen der örtlichen Mitgliedsverbände angewiesen ist. Für einige Länder wurden erkennbar einfach die alten Zahlen von 2020 erneut gemeldet.
Auch gibt es anscheinend nicht in allen Ländern ein einheitliches Verständnis davon, wer als Vertreterin oder Vertreter und wer als Maklerin oder Makler einzuordnen ist. So weisen einige Länder erhebliche Differenzen zwischen den als Vertreter oder Makler gemeldeten Zahlen und der Gesamtzahl der Vermittler auf. Beispiel Italien: Die Italiener melden mit 235.404 die höchste Gesamtzahl an Vermittlern in Europa. Aufgeschlüsselt nach Vertretern und Maklern werde jedoch nur 31.617 dieser Vermittler.
BIPAR selbst weist einleitend darauf hin, dass die Zahlen nicht als im „wissenschaftlichen“ Sinn „korrekt“ anzusehen sind. Dafür sei es zu herausfordernd, entsprechende Zahlen aus allen Mitgliedsländern zu erhalten, zudem auf einem vollständig vergleichbaren Niveau.
Abhilfe könnte eine Vorgabe in der Europäischen Vertriebsrichtlinie IDD schaffen. Im Rahmen der vor kurzem vorgelegten Kleinanlegerstrategie schlägt die EU-Kommission eine Anpassung dahingehend vor, dass die nationalen Aufsichtsbehörden Daten über die grenzüberschreitenden Vermittlungsaktivitäten der Vermittler erheben und an die Europäische Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA melden sollen. Noch besser wäre, wenn überhaupt nach einheitlichen Berichtsstandards Daten von allen nationalen Aufsichten erhoben und an EIOPA gemeldet würden, damit es einheitliche, europäische Statistiken über die Entwicklung des Vermittlermarktes geben kann.
Deutschlands Vermittlerdichte im Mittelfeld
Bei der Gesamtzahl der Vermittler liegt Deutschland nach wie vor nicht an der Spitze, sondern mit knapp 191.000 Vermittlern deutlich hinter dem bevölkerungsmäßig kleineren Italien mit gut 235.000 Vermittlern.
Bezieht man die Vermittlerzahlen auf die Bevölkerung, liegt die Vermittlerdichte in Deutschland nur im Mittelfeld mit 226 Vermittlern je 100.000 Einwohner. Weitaus mehr sind es in Luxemburg (549), Slowakei (438), Italien (399) und Tschechien (297). Ungarn (234) liegt in etwa auf deutschem Niveau.
Ganz erheblich geringer ist die Vermittlerdichte je 100.000 Einwohner in Ländern wie Finnland (5), Dänemark (11) oder Großbritannien (15). Bei solchen Vergleichen muss jeweils kulturellen und regionalen Unterschieden Rechnung getragen werden.
Dass in Ländern mit geringer Bevölkerungsdichte und mit traditionell hoher Bereitschaft zum Direktabschluss oder wie in Großbritannien zum Abschluss von Versicherungen im Supermarkt und bei Vergleichsportalen die Vermittlerdichte gering ist, liegt auf der Hand. Eine Rolle spielt zudem, wie die jeweiligen Altersvorsorgesysteme ausgestaltet sind. In manchen Ländern beruhen sie überwiegend auf obligatorischen oder quasi-obligatorischen, gesetzlichen, tarifvertraglichen oder betrieblichen Altersvorsorgesystemen wie unter anderem in den Niederlanden, Großbritannien oder Dänemark. Dort braucht es wesentlich seltener beratende Vermittler als in Ländern, in denen die Altersvorsorge weitgehend freiwillig organisiert ist wie in Deutschland.
Direktvertrieb und Makler teilen sich einige Märkte
Das hat auch Auswirkungen auf die Marktanteile der Vertreter und der Makler. In Ländern mit hohem Direktvertriebsanteil in der Schadenversicherung und einer hohen Vorsorgeabdeckung über die Arbeitgeber dominieren Makler den Markt. Großbritannien, Niederlande und Schweden sind mit jeweils 100 Prozent Makleranteil gute Beispiele.
Dagegen dominieren in anderen Ländermärkten die Vertreter. Portugal weist 100 Prozent Vertreteranteil aus, auch in Bulgarien, Finnland, Griechenland, Litauen, Slowakei, Spanien und Tschechien liegt er nahe 100 Prozent. Zum Vergleich: Deutschland weist einen 75-prozentigen Vertreteranteil aus.
Leben- und Nichtleben-Geschäft unterschiedlich aufgeteilt
Aufschluss gibt der Bericht zudem über die Marktanteile im Lebens- und im Nichtlebensgeschäft. Lebensversicherungen werden in Estland, Litauen, Polen und Portugal mit jeweils deutlich mehr als 50 Prozent Marktanteil durch Vertreter vermittelt.
Makler erreichen nur in Irland etwas mehr als 50 Prozent Marktanteil, niederländische Makler liegen knapp unter 50 Prozent. In allen Ländern, für die überhaupt Zahlen verfügbar sind, gibt es bedeutende alternative Vertriebswege für Lebensversicherungen. In der Regel dürfte es sich dabei um den Bankvertriebsweg handeln. Für Deutschland sind 38 Prozent Vertreter- und 26 Prozent Makleranteil verzeichnet, das verbleibende gute Drittel dürfte bei den Banken und Sparkassen liegen.
Im Nichtleben-Geschäft hingegen erreichen die Vertreter nur in Polen und Portugal jeweils deutlich mehr als die Hälfte des Marktanteils. Makler hingegen dominieren den Markt in Belgien, Niederlanden und Rumänien mit jeweils weit über 50 Prozent Marktanteil. Zum Vergleich: Für Deutschland werden 49 Prozent Vertreter- und 28 Prozent Makleranteil ausgewiesen.
Autor(en): Matthias Beenken