Verkaufserfolg des Ausschließlichkeitsvertriebs sinkt

Über den Bankschalter werden immer mehr Lebensversicherungsverträge verkauft. Und auch freie Makler und Vermittler können mehr Neugeschäft vorweisen als die Vertreter (§ 84 HGB), die ausschließlich für eine Versicherungsgruppe akquirieren. So lautet das Fazit des neuen „Vertriebswege-Survey 2003/2004“, das die Unternehmensberatung Towers-Perrin Tillinghast jetzt bereits zum fünften Mal in Folge herausgebracht hat.

Der Tillinghast-Vertriebswege-Survey enthält eine Marktanteils-Prognose bis zum Jahr 2010, das in „APE“ (Annualised Premium Equivalent = Neugeschäft des Jahres in laufenden Beiträgen plus ein Zehntel der Einmalbeiträge) aufgegliedert ist. Danach wird in den kommenden sechs Jahren das LV-Neugeschäft der Ausschließlichkeits-Organisationen auf einen Marktanteil von 36 Prozent (2003: 37,5 Prozent) schrumpfen. Gebundene Strukturvertriebe werden im selben Zeitraum einen Marktanteil von 4,0 (2003: 5,8) Prozent stemmen. Unabhängige Vermittler (inklusive Makler, Mehrfachagenten und Finanzvertriebe wie AWD und MLP) werden ihren Marktanteil bis zum Jahr 2010 voraussichtlich auf 28,5 (2003: 25,8) Prozent erhöhen. Sieger werden die Bank-Vertriebe mit 27,5 (2003: 25,3) Prozent sein. Direktversicherer und der Online-Vertrieb werden nach Tillinghast-Schätzungen jeweils drei Prozent Marktanteil ergattern.

Frank Breiting, Senior Consultant bei Tillinghast in Köln erklärt dazu, dass im Jahr 2003 die Ausschließlichkeitsorganisationen im Vergleich zu Banken und unabhängigen Vermittlern im Lebensversicherungsvertrieb erneut an Bedeutung verloren haben. Die Vertriebswege-Studie zeige deutlich, dass in den Vertriebs-Kanälen „Bankschalter“ und „freie Vermittlerschaft“ entschieden mehr Neugeschäft verzeichnet wurde. Möglicherweise waren die verstärkt publizierten Ratings sowie die steigende Nachfrage der Kunden nach unabhängiger und umfassender Beratung der Grund für die Verschiebung, mutmaßt Breiting. Auch das boomende Geschäft mit der betrieblichen Altersvorsorge habe für einen ordentlichen Wachstumsschub besonders über den Bank-Tresen gesorgt. Geldinstitute hatten von je her einen besseren Draht zu ihren Kunden, zumal sie mit Einblick in die Kunden-Konten auch besser den Risiko-Vorsorge-Bedarf checken könnten.

Die Beteiligung an der Tillinghast-Studie wächst erfreulich, teilt Breiting mit: „Von den knapp 90 größten in Deutschland tätigen Versicherern haben sich 42 Unternehmen, die rund 58 Prozent des Leben-Neugeschäfts in Deutschland repräsentieren, an der Untersuchung beteiligt.“ Die Tillinghast-Experten rechnen vor, dass zusammen mit den Informationen aus Studien früherer Jahre eine Marktabdeckung von insgesamt 77 Prozent des Neugeschäfts erreicht werde. Tillinghast hat auch die Versicherer einbezogen, die keine Angaben zur Studie geliefert hatten. Ihre Daten wurden auf Basis der Marktkenntnisse geschätzt.

Bestätigt wurde die Annahme, dass die Bankvertriebe im LV-Neugeschäft klar vorn liegen. Am Bankschalter wird inzwischen ein Neugeschäfts-Marktanteil von über 25 Prozent erzielt. Inzwischen arbeiten die Banken und ihre Versicherungspartner besser zusammenarbeiten, sind sich die Tillinghast-Forscher sicher. Außerdem sei offensichtlich, dass Bank-Mitarbeiter kundenorientierter arbeiten. Der Vertrieb bei Banken rekrutiert sich aus stationären und mobilen Beratern.

