Millionen Lebensversicherte könnten nach Einschätzung von Verbraucherschützern noch an Abwicklungsfonds verkauft werden. Dort drohe eine ungerechte Behandlung. Daher sollen alle Lebensversicherten nun ein gesetzliches Sonderwechselrecht bekommen. Sie dürften dann vor einem Verkauf entscheiden, ob sie mit ihrem Vertrag und allem Ersparten zu einem anderen Lebensversicherer wechseln wollen.
83 Millionen Lebensversicherungsverträge gibt es derzeit in Deutschland. Laut der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) befinden sich davon 5,1 Millionen Policen im so genannten externen Run-Off. Das heißt: Der Lebensversicherer hat alle Verträge an einen Abwicklungsfonds verkauft. Betroffen sind derzeit beispielsweise die ehemaligen Kunden der Generali, Arag, Basler Delta Lloyd, Heidelberger, Mannheimer oder Skandia. Spätestens mit dem Verkauf wird auch das Neugeschäft eingestellt.
Wickeln Verträge in eigener Regie ab
Gleiches gilt für Lebensversicherte, deren Altverträge, die sich wie bei der Ergo, der Victoria oder der Bayerischen Beamten Lebensversicherung im „internen Run-Off“ befinden. Hier wickeln die Versicherer die Verträge, die meist hohe Garantien haben in eigener Regie ab. Altverträge sind für viele Assekuranzen eine schwere Belastung. So verlangt die Aufsichtsbehörde, dass die Versicherer für diese Verträge hohe Rückstellungen bilden, damit alle Garantien erfüllt werden können.
Verbraucherschützer und Vermittler in einem Boot
Verbraucherschützer und Versicherungsvermittler ziehen nun überraschend an einem Strang. Sie möchten verhindern, dass weitere Kunden „verkauft“ werden und fordern daher ein gesetzliches Sonderwechselrecht. Gemeinsam haben der Bund der Versicherten (BdV) und der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW ein Forderungspapier erstellt.
„Damit sollen die Versicherten im Falle eines Run-Offs ein faires Wechselrecht bekommen, ohne auf Gelder verzichten zu müssen, die ihnen eigentlich zustehen“, heißt es in einer Erklärung. „Wir erwarten weitere Run-Offs und damit viele Millionen weiterer Betroffener“, so BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein. Mit einem fairen Übertragungswert könnten unabhängige Vermittler die besten Lösungen für die Betroffenen finden.
Werden Kunden wirklich schlechter gestellt?
Damit würde verhindert, dass die Verträge von Unternehmen verwaltet werden, die keinem Wettbewerb mehr ausgesetzt sind. Kleinlein: „Die aktuellen Erfahrungswerte dokumentieren, dass diese Verträge schlechter bedient werden - ob nun in Sachen Service, Leistungen oder Überschussbeteiligung – diese Ungerechtigkeit muss ein Ende haben.“
Ein spezielles Wechselrecht für Versicherte, die von einem Run-Off betroffen sind, hält hingegen die Versicherungsbranche und die Aufsicht für unnötig. „Eigentümerwechsel gibt es in der Versicherungswirtschaft – wie in anderen Wirtschaftszweigen auch – schon sehr lange. Die Rechte der Versicherten bleiben bei einem Verkauf von Aktien eines Lebensversicherers gewahrt“, erläuterte ein Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Tatsächlich prüft die Bafin jeden Verkauf. „Vertragliche Garantien bleiben unverändert bestehen“, bestätigte ein Sprecher der Aufsichtsbehörde.
Aufkäufer wehrt sich
„Von einer Benachteiligung der Kunden kann keine Rede sein“, sagte ein Sprecher der Unternehmensgruppe Viridium, die im vorigen Jahr rund vier Millionen Verträge der Generali Lebensversicherung übernommen hatte. Auch nach dem Verkauf bleibe der Versicherungsbestand weiterhin voll unter der Aufsicht der Bafin. Die Aufkäufer werben damit, dass sie mit moderner IT-Technik die Verwaltungskosten senken können und die Verträge der Kunden sich somit sogar lukrativer entwickeln würden.
Doch dafür benötigen die Aufkäufer eigentlich immer größere Bestände. Also weitere Lebensversicherer, die ihre Kunden in den externen Run-Off geben. Nach der öffentlichen Kritik von Verbraucherschützern und Vermittlern könnte dieses Geschäftsmodell nun ins Wanken geraten.
Autor(en): Uwe Schmidt-Kasparek