Tsunami in Südostasien: Nur wenig war versichert

Beim einem der schwersten Seebeben seit Bestehen der Klimaaufzeichnungen in Südostasien halten sich die Kosten versicherter Schäden nach Experten-Ansicht in Grenzen. Die Rückversicherer versuchen sich derzeit in ersten Schätzungen. Zum genauen Schaden-Ausmaß lautet aber die übereinstimmende Aussage der Branchen-Riesen Münchener Rück und Swiss Re: "Wir können noch nicht viel sagen."

Auch die Hannover Rück, weltweit die Nummer vier der Rückversicherer, ist mit Prognosen vorsichtig. Derzeit gehe man von einer Schadenbelastung im zweistelligen Millionen-Bereich aus.

Der Ruf nach Frühwarn-Systemen vor Naturkatastrophen, wie sie in der westlichen Welt Schule machen, wird lauter. Die Versicherer wollen sich engagieren.

Die Katastrophen-Berichte nach dem 26. Dezember 2004 über den Tsunami, wie die häufig durch ein Seebeben ausgelöste Wellenart in Südostasien auf Japanisch heißt, machen deutlich, dass die wissenschaftlichen Ausarbeitungen der Versicherer und die darauf in der westlichen Welt basierenden Frühwarn-Systeme zwar materielle Schäden nicht hätten vermeiden können, aber mit Sicherheit unzählige Menschenleben hätten retten können.

Katastrophe ohne Beispiel
Durch eine der bisher schlimmsten Tsunami-Katastrophen am zweiten Weihnachtsfeiertag 2004 starben nach bisher veröffentlichten Schätzungen rund 100.000 Menschen. Die gewaltige Flutkatastrophe in Asien kann aber möglicherweise noch erheblich mehr Opfer gefordert haben als zunächst angenommen. Wenn die Schätzungen aus den einzelnen Ländern zusammengerechnet würden, so fürchten Fachleute, könnten sogar weit mehr als 100.000 Tote zu beklagen sein. Die Vereinten Nationen sprechen längst von einer "Katastrophe ohne Beispiel".
  • Eine vergleichbar verheerende Tsunami-Katastrophe liegt mehr als hundert Jahre zurück. Am 15.6.1896 hatte durch den so genannten Sanriku-Tsunami eine 23 Meter hohe Wasserwand Japan inmitten religiöser Großfeierlichkeiten überrascht und 26.000 Menschen in den Tod gerissen.
  • 40 Meter hohe Tsunamis sollen nach der Explosion des Vulkans Krakatau am 27. August 1883 durch eine unglaubliche Druckwelle entstanden sein, die in dem 8.000 Kilometer entfernten Lake Taupo in Neuseeland 36.000 Tote forderte.
  • 60.000 Tote waren – überlieferten Aufzeichnungen zufolge – am 1. November 1755 in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon zu beklagen, nachdem sich ein Brand nach einem Erdbeben rasch ausbreitete. Als die Einwohner vor den Flammen an das Tejoufer flüchteten, wurden sie von haushohen Flutwellen überrascht. In den Geschichtsbüchern ist überliefert, das zwei Drittel der Stadt zerstört wurden. Der Tsunami soll noch in Irland und jenseits des Atlantiks auf den kleinen Antillen zu spüren gewesen sein.


Heute und in der Jetzt-Zeit existiert immer noch kein Tsunami-Frühwarnsystem in Südostasien, wie es aber längst in Japan und in den USA (Hawai seit 1949) betrieben wird. Nach Einschätzung von Experten hätte aber genau das Tausende Menschenleben retten können. Die meisten Regierungen in der asiatischen Pazifik-Region hatten geglaubt, darauf verzichten zu können, ein Instrumentarium unterhalten zu müssen, das die Millionen Menschen in den flachen Küstenregionen rechtzeitig vor den Monsterwellen hätte warnen können. Solche Katastrophen ereignen sich eigentlich nur alle 700 Jahre, lautet ihre Entschuldigung.

Bisher keine Detail-Schätzung
Auch wenn die Schadensituation noch längst keine Detail-Schätzungen über das Ausmaß zulässt, ist sich die Versicherungsbranche dennoch ziemlich sicher, dass die Kosten kaum ausufern werden. "Die Schadenlast für die Versicherungsindustrie steht im scharfen Kontrast zum menschlichen und wirtschaftlichen Schaden", teilt dazu ein Sprecher der Swiss Re mit. Der international tätige Schweizer Rückversicherer vermutet, dass die versicherten Schäden wahrscheinlich die Sparten Sach- und Betriebsunterbrechungs-Versicherung am häufigsten treffen. Die Schadenbelastung im eigenen Unternehmen wird auf unter 100 Millionen Euro geschätzt.

Das liegt auch an der schwachen Versicherungsdichte, die generell in der Südpazifik-Region auszumachen ist. Experten mutmaßen, dass in Indonesien, Indien, auf Sri Lanka und auch im betroffenen Somalia in Afrika das Prämien-Volumen je Kopf und Jahr – Lebensversicherungs-Verträge eingeschlossen – unter 20 US-Dollar liegt. Lediglich in Thailand und Malaysia soll die Versicherungsdichte mit 80 bzw. 220 US-Dollar etwas höher sein. Verglichen mit der Versicherungsdichte von Japan (3.800 Dollar) oder den Vereinigten Staaten von Amerika (3.600 Dollar) nehmen sich die Summen aber äußerst bescheiden aus.

Im Gegensatz zu dem Hab und Gut der meisten Einwohner der jetzt betroffenen Tsunami-Regionen in insgesamt zwölf Ländern sind die großen Hotelketten der Urlaubsgebiete gegen Sachschäden versichert. Während Millionen der Küstenbewohner alles verloren, büßten die Aktien der dort vertretenen Hotelkette Four Seasons lediglich 0,43 Prozent auf 82,69 US-Dollar ein. Analysten prognostizieren, dass das Seebeben die Gewinne der Kette geringfügig schmälern werde, zumal acht der fünfzehn Hotels in der Region beschädigt wurden. Die Schäden sind allerdings versichert.

Gewinner der Tragödie
Es gebe auch Gewinner der Tragödie, wird aus Börsenkreisen bekannt. Die Aktie von Taylor Devices profitiere derzeit. Das Unternehmen Taylor Devices spezialisiert sich auf die Entwicklung von einer Art Stoßdämpfer für Bauten in erdbebengefährdeten Gebieten. Damit können nach Experten-Angaben Wohnhäuser, Brücken und Türme zwar nicht gegen Flutwellen, aber gegen Erdbeben geschützt werden. Offensichtlich besteht die Hoffnung, dass beim Wiederaufbau mehr Wert auf Erdbebensicherheit gelegt werde. Die Aktie legte innerhalb von zwei Tagen nach der Katastrophe um 116,53 Prozent auf 5,37 Dollar zu.

Schwerstes Katastrophenjahr
Gemessen an materiellen Schäden entwickelte sich 2004 zum schwersten Katastrophenjahr für die Versicherer seit mehr als einem Jahrzehnt, wobei allein vier Hurrikans im Herbst der Assekuranz 42 Milliarden Euro an Schäden bescherten.

Autor(en): Marianne Storck

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