Dagegen scheinen sich die Ausschließlichkeits-Vertriebe auf dem absteigenden Ast zu befinden. Zwar führen sie laut Tillinghast-Studie den Markt immer noch mit 37,5 Prozent Marktanteil an, doch sei „dieser Wert der niedrigste, der bis dato im Rahmen der Erhebung von Tillinghast gemessen wurde“. Frank Breiting vermutet, dass die Ursache in erster Linie am deutlich stärkeren Wachstum bei den Banken und wachsenden Zahlen neuer Makler im Markt liegt. Selbst Versicherer, die früher ihren Vertrieb nur über die eigene Ausschließlichkeits-Organisation gemanaged haben, öffnen sich jetzt der Kooperation mit Maklern.

Wie der Vertriebswege-Survey außerdem aufzeigt, sind die gebundenen Strukturvertriebe am Tiefpunkt angelangt und befinden sich in einem Allzeit-Tief. Denn erstmals seien hier weniger als sechs Prozent des LV-Neugeschäfts über diesen Vertriebsweg erzielt worden. Breiting: „Damit setzt sich der Abwärtstrend der vergangenen Jahre fort. Vor allem die Schwächen einiger Strukturen im Wachstumsmarkt bAV dürfte hier eine gewichtige Rolle spielen.“

Nur sehr geringfügig hat sich laut Tillinghast-Studie das Neugeschäft im Direktvertrieb im Vergleich zu den Vorjahren erholt. Breiting betont, dass man in diesem Zusammenhang bedenken müsse, dass sich das komplexe bAV-Geschäft nicht über diesen Vertriebs-Kanal handeln lasse.

Außerdem werde es immer offensichtlicher, dass der Kunde aus Sorge um die Finanzkraft der Versicherer sowie die außerordentlich schwierige Entscheidung für die richtige steuerliche und persönliche Lösung immer öfter ganz gezielt das persönliche Gespräch und den Rat des Vermittlers suche.

Insgesamt gesehen, werde deutlich, dass Makler-Vertriebe im Kommen seien, denn das Neugeschäft über unabhängige Vermittler ist laut Tillinghast im Jahr 2003 auf rund 25 Prozent Marktanteil angewachsen, bei den Einmalbeiträgen sogar auf über 29 Prozent. Frank Breiting hat dafür eine Erklärung: „Die allmähliche Erholung des Marktes mit fondsgebundenen Produkten - getragen von den 2003 eingeführten Garantieprodukten – gehört zum Hauptbetätigungsfeld der Makler.“ Und derzeit erfreuen insbesondere fondsgebundene Rentenversicherungen großer Beliebtheit. Dieses Geschäft wird klar von Maklern dominiert.

Weiterhin sei aufgefallen, dass nach wie vor ausländische Versicherer bei ungebundenen Vertrieben hoch im Kurs stehen. Unter den wichtigsten 15 Produktgebern der Makler finden sich die drei großen Angelsachsen und vier weitere Gesellschaften mit ausländischen Müttern. Außerdem konnten sich in erster Linie Anbieter mit bAV-Expertisen und Anbieter mit guten Finanzstärke-Kennzahlen verbessern.

Nach eigener Markteinschätzung der Experten bei Tillinghast Towers-Perrin muss von einem weiteren Wachstum und zunehmender Stärke des Bankvertriebes und der unabhängigen Vermittler ausgegangen werden. Auch der Bedarf an umfassender Beratung werde weiter anziehen, zumal die wachsende Komplexität der Produktlandschaft sowie das Problembewusstsein der Verbraucher in Sachen Altersvorsorge sichtbar ansteige. Auch der Wettbewerb um die Vertriebsleistung der Vermittlerschaft aus dem In- und Ausland werde nicht nachlassen.

Vermehrter Beratungsbedarf entstehe andererseits beim Kunden, weil die Auswahl eines geeigneten Anbieters und die Entscheidung für den passenden Alters- und Vorsorgeplanung im Versicherungsgeschäft immer schwerer werden.

Autor(en): Marianne Storck

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