Verkehrsanwälte: Helmpflicht für Radler kommt durch BGH

Radfahrer sollten unbedingt einen Helm tragen. Nach einem Unfall müssen sie jetzt damit rechnen, dass sie auch dann nicht voll entschädigt werden, wenn sie am Unfall vollkommen schuldlos sind. Ein entsprechendes Urteil hatte das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein (Az.: 7 U 11/12) Anfang Juni gefällt. Wer ohne Radhelm fährt, schädigt sich bei einem Unfall nach Meinung des Gerichts selbst. Verkehrsanwälte rechnen mit einer Trendwende in der Rechtsprechung.

"Der Bundesgerichtshof wird das Urteil wohl bestätigten", sagte Martin Diebold von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) auf einer Veranstaltung im pfälzischen Herxheim. Bisher hatten in solchen Fällen beispielsweise die OLGs in Düsseldorf, Nürnberg oder Stuttgart anders entschieden. "Alle historischen Indizien sprechen dafür, dass die BGH-Richter dem Urteil aus Schleswig Holstein folgen werden", so Diebold. So hätte es vor der gesetzlichen Einführung der Helmpflicht für Motorradfahrer und Gurtpflicht für Autofahrer ähnliche Urteile gegeben, bei denen verletzte Unfallopfer stets ein Mitverschulden an ihren Schäden erhalten hätten. "Es ist zudem wissenschaftlich anerkannt, dass der Helm auch für Radfahrer eine Schutzwirkung besitzt", so Diebold.

Im Durchschnitt 22 Kilometer schnell

Das zeigt eine in Münster erstellte Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV). "Keiner der verunfallten Helmträger hatte eine schwere Kopfverletzung", bestätigt UDV-Leiter Siegfried Brockmann. Schon bei einem Unfall mit 12 Stundenkilometern kann nach einem Sturz der Aufschlag mit dem Kopf auf die Fahrbahn schwerste oder gar tödliche Verletzung auslösen, wie Untersuchungen des Ingenieur- und Kfz-Sachverständigenbüros Priester und Weyde aus Saarbrücken ergaben. Im Schnitt würden Fahrradfahrer mit rund 22 Kilometer unterwegs sein. "Aus technischer Sicht wäre daher eine gesetzliche Helmpflicht sinnvoll", sagte Unfallgutachter Johannes Priester.

Bisher Mithaftung nur für Rennradfahrer
Doch auch ohne eine gesetzliche Pflicht setzten sich Radfahren ohne Helm künftig einem großen finanziellen Risiko aus. "Bei schweren Kopfverletzungen haben die Haftpflichtversicherer schon in der Vergangenheit immer 50 Prozent Abzüge gefordert. Jetzt könnte sie damit Erfolg haben", warnt Christian Funk, DAV-Verkehrsanwalt aus Saarbrücken.

20 Prozent Mitschuld gaben die Richter des OLG Schleswig-Holstein der Radfahrerin, die ohne Helm schwer am Kopf verletzt wurde, weil ein Autofahrer fahrlässig eine Fahrzeugtür geöffnet hatte. Solche Urteile dürften bald geltendes Recht werden. Fahrradfahrer, die sich Kopfverletzungen zuzuziehen, weil sie einen Unfall ohne Helm erleiden, müssen nun mit weniger Schmerzensgeld, einer geringeren Verdienstausfallentschädigung und sonstigen Abzügen rechnen. Damit kann schon ein Fahrradunfall zum wirtschaftlichen Ruin führen.

Bisher hatte eine Mithaftung nur für Rennradfahrer gegolten. Nun dürfte eine Selbstschädigung nach einem Unfall auch für "normale" Radler gelten. "Zwar muss der Versicherer beweisen, dass die Unfallverletzungen mit Helm geringer ausgefallen wären", sagt Verkehrsjurist Funk. Dies sei aber mit einem medizinischen Gutachten schnell möglich. Streit könne es dann noch um die Höhe des Mitverschuldens geben. Bei einem Autounfall gilt bei nachweislichem Nichtanlegen des Gurtes in der Regel ein Mitverschulden von einem Drittel.

Tipp: Radfahrer, die partout keinen Helm tragen wollen, sollten zumindest eine private Unfallversicherung abschließen. Diese zahlt bei Invalidität. "Abzüge wegen Mitverschuldens gibt es in der privaten Unfallversicherung nicht. Nur wer sich absichtlich, also vorsätzlich, schädigt, muss mit einer Leistungsverweigerung der Versicherer rechnen", erläutert DAV-Experte Funk. Eine absichtliche Schädigung durch das Nichtragen des Helms sei rechtlich unhaltbar.


Bild: © Uschi Dreiucker/

Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek

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