Vier Tage nach der Bundestagswahl stand auch der MCC-Kongress „Versicherungsvertrieb der Zukunft“ noch unter dem Einfluss der politischen Neuorientierung. Jamaika oder Ampel? Vertriebsexperten wie Michael H. Heinz sind klar für eine Koalition von CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Eine Ampel würde er hinnehmen. Grundsätzlich blicken die Vertriebsexperten verhalten optimistisch in die Zukunft.
Als wichtigstes Signal dieser historischen Wahl sieht Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), dass die extremen politischen Kräfte, ob rechts oder links orientiert, keine Chance haben mitzuregieren, auch weil sie zu wenige Wahlstimmen erhalten haben. Die Branche befürchtete im Vorfeld der Wahl ja ein Bündnis aus SPD, Grünen und den Linken.
„Ich setze auf die Expertise von Volker Wissing"
Dass FDP und Grüne bereits in Koalitionsgespräche eingestiegen sind, verbuchte der BVK-Präsident als guten Schritt. Dabei setzt er aber vor allem auf den FDP-Politiker Volker Wissing. Seit 2011 ist Wissing Landesvorsitzender der FDP Rheinland-Pfalz und konnte bereits Erfahrung mit grün-schwarzen Verhandlungsrunden machen. Jetzt würden eben die Kleinen sagen, was läuft, die Volksparteien hätten wohl ausgedient, meint Heinz. Dass dem so ist, macht den BVK-Frontmann aber nicht bange, so lange ein Mann wie Wissing an Bord ist. O-Ton Heinz: „Ich setze auf die Expertise von Volker Wissing und dass er sich für unsere Branche stark macht“.
Auch der recht wahrscheinlichen Regierungsbeteiligung der Grünen kann Heinz einiges positive Aspekte abgewinnen, jedenfalls mehr als der SPD-Vorherrschaft. Der Verbandspräsident sieht bei den Grünen „deutlich mehr marktwirtschaftliche Ansätze als bei der SPD“. Hier stünden hinter Olaf Scholz zu viele Jusos. „Das lässt nichts Gutes erwarten“, so die düstere Einschätzung von Heinz. Die Jungsozialisten um den stellvertretenden Parteivorsitzenden Kevin Kühnert seien weitaus ideologischer als der potenzielle Kanzler Scholz. Kühnert könne eher dafür sorgen, dass Versicherungsvermittler „von der Platte gefegt werden“. Doch ganz ohne eine Klatsche von Heinz kam auch Scholz nicht davon. Besonders eine Aussage von diesem in einer Talkrunde, bei der er Versicherungsvermittler in die Ecke von geldgierigen Schmierfinken steckte, stieß Heinz sauer auf.
Hofft, dass Teamwork die politische Landschaft bestimmen wird
Das Selfie von Anna-Lena Baerbock, Robert Habeck, Christian Lindner und Volker Wissing sieht er als gute und vielversprechende Botschaft und ist davon überzeugt, dass „es eine so dominante Personalpolitik wie in den vergangenen Jahren nicht mehr geben wird“, sondern dass Teamwork die politische Landschaft bestimmen wird. Und wenn dann eine Ausgewogenheit der grün-rot-gelben Positionen gefunden sei, werde es auch keine Bürgerversicherung, keine Obligatorien und keine Gleichmacherei geben.
So erstaunlich offen und versöhnlich sich Michael H. Heinz gegenüber den neuen politischen Kräften zeigte, so kritisch ging er mit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und seinem Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen ins Gericht. Dessen Plädoyer für eine rein digitale Produktberatung ohne Vermittler sei ein Unding, ein Abgesang auf die Vermittlerschaft. „Der GDV als Partner“. Hinter dieses eigentliche Ziel setzte Heinz ein dickes Fragezeichen.
"Das Problem ist jetzt aktuell und nicht erst in 30 Jahren"
Als äußerst fraglich erachtet der engagierte Verbandspräsident auch die Entwicklung der Riester-Diskussion und den politischen Umgang mit diesem Altersvorsorgeprodukt. Seiner Ansicht nach ist Riester „ein an sich gutes Produkt, das halt etwas verändert und vereinfacht werden muss“. Nicht die Vermittler seien an der schlechten Performance dieser Gattung Schuld oder hätten dessen miesen Ruf verschuldet, sondern die seit Jahren drückende niedrige Zinsniveau. Große Unternehmen wie die Zurich und DWS haben sich bereits aus dem Riester-Markt zurückgezogen, da der Verkauf dieser Policen für diese Anbieter war nicht mehr auskömmlich.
Nach Ansicht des BVK-Mannes hätte es hier schon Längstens eines politischen Eingreifens bedurft, aber "die Politik sitzt das Thema aus", meint Heinz. "Das Problem ist jetzt aktuell und nicht erst in 30 Jahren".
Autor(en): Meris Neininger