Immer mehr Versicherer in Deutschland wie auch in vielen anderen Ländern bieten ihren Kunden Dienstleistungen über die klassische Police hinaus an. Durch den Aufbau so genannter Serviceökosysteme können sie sich in Zukunft als Lösungsanbieter positionieren und damit die Loyalität ihrer Kunden erhöhen. Das zeigt die Studie "Versicherer der nächsten Generation: Die Servicerevolution" der Managementberatung Bain & Company, an der 172.000 Kunden aus 20 Ländern beteiligt waren, darunter 15.000 aus Deutschland.
Demnach ist in den vier Segmenten Kfz, Gebäude, Kranken und Leben jeweils mehr als die Hälfte der Befragten hierzulande an solchen Systemen interessiert. Zwischen 30 und 40 Prozent würden dafür einen Wechsel ihres Anbieters in Erwägung ziehen. Und bis zu 62 Prozent wären sogar bereit, für diese zusätzlichen Services höhere Prämien zu zahlen.
Dominanz des Preises brechen
"Das ist eine Steilvorlage für die Versicherer", betont Dr. Henrik Naujoks, Bain-Partner und Co-Autor der Studie. Mit dem Aufbau von Ökosystemen lasse sich endlich der gordische Knoten der Branche durchschlagen. Denn bislang hätten Kunden nur selten Kontakt mit ihrem Anbieter: Sie erwerben im weltweiten Durchschnitt nur alle drei bis sechs Jahre eine neue Auto-, Gebäude-, Hausrat-, Kranken- oder Lebensversicherung. Und weniger als die Hälfte interagiert zumindest einmal jährlich mit ihrem Versicherungsunternehmen. Der Wettbewerb erfolgt deshalb gerade bei Sachversicherungen vor allem über den Preis. Mehr Services führen zu regelmäßigen Interaktionen und können die Kundenloyalität stärken. "Dadurch kann es gelingen, die Dominanz des Preises zu brechen“, weiß Naujoks.
Das Beratungsunternehmen misst die Kundenloyalität mit dem Net Promoter Score (NPS). Dieser zeigt: Bei zumindest einem Kontakt in den vergangenen zwölf Monaten liegt der NPS in der Sachversicherung 22 Prozentpunkte, in der Lebensversicherung sogar 28 Prozentpunkte höher als bei anhaltendem Schweigen. Zusätzliche Services, die über das klassische Dienstleistungsspektrum hinausgehen, wirken sich positiv auf die Loyalität aus. Schon wenn den Kunden nur ein Einziger dieser Services angeboten wird, steigt der NPS etwa in der Kfz-Versicherung im Branchendurchschnitt von fünf auf 25 Prozent. Die höchsten NPS-Werte erzielt in Deutschland sowohl in der Sach- als auch in der Lebenssparte die Huk Coburg.
Die angebotenen Services müssen allerdings eine hohe Qualität haben."Nur mit ausgewählten Partnern, hohen Standards und exzellenter Leistung kann sich die erhoffte Wirkung voll entfalten", erklärt Dr. Florian Mueller, Bain-Partner und Co-Autor der Studie.
Bain hat fünf Erfolgsfaktoren für den Aufbau von Ökosystemen identifiziert:
1. Einzigartiges Leistungsversprechen
2. Schnelle Skalierung
3. Gemeinsame Nutzenmaximierung
4. Intelligente Datennutzung
5. Einsatz agiler Methoden
"Mit einem Ökosystem verändern Versicherungen nachhaltig ihre Positionierung am Markt", ist Bain-Partner Naujoks überzeugt. "Sie werden für ihre Kunden vom Helfer in der Not zum Ansprechpartner im Alltag." Eine differenzierende Servicestrategie durch den Aufbau von Ökosystemen sei neben der Kostenführerschaft eine der zukunftsträchtigen Optionen im Wettbewerb.
Der NPS
Bain & Company misst die Kundenloyalität seit mehr als zehn Jahren branchen- und länderübergreifend mit dem Net Promoter Score. Diese Kennzahl ergibt sich aus den Antworten auf eine einzige Frage: "Auf einer Skala von null bis zehn, wie wahrscheinlich ist es, dass Sie Ihren Hauptversicherer einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?" Die Antworten werden drei Kategorien zugeordnet. Dabei hat sich gezeigt, dass nur Werte von neun oder zehn für wirklich loyale Kunden stehen ("Promotoren"), sieben und acht Passive sind und Bewertungen von sechs oder weniger als Kritiker eingestuft werden müssen. Wird der Anteil der Kritiker von dem der Promotoren subtrahiert, ergibt sich der NPS.
Autor(en): Versicherungsmagazin.